
120 Dollar, also gut 100 Euro verlangt die Christliche Schule von Miami in Florida von den Eltern ihrer Schüler für ein hartes, ein sehr hartes Stück Kunststoff. Die Scheibe sollen die Kinder in ihre Rucksäcke stecken, um sich gegen Schusswaffengebrauch zu wappnen und damit ihr Leben zu schützen. Das sogenannte „Bullet Proof Panel“ können Eltern selbstverständlich online bestellen – genauso wie den Kapuzenpulli oder die leichte Jacke – für den Schulbesuch im milden Winter.
Experten halten das Ganze für ziemlichen Humbug – und trotzdem ist es Ausdruck eines Lebensgefühls im Amerika des Jahres 2017: Gerade erst hat in Texas ein möglicherweise psychisch kranker Mann 26 Menschen in einer Kirche in Texas erschossen.
Statistisch steht nächster Massenmord schon bevor
Nur Wochen zuvor feuerte ein Mann aus dem Fenster seines Hotelzimmers in Las Vegas auf die Besucher eines Open-Air-Konzerts; so lange, bis 58 Menschen tot waren. Ein Jahr zuvor schoss ein Mann in Orlando, nur zwei Autostunden von Miami entfernt, in einem Nachtklub um sich. Bilanz: 49 Tote.
Illegaler Schusswaffengebrauch mit vielen Toten wird in den USA statistisch häufiger. Der Zeitraum, in dem der jeweils tödlichste Akt von Platz eins der unrühmlichen Tabelle verdrängt wird, ist in den vergangenen Jahren immer kürzer geworden. Orlando hat nur ein Jahr überdauert, bis es von Las Vegas übertrumpft wurde. Die fünf Ereignisse mit der größten Zahl von Todesopfern ereigneten sich alle in den vergangenen zehn Jahren. Rein statistisch stünde demnach schon in den kommenden Monaten ein erneuter Massenmord an.
Trump: „Durchbricht die Grenzen dessen, was vernünftig ist“
So groß die Hoffnung ist, dass die Statistik lügt, so groß ist auch die Angst, dass sie stimmt. Und so groß ist auch die Angst, zu den Betroffenen zu zählen. Besonders bei den Eltern. Die schusssicheren Platten für die Kinderrucksäcke in Miami sind Ausdruck dieser Sorge – und des Bedürfnisses, sich zu schützen. „Sie bedeuten eine weitere Sicherheitsstufe“, sagte der Chef der Schulsicherheit der Miami Christian School, George Gulla, dem Sender CNN. Eine mögliche Änderung im Waffenrecht spielt in der Diskussion kaum eine Rolle.
Der Sicherheitsexperte Kenneth Trump, nicht verwandt und nicht verschwägert mit dem gleichnamigen US-Präsidenten, hält von solcherlei Vorkehrungen eher wenig. „Sie sind gut gemeint, aber nicht gut durchdacht“, sagt Trump auf Anfrage der Deutschen Presseagentur. „Schusssichere Rucksäcke und Kinder im Angriff auf Attentäter zu trainieren – das durchbricht die Grenzen dessen, was vernünftig ist“, betont der Präsident des landesweiten Dienstes für Schulsicherheit. Zumal nicht ganz klar ist, wie „sicher“ die Ausrüstung tatsächlich ist. Die Panels etwa sollen zwar vor Pistolenkugeln schützen, ob sie aber auch durchschlagskräftigerer Gewehrmunition standhalten, ist unsicher.
Motto: „Better safe than sorry“
Die Hersteller schusssicherer Ausrüstung stört das nicht. „Better safe than sorry“ lautet ihr Standardargument, sicher sei sicher, man könne gar nicht genug Vorsichtsmaßnahmen treffen. Die Firma Bullet Blocker aus dem Bundesstaat Massachusetts liefert fast alles – vom Gucci-Handtäschchen für die Dame bis zum Armani-Anzug für den Herrn in schusssicherer Ausführung – getragen angeblich auch von führenden Politikern.
Auch die Wickeltasche für die sicherheitsorientierte Mutter für 3100 Dollar darf im Sortiment nicht fehlen. Ein walisischer Hersteller bietet sogar Unterwäsche an, die „lebensverändernde“ Einschüsse verhindern soll – gedacht allerdings vor allem für Soldaten im Einsatz.
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