
Noch stehen auf dem Grundstück Kiefern, in zwei Jahren sollen die ersten Elektroautos vom Band rollen. 300 Hektar Wald, logistisch perfekt gelegen zwischen Autobahn und Bahntrasse, sollen sich binnen kürzester Zeit in die Europa-Gigafabrik des US-Konzerns Tesla verwandeln. Es klingt wie ein Märchen, doch wer als Pionier der Elektromobilität und Öko-Milliardär aus dem Land der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten kommt, der glaubt auch an Wunder in Brandenburg.
Nicht nur der Zeitplan ist ambitioniert. Tesla-Chef Elon Musk möchte seine klimaschonenden Fahrzeuge künftig auch möglichst CO2-frei produzieren. Das funktioniert nur, wenn ausreichend erneuerbare Energien zur Verfügung stehen. Brandenburg gilt zwar gemeinhin als Braunkohleland. Doch im Schatten der gigantischen Tagebaue und der schmutzigen Kraftwerksschlote haben die Landesregierungen seit Jahren auf Nachhaltigkeit gesetzt. Inzwischen drehen sich zwischen Elbe und Oder mit die meisten Windkraftanlagen bundesweit. Die auf ehemaligen Militärflughäfen und auf Brachflächen neben Autobahnen installierten Solaranlagen gehören zu den größten Europas. Einen grüneren Strommix hat keine andere Region zu bieten.
Mit den Plänen von Tesla in der Mark Brandenburg, keine zehn Kilometer von der Berliner Stadtgrenze entfernt, zeichnet sich eine zukunftsweisende, weil umweltschonende Industrie ab. Verstärkt wird diese Trendwende – dass ökologische Nachhaltigkeit auch ein industriepolitischer Wettbewerbsvorteil sein kann – durch die Absicht der BASF: Sie will an ihrem schon vorhandenen brandenburgischen Produktionsstandort in großem Stil Bestandteile für Batterien fertigen, ohne die kein Elektroauto fahren kann.
Natürlich wollen die beiden Konzerne nicht nur wegen des Öko-Stroms in das Erneuerbare-Energien-Land Milliarden investieren. In der Hauptstadtregion gibt es auch viele hoch qualifizierte Fachkräfte; die Werke sind zudem aus dem nahen Polen gut zu erreichen. Nicht nur in Berlin, sondern auch in Cottbus und Senftenberg werden Ingenieure ausgebildet, ohne die es weder Batterien noch E-Motoren geben wird. Daneben ist Berlin die Hauptstadt der deutschen Start-up-Kultur und kann auf eine alte Tradition zurückblicken: Einst verschafften mehr als 30 Hersteller von Batteriefahrzeugen der Stadt in dieser Branche Weltruhm. Erst als sich der Verbrennungsmotor durchsetzte, verloren die Elektrowagen an Bedeutung. Jetzt sorgen die Erderwärmung, die ab 2021 endlich verschärften CO2-Vorgaben der EU und nicht zuletzt der hausgemachte Dieselskandal dafür, dass sich die Waage wieder in Richtung des Elektromotors neigt.
Die Euphorie, die sich mit Tesla und BASF verbindet, passt zu den Strukturwandel-Konzepten und zur Aufbruchstimmung, die die seit Kurzem in Potsdam regierende Koalition aus SPD, CDU und Grünen verbreitet. Auch deshalb ist das Land beim Grundstücksverkauf Tesla weit entgegengekommen. Die Regierung hofft, dass die in der langen Phase der Deindustrialisierung abgewanderten Fachleute zurückkehren. Diese Vorstellung ist keineswegs abwegig. Die erfolgsverwöhnte deutsche Autoindustrie hat in ihrer Überheblichkeit den Wandel verschlafen und muss umsteuern. Rigorose Sparpläne und ein gewaltiger Stellenabbau werden die notwendigen Investitionen in die Elektromobilität begleiten.
Allerdings sind Teslas E-Autos vom Preis her nicht massentauglich. Das könnte sich mit einem kleineren Modell rasch ändern. Dann könnten sie mit E-Autos europäischer und asiatischer Hersteller konkurrieren. Doch erst einmal stehen die Mühen der märkischen Ebene an, wozu auch der Naturschutz gehört. Tiere müssen noch umgesetzt werden; der Kampfmittelräumdienst hat für das künftige Werksgelände bereits grünes Licht gegeben. Die Fabrik, in der anfangs mit rund 4000 neuen Jobs gerechnet wird, soll keineswegs zufällig nahe der Skandalbaustelle BER entstehen. Nicht nur in Berlin wird deshalb eifrig über die spannende Frage spekuliert, ob Teslas Gigafactory oder der Großflughafen im kommenden Herbst zuerst eröffnet wird.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.