
Von dem gedüngten Feld zieht ehrliche Landluft herüber auf das Firmengelände von Aluminium-Bau Jonuscheit – kurz Aljo. Denn Landwirtschaft und Industriegebiet liegen in Berne in der Wesermarsch nah beieinander. Hier wird Aljo in Zukunft Teile für den US-Flugzeugbauer Boeing herstellen. Am Mittwoch wurde der Vertrag symbolisch auf einem Foto von Boeings P-8A Poseidon unterzeichnet. Für dieses Flugzeug zur Seefernaufklärung wird Aljo Rumpfteile fertigen.
Zur Unterzeichnung kamen aus Berlin extra der Boeing-Deutschland-Chef Michael Haidinger und der Vize-Deutschland-Chef von Boeing Defense, Space & Security Michael Hostetter. Mit dabei auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) und Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU). Thümler kommt aus der Ecke, Berne ist Teil seines Wahlkreises.
Aljo-Chef Ulf Jonuscheit sagte: „Die neue Kooperation mit Boeing ist ein historischer Meilenstein für Aljo. Es ist auch der Einstieg in den US-Markt mit neuen Normen und Richtlinien. Wir freuen uns auf diesen neuen Schritt und auf eine langfristige, erfolgreiche und vertrauensvolle Zukunft mit Boeing.“
Ebenso freute sich Boeing-Deutschland-Chef Michael Haidinger auf die Zusammenarbeit: „Mit Aljo Aluminium-Bau Jonuscheit nehmen wir ein hochspezialisiertes Unternehmen aus Niedersachsen mit langer Tradition in der Luft- und Raumfahrt in unser deutsches Zulieferernetzwerk auf.“
Inzwischen hat der US-Flugzeugbauer in Deutschland knapp 100 Zulieferer. Egal ob zivile oder militärische Luftfahrt sowie die Raumfahrt – in allen Maschinen ist inzwischen Technologie „Made in Germany“ eingebaut.
Haidinger erinnerte auch daran, dass Unternehmensgründer William Boeing deutsche Wurzeln hat. Sein Vater wanderte aus Deutschland in die USA aus. Die P-8 ist als Seefernaufklärungsflugzeug für den Einsatz von breitflächigen, maritimen und küstennahe Operationen gebaut. Sie kann auch in humanitären Missionen sowie Such- und Rettungsaktionen eingesetzt werden. Sie ist eine militärische Variante der nächsten Generation des Verkehrsfliegers Boeing 737-800. „Die P-8 wird auf der gleichen Plattform gebaut wie die 737“, sagte Michael Hostetter von Boeing Defense, Space & Security. Die US-Navy verfügt über 130 P-8. Auch Australiens Royal Airforce und Indiens Navy haben Flugzeuge diesen Typs. Großbritannien, Norwegen, Neuseeland und Südkorea planen ebenfalls die Anschaffung des Fliegers.
Dafür wird Aljo in Zukunft Rumpfteile am unteren Leitwerk herstellen. Was in Berne produziert wird, wird dann aus der Wesermarsch nach Renton bei Seattle zum Boeing-Standort geliefert. Bis es soweit ist, wird es aber noch etwas dauern. „Wir fangen jetzt mit dem Engineering an“, sagte Aljo-Geschäftsführer Ulf Jonuscheit. Da die Teile eine Länge von etwa 2,5 Metern haben, gebe es verschiedene Möglichkeiten, sie in die USA zu transportieren. Selbst per Cargoflieger wäre kein Problem.
Für Airbus produziert Aljo bereits seit Jahrzehnten. Bei dem Gang durch die Produktionshallen heute sind an vielen Stellen die Schriftzüge des deutschen Flugzeugbauers zu sehen. 1976 kam schließlich der erste Auftrag für die Raumfahrt hinzu. Begonnen hat das Unternehmen, das Ulf Jonuscheits Vater Gerhard 1970 gründete, mit Teilen für die Schiffsausrüstung. Der Marinebereich ist auch heute noch eine wichtige Branche. Außerdem ist Aljo Zulieferer von VW. Es stellt unter anderem die Innenaufbauten für den Campingbus T6 California her. Der Vertrag mit VW wurde vor Kurzem erst bis 2025 verlängert. Wirtschaftsminister Althusmann scherzte in seiner Rede: „Das freut mich zu hören, dass der Vertrag verlängert wurde. Nicht, dass ich da noch hätte tätig werden müssen als Aufsichtsratsmitglied von VW.“
Aljo-Geschäftsführerin Miriaim Rudnitzki verdeutlichte anhand von Zahlen die Entwicklung von Aljo: „Heute haben wir einen Jahresumsatz von 40 Millionen Euro. Das ist doppelt so viel wie noch vor fünf Jahren. Aber so wie wir wachsen, wachsen wir gesund.“ Um den Auftrag von Boeing zu erhalten, hatte Aljo vor mehr als einem Jahr in Berlin an einem Workshop teilgenommen, um sich mit dem Bieter- und Auswahlverfahren des US-Flugzeugbauers vertraut zu machen. Es hat sich gelohnt für das mittelständische Familienunternehmen mit seinen 350 Mitarbeitern.
Boeing-Deutschland-Chef Michael Haidinger sagte, dass unter den deutschen Zulieferern von Boeing eine Reihe von Unternehmen mit einer ähnlichen Diversität seien. Das ist laut Haidinger ein Vorteil: „Wenn ein Unternehmen das Wissen hat, soll es das doch ruhig auf andere Branchen übertragen. Und wenn ein Unternehmen in mehreren Branchen unterwegs ist, ist es auch weniger konjunkturanfällig.“ Wenn es also in einer Branche mal nicht so laufe, könne das durch andere Branchen ausgeglichen werden. Das komme Boeing wiederum gelegen, da der Flugzeugbauer ja an einer langfristigen Zusammenarbeit mit seinen Zulieferern interessiert sei.
Für Jonuscheit ist das auch ein wichtiges Anliegen, wenn es um die Mitarbeiter geht: „Viele von ihnen können in allen Bereichen arbeiten, in denen wir tätig sind.“ In den Produktionshallen fällt auf, dass unter den Beschäftigten eine ganze Reihe Frauen arbeiten. Schon im Bereich der Ausbildung versucht das Unternehmen, junge Frauen zu fördern und beim Start im Betrieb behilflich zu sein.
Aljo hat auch immer wieder mit einzelnen Projektaufträgen zu tun. „Da kommt dann jemand zu uns und sagt, was er sich vorstellt. Im besten Falle hat er vielleicht eine grobe Zeichnung dabei“, erklärt Jonuscheit. „Und wir machen uns dann Gedanken, wie man das umsetzen kann.“ Bis zum fertigen Teil können durchaus mal zwei bis drei Jahre vergehen. Für Boeing wird es aber vielleicht im kommenden Jahr schon etwas mit Hightech aus Berne in der Wesermarsch.
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