
Digitale Geschäftsmodelle (Suchmaschinen, Internet-Werbung, Vermittlungsplattformen) haben eine enorme Bedeutung für moderne Ökonomien. Amazon, Google und Co. bedienen erfolgreich weltweit Kundenwünsche und verzeichnen hohe Umsätze und Gewinne. Gleichzeitig leisten EU-Staaten Vorleistungen für unternehmerische Tätigkeiten von Digitalunternehmen. Herrschende Auffassung ist, dass alle Unternehmen unabhängig vom Geschäftsmodell zur Finanzierung der Staatsleistungen beitragen.
Nach jahrzehntelanger internationaler Übereinkunft dürfen heute Staaten die Gewinne von Unternehmen dann besteuern, wenn diese eine Betriebstätte als physische Präsenz auf ihrem Gebiet haben. Bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle ohne physische Präsenz in der EU treten somit faktisch Probleme auf.
Die EU-Kommission schlägt daher vor, dass in Zukunft auch eine nicht-physische Präsenz (“Digitale Betriebsstätte“) Anknüpfungspunkt der Besteuerung in EU-Staaten sein kann, um so moderne Formen der Wertschöpfung zu erfassen. Der Nutzer als Datenlieferant wird zum Teil der digitalen Betriebsstätte. Kurzfristig sollen EU-Staaten eine Übergangssteuer als Ertragsteuer mit einem EU-weit einheitlichen Steuersatz von drei Prozent auf bestimmte Umsätze aus digitalen Geschäften erheben.
Die kurzfristige Lösung dürfte an der fehlenden Kompetenz der EU nach Art. 113 AEUV scheitern, da Ertragsteuern ausschließlich Gegenstand der nationalen Steuerpolitik sind. Beim Vorschlag zur langfristigen Lösung sind mögliche Konsequenzen aufgrund internationaler Reaktionen bisher noch nicht ausreichend gewürdigt worden. Würden etwa europäische Exportautos in Zukunft aufgrund ihrer Funktion als „Kundendatensammelgeräte“ ebenfalls digitale Betriebsstätten? Womöglich in den USA oder China? Auch hier könnten Besteuerungsrechte ins Land der Endverbraucher verlagert werden. Eine andere offene Frage ist, ob der Nutzer tatsächlich Teil der Wertschöpfung sein kann, wenn Daten, eventuell freiwillig, nur zur Verfügung gestellt werden.
Die Diskussion in der EU um eine faire und gerechte Besteuerung von Digitalunternehmen ist richtig und absolut notwendig. Zwingend ist aber auch eine konkrete Folgenabschätzung der jetzigen Vorschläge. Benötigt wird eine systematische konsensuale Weiterentwicklung internationaler Besteuerungsprinzipien, um die internationale Unternehmensbesteuerung vor dem Hintergrund der Digitalisierung ins 21. Jahrhundert zu überführen.
Unser Gastautor André Heinemann ist Professor am Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen, zuständig für Regionalentwicklung und Finanzpolitik. Der 47-Jährige ist Mitglied der Bremer Grünen.
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