
Der Kia Niro PHEV ist weder ein spektakulärer noch ein besonders ausgefeilter Plug-in. Aber einer, der allen, die immer noch zaudern, den ersten Schritt in die Teilzeit der E-Mobilität leicht macht. Die zusätzliche Ladeklappe vorne links ist dann auch schon alles an Aufregung. Ansonsten ist dieser Koreaner so kreuzbrav, dass man ihm am liebsten zurufen möchte: Nun mal nicht so schüchtern!
Wrrooooaaam! Was war das denn jetzt? Wir sind doch hier in einem Plug-in-Hybrid im E-Modus unterwegs. Und doch läuft auf einmal der Benziner im Kia Niro. Wobei er sich ja nicht diskret zu Wort meldet. Sondern ungefragt, aufdringlich und unrund. Über zwei Wochen lang bleibt es eines der Geheimnisse, weshalb sich in diesem Teilzeitstromer der schwachbrüstige Einssechser-Otto mit seinen nicht mehr als 77 kW/105 PS auch dann immer wieder einschaltet, wenn es eigentlich niemand will. Und erst recht keiner erwartet. Doch da sich der – pfui – Verbrenner in diesem Doppelpack der zeitgemäßen Mobilität zumeist schon bald wieder abschaltet, denken wir nicht weiter darüber nach, was dieser Kia im Idealfall alles sein könnte. Sondern setzen uns damit auseinander, was er ist.
Er ist: So etwas wie eine eierlegende Wollmilchsau der 2020er, in denen der autofahrende Mensch gerade nicht so recht weiß, womit er sich denn künftig am besten fortbewegen soll. Mit dem bewährten, aber irgendwie verpönten Verbrenner? Rein elektrisch? Oder in einer Mischform? Der Niro kann – Tusch und Applaus – alles. Kia schmeißt die Karosserie, die mit nur 4,35 Metern Länge bestes Golf-Format aufweist, in jeder beliebigen Konfiguration auf den Markt. Als Verbrenner, als reines E-Modell, als Hybrid oder Plug-in-Variante. Alles ist möglich. Doch wir wissen: Universaltalente schwächeln zumeist im Speziellen.
Der Niro macht da keine Ausnahme. In Gestalt des Plug-in wollen fast 40.000 Euro (abzüglich Bonus) investiert werden für ein Auto, dessen Verbrenner allein eine Zumutung ist. 77kW/105 PS leistet der 1.6 GDI; was er an schütteren 147 Nm Drehmoment über die sechs Gänge des Doppelkupplungsgetriebes abzugeben bereit ist, ist eher nicht der Rede wert. Doch im Zusammenspiel mit den 45 kW und weiteren 170 Nm Drehmoment des Elektromotors sieht das beim Plug-in schon etwas anders aus. Dann stehen insgesamt 104 kW/141 PS Systemleistung zur Verfügung. Die rauben zwar auch niemandem den Atem, sind aber eine absolut alltagstaugliche Hausnummer. In etwas mehr als zehn Sekunden treibt es den 1,6 Tonnen schweren Koreaner bei Bedarf auf Tempo 100, Schluss ist dann bei 172 km/h. Das ist okay, hat aber keinerlei Angeberpotenzial.
Aber ein Angeber soll und will der Niro ja auch nicht sein. Was er rein äußerlich sein soll – das wissen indes vermutlich nicht einmal die Ingenieure so genau, die ihn einst erdacht haben. Denn was das eigentliche Ziel gewesen sein könnte, erschließt sich auch bei längerem Hinsehen nicht. Wir haben es hier mit einem Auto zu tun, das auf dem halben Weg stehen geblieben ist – wie immer dieser Weg auch aussehen sollte. Ein SUV ist der Niro nicht – dafür ist er mit 1,53 Metern Höhe zu flach. Für einen Kompakten wiederum ist er zu hoch. Ein Kombi kann er nicht sein – dafür ist der Niro dann zu kurz. Was zum Teufel ist er denn nur? Die Frage lässt sich ganz einfach beantworten: Der Niro ist der Niro. Punkt.
Ein unspektakuläres Modell, das den ersten Schritt in Richtung E-Mobilität leicht macht. Mut zur Brücke. Auch – und vor allem – für jene, die im womöglich noch zaudern. Wer, von Reichweitenangst geplagt, mit dem Plug-in vorsichtig Abschied vom reinen Verbrenner nehmen will, der kann sicher sein, dass es klappt. Denn die Ladung, die der gut neun kWh große Akku des Niro Plug-in verspricht, die hält er auch. Selbst wer nur eine Haushaltssteckdose zur Verfügung hat, bekommt ihn in gut dreieinhalb Stunden problemlos wieder voll geladen. Laut NEFZ-Zyklus soll das für 58 Kilometer E-Strecke reichen. Aber: Das sind Prüfstandswerte, die wenig mit der Realität zu tun haben. Der Bordrechner des Niro prognostiziert bei 90 Prozent Akkustand und winterlichen Bedingungen 44 km E-Reichweite – am Ende waren es dann sogar 46 Kilometer. Heißt: Die Prognose beruht nicht auf Phantasiewerten, sondern ist verlässlich. Sauber.
Wobei: Ein wenig schummelt der Kia dabei ja. Und damit wären wieder beim Wrrooooaaam des Anfangs. Denn der – sorry – echt unkultivierte Verbrenner läuft öfter als gewollt auch im reinen E-Modus. Knapp über Leerlaufdrehzahl fungiert er so als Generator, der den Akku nachlädt. Die 4,1 Liter, die wir im Durchschnitt pro 100 Kilometer verbraucht haben, sind für ein Fahrzeug dieser Größe dann zwar nicht übel. Doch von den angeblich 1,3 Litern/100 km, die es unter Idealbedingungen des Labors in der schönen neuen Hybridwelt sein könnten, ist das Lichtjahre entfernt.
Und doch wünschte man, dass der Niro allzeit im reinen E-Modus unterwegs sein könnte. Nicht nur, weil der Plug-in nur so seinem grünen Anspruch gerecht werden kann. Sondern auch, weil das Zusammenspiel mit dem 1,6-Liter-Verbrenner so unentspannt ist. Wer die routinierte Lässigkeit kennt, mit der etwa die Plug-in-Hybride aus dem VW-Konzern ihr Zusammenspiel betreiben, erschrickt im Kia gewaltig. So bleibt auch der Ausflug in jene Gasse der Automatikkulisse, die den Sportmodus aktiviert, ein flüchtiges Vergnügen. Das kann mal versuchen. Um dann ganz schnell festzustellen: Echt nicht!
Klar, an den Lenkradspeichen gibt es zwar links und rechts die obligatorischen Schaltpaddel. Doch im Niro Plug-in haben sie nichts mit den Möglichkeiten forcierter Gangart im manuellen Getriebemodus zu tun. Sondern allein mit dem Grad der Rekuperation – also dem Maß, in dem beim Leerlauf und Bremsen Energie zurückgewonnen und in die Batterie mit ihren 8,9 kWh Kapazität eingespeist wird. Im Normalfall agiert der Kia hier bei Stufe eins kaum spürbar; empfehlenswerter ist da schon Stufe zwei. Blöd im Alltag: Der Niro merkt sich die bevorzugte Einstellung nicht, sie will nach jedem Neustart wieder manuell aktiviert werden. Ach ja, Stufe drei der Rekuperation gibt es auch noch. Aber die ist schlicht nicht empfehlenswert, weil es die Passagiere dann beim Lupfen des Fahrpedals mit einer Vehemenz in die Gurte haut, die sich kaum mehr entschuldigen lässt.
Dabei hat dieses Auto ja sonst kaum etwas, wofür es sich entschuldigen müsste. Dass der Niro deutlich vor den cooleren Kia-Modellen der neueren Ceed-Familie entwickelt wurde und innen eher abwaschbar und geschmacksneutral, vor allem aber sehr beliebig daherkommt? Geschenkt. Dass er nicht genau weiß, ob er nun Kombi, SUV, Crossover, was auch immer sein möchte? Wen schert es, solange es sich auf allen Plätzen gut sitzen lässt und das Kofferraumvolumen zumindest akzeptabel ist? All das haut hin.
Weil der Niro ja einer für alle sein soll, auch als Plug-in. Und genau das ist er, völlig unaufgeregt. Da habt ihr, watt ihr Volt!
Technische Daten
Modell: Kia Niro 1.6 GDI Plug-in
Motor: R4-Benziner/E-Motor
Hubraum: 1580 ccm
Systemleistung: 104 kW/141 PS
Systemdrehmoment: 265 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 172 km/h
Beschleunigung (0–100 km/h): 10,8 s
Verbrauch (ø nach NEFZ): 1,3 l + 10,5 kWh/100 km
CO2-Ausstoß (nach NEFZ): 29 g/km
E-Reichweite (nach NEFZ): 58 km
Abgasnorm: Euro 6d
Kofferraumvolumen: 324 Liter
Basispreis (16% Mwst.): 39.274 Euro
Testwagenpreis (16% Mwst.): 41.301 Euro
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Davon mal ...