
Der Drehstress findet ein paar Meter weiter statt. Auf dem Stockholmer Segelschiff "af Chapman" setzt die "Inga Lindström"-Filmcrew gerade ein Vater-Tochter-Treffen zur neuen Episode "Die Hochzeit meines Mannes" (Sonntag, 18. September, 20.15 Uhr, ZDF) in Szene. Thomas Unger, der im Film einen heiratswilligen Doktor zwischen zwei Frauen spielt, ist hingegen die Entspanntheit in Person. Was vor allem daran liegt, dass er an diesem sonnigen Mittsommertag drehfrei hat. Am Set vorbeigeschaut hat er freundlicherweise trotzdem, der bayrischstämmige Wahlberliner, der einmal ein talentierter Nachwuchsfußballer war, zwischenzeitlich Lehrer werden wollte und jetzt, mit 41 Jahren, dabei ist, sich als Schauspieler fest zu etablieren.
Die Medizinerrollen scheinen ihm zu liegen. Im neuen "Lindström"-Film, dem ersten von fünf Beiträgen zur neuen Sendestaffel, spielt Unger einen Stockholmer Arzt, der spontan seine quirlige Modelfreundin (Julie Engelbrecht) heiraten möchte und bei den Hochzeitsvorbereitungen unverhofft seine alte Jugendliebe (Julia Jäger) wiedertrifft. In der dienstäglichen ARD-Hochglanzserie "Das Glück dieser Erde" - jüngst endete die recht erfolgreiche erste Sendestaffel - ist er der Veterinär und Herzensmann von Hauptdarstellerin Eva Herzig. Auch im soeben in Übersee abgedrehten "Katie Fforde"-Film "Diagnose Liebe" (Arbeitstitel, Sendetermin im ZDF noch offen) ist Romantik Trumpf.
Mit 41 Jahren ist Thomas Unger im richtigen Alter für diese Rollen. Jung, aber schon g'standen und nicht mehr grün hinter den Ohren. Nur: Wo war dieser ansehnliche und ganz offensichtlich begabte Schauspieler eigentlich all die Jahre zuvor?
"Ich hab nach etwas gesucht, das für mich stimmig ist, das hat halt länger gedauert", antwortet Thomas Unger auf die Frage nach seiner späten Berufung ins Schauspielfach. "Das ist bei mir einfach so, dass es manchmal länger dauert." Nach streng durchdachter Karriereplanung klingt das nicht direkt. Aber die falsche Entscheidung war's mit Sicherheit nicht, das kann man dem tiefenentspannten Gemütsmenschen ansehen. Wer ihn in dem großen, aufrechten Heimatdrama "Baching" gesehen hat, weiß das sogar schon seit 2007.
Ein "Türöffner" sei der Film von Regisseur und Freund Matthias Kiefersauer gewesen, sagt Unger heute. Dass man ihn nun am Set der beliebten ZDF-Romantikreihe "Inga Lindström" antrifft, ist zwar ein ziemlicher Stilspagat. Einen Widerspruch erkennt er aber nicht. Er sei da höchst pragmatisch, sagt Unger: "Man muss einfach lustvoll an die Sache rangehen, das ist bei 'Lindström' genauso wichtig wie bei jeder Arthaus-Kinoproduktion."
Lustvoll rangehen - das ist vielleicht so ein kleines Lebensmotto des Mannes, der über ganz viele biografische Wegmarken leicht verschmitzt sagt, er sei da "nicht ganz fokussiert" gewesen. Zwischen 1998 und 2002 besuchte der in Unterhaching bei München aufgewachsene Bayer die Schauspielschule in Berlin. Zwischen 2002 und 2007 hatte er ein Engagement beim Badischen Staatstheater Karlsruhe.
Das mit der Schauspielerei habe sich "ganz glücklich ergeben", befindet Unger etwas lapidar. Er habe seinerzeit im Sonderpädagogikstudium gesteckt. Mit den Kindern zu arbeiten, sei mitunter anspruchsvoll, aber immer auch "eine Riesengaudi" gewesen: "Aber je mehr das Studium fortschritt, desto mehr wurde mir die Ernsthaftigkeit des Berufs klar und die Wahnsinnsbelastung, die Lehrer aushalten müssen." Gleichzeitig wuchs Neugier auf die Schauspielerei. Über die luxuriöse berufliche Alternative, die er ergriffen habe, sei er nun "heilfroh".
Noch etwas luxuriöser ginge es Thomas Unger vielleicht heute, wenn er Fußballprofi geworden wäre. Mit ein bisschen mehr Eifer hätte es womöglich was werden können. Ende der 80-er hat er als A-Jugendlicher der Spielvereinigung Unterhaching ein paarmal bei der ersten Mannschaft mittrainiert, die damals gerade von der Bayernliga in die Zweite Liga aufgestiegen war. "Aber die Verlockungen der Stadt und der weiten Welt waren größer." Und ja, man ahnt es: "Ich war nicht sehr fokussiert."
Heute kickt der FC-Bayern-Sympathisant mit anderen Ex-Vereinsfußballern einmal die Woche in seiner Wahlheimat Berlin. Eine unverbindliche Spaßangelegenheit wie so vieles im Leben. Motorradfahren? War mal eine Spontanidee, er komme bloß nicht so viel zum Fahren und dazu, bei seiner alten BMW die Batterie zu wechseln. Klettern? Auch so ein Hobby, das Freunde seit vielen Jahren mit professionellem Eifer betreiben. Nicht so Unger: "Für mich stand immer das Gemeinschaftsgefühl im Vordergrund, nicht so sehr die sportliche Leistung. So geht's mir auch beim Drehen. Mir ist wichtig, dass ich mich mit allen gut verstehe, dass die Stimmung gut ist. Das ist dann schon die halbe Miete."
Die volle Miete zahlt Thomas Unger seit einigen Jahren in Berlin. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und dem einjährigen Sohnemann Kasimir, der ganz besonders auf Papas Steirisches Akkordeon abfährt, wohnt er im Szenestadtteil Prenzlauer Berg. "Ein bisschen touristisch" sei es dort inzwischen geworden, klagt der Schauspieler wie so viele dieser Tage. Und Probleme habe man sich geschaffen - die seien absurd: "Das ist nicht mehr mein Berlin, wenn ich jetzt Parklizenzen brauche! Da pfeift man doch normalerweise drauf, wenn man in Berlin wohnt."
Ewig wird das wohl nicht mehr der Fall sein. Eine Rückkehr in den Münchner Raum ist mittelfristig angedacht. Ein bisschen Natur sei schon nicht schlecht. Außerdem sei es wünschenswert, wenn die Großeltern nicht gar so weit entfernt leben. So ist das mit der Heimat, um die es ja auch im Drama "Baching" geht: "Man kann die Menschen aus der Heimat vertreiben, aber nicht die Heimat aus den Menschen", sagt Unger im Film als Exil-Bayer, der aus Berlin in sein Heimatdorf zurückkehrt und bleiben möchte.
Schöne Parallele zur realen Lebenssituation eigentlich. Oder nicht? "Das Motto stimmt mit Sicherheit", räumt Unger ein, "aber da klingt im Film so etwas Larmoyantes mit, das empfinde ich gar nicht so. Heimat ist ein Stück in mir, die Sprache, die Tatsache, dass ich da immer wieder hin kann. Aber ich seh's eher pragmatisch wie Gerhard Polt: Heimat ist nicht eine Frage von wo, sondern von wann."
Schon verstanden. Alles kommt zu dem, der warten kann. Und Thomas Unger kann offenbar besonders gut warten. Dinge erzwingen zu wollen, sagt er, bringe nichts. Früher oder später würden Wünsche auch von alleine wahr.
Denkt er da auch an so eine Wahnsinnsrolle wie in "Baching"? Unger lacht und spricht nun ein bisschen lauter. "Das sagt die Familie auch immer: 'Mei Thomas, du gfallst uns scho fei besser, wennds so was machst.' Ja, danke! Ich würde gerne dreimal im Jahr 'Baching' drehen oder mit Helmut Dietl arbeiten." - Dietl? Der dreht ja gerade in Berlin die "Kir Royal"-Fortsetzung fürs Kino. Vielleicht sollte er einfach mal am Set vorbeischauen: "Klar", lacht Unger, der sich das Ganze bildlich ausmalt: "Helmut, Du kennst mich jetzt noch nicht. Aber Du solltest mich kennen." - Das sollte er. Kann man so unterschreiben.
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Es hat doch sowieso nichts auf und Personenansammlungen, die es in der Vergangenheit ...