
Das Schiff ist lang, 400 Meter, es ist breit, 59 Meter. Und sehr hoch ist es auch, das wird oft unterschlagen. Vom Kiel bis zur letzten Containerreihe sind es 75, vielleicht auch 80 Meter, so genau weiß Eurogate das nicht. Die Maße eines Rekordhalters. Am Sonntag ist die „OOCL Hong Kong“ in Wilhelmshaven eingelaufen. Der Frachter hat Platz für bis zu 21 400 Stahlkisten und ist damit das größte Containerschiff der Welt. Dass es im Jade-Weser-Port festmacht, hat für den Hafen große Symbolkraft. Es geht aufwärts, heißt das. Fünf Jahre nach Inbetriebnahme steigt langsam aber stetig der Umschlag.
Als der kapitale Kahn am Horizont erscheint, bei Wangerooge abgebogen und mit Kurs auf den Jadebusen, ist er ein Schiff, ja, und Container sind auch drauf, die Dimension des Frachters erschließt sich aus dieser Entfernung aber noch nicht. Am Ufer stehen Hunderte von Schaulustigen, viele mit Fernglas. So holen sie sich das Ereignis näher heran, auf das in Wilhelmshaven einen Tag länger als angekündigt gewartet werden musste. Die „OOCL Hong Kong“ kommt aus Danzig, davor war sie in Rotterdam und hatte dort schon Verspätung.
Jetzt ist sie aber endlich da. Zwei Schlepper haben das Schiff an die Leine genommen und bugsieren es vorsichtig zur Pier. Eines dieser kleinen Kraftpakete, die Bugsier 5, kommt aus Hamburg. So ist das an diesem wichtigen Tag für den Jade-Weser-Port: Hamburg hilft, Konkurrenz hin oder her. Der Schlepper zieht und hält, bis die ersten Leinen geworfen werden. Geschafft. Nicht ganz allerdings, denn als die Festmacher meinen, ihren Job getan zu haben, ruft jemand vom Schiff herunter. Kauderwelsch, schlecht zu verstehen, aber gut genug, um zu begreifen, dass der Mann, den man in der winzigen Luke sehen kann, nicht zufrieden ist. Er ruft und gestikuliert, bis ein weiterer Poller mit Seil belegt ist, das den Frachter festhält. Sicher ist sicher.
Weiter geht‘s nach Felixstowe
Bei ruhigem Wasser ist das Anlegemanöver sonst aber ein Klacks. Die Arbeiter des Hafenbetreibers Eurogate warten bereits, um mit dem Beladen zu beginnen. Wesentlich ist es Export, der über die Pier geht. Fünf Containerbrücken, die dafür heruntergelassen werden. Bis zum Mittag des kommenden Tages wird der Job erledigt sein. Dann läuft das Schiff nach Felixstowe in England aus, um von dort den langen Schlag nach Asien zu unternehmen. Es ist die Jungfernfahrt. Am 18. Mai wurde der Frachter an OOCL übergeben.
Die Orient Overseas Container Line mit Hauptsitz in Hongkong gehört zu einer Allianz von insgesamt vier Reedereien. Mit dabei sind außerdem CMA CGM, Cosco und Evergreen. Im April dieses Jahres hat die Ocean Alliance, wie sie sich nennt, Wilhelmshaven in ihren Liniendienst aufgenommen. Ein Meilenstein für den Hafen. Die Ankunft des größten Containerschiffes der Welt betont das nur noch mal. Bisher waren es im Wesentlichen Maersk und MSC, die Ladung zum Jade-Weser-Port brachten oder welche abholten. Sie bilden den Reedereiverbund 2M.
Wer am Sonntag aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus kommt, ist Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). Er stammt aus Wilhelmshaven, schon deshalb, es ist seine Heimat, die jetzt mehr und mehr auf die Landkarte der Containerschifffahrt rückt. „Die Liniendienste bringen Kontinuität, wenn wir das ins kommende Jahr übersetzen, wird es noch einmal deutlich mehr Umschlag geben“, sagt Lies im Gespräch mit dem WESER-KURIER. Im vergangenen Jahr waren es im Jade-Weser-Port 482 000 Standardcontainer (TEU). Ausgelegt ist der Hafen auf 2,7 Millionen TEU. „Sobald wir die Grenze von einer Million TEU erreicht haben, werden wir konkret den Ausbau des Hafens planen“, kündigt der Minister an. Übereilt findet er das nicht. „So etwas hat einen Vorlauf von zehn Jahren, wir wollen gerüstet sein.“
Überholter Konkurrenzgedanken
Niedersachsen hat den Hafen zusammen mit Bremen gebaut. Hamburg hätten sie auch gerne dabei gehabt, die Elbstädter wollten sich aber auf ihren eigenen Hafen konzentrieren. „Hamburg ist weiterhin jederzeit willkommen“, sagt Lies. Mit den Standorten Wilhelmshaven, Bremerhaven und Hamburg könne man partnerschaftlich ein Angebot machen, das den Westhäfen Antwerpen und Rotterdam stärker Paroli böte. „Ich denke zum Beispiel an einen Datenverbund, an eine digitale Plattform.“ Den Konkurrenzgedanken zwischen den deutschen Häfen betrachtet der Minister als überholt. „Wir ergänzen uns. Wilhelmshaven hat das tiefe Wasser, Hamburg die Wirtschaftsstruktur im und am Hafen.“
Als die „OOCL Hong Kong“ Kurs auf den Jade-Weser-Port nimmt, hat sie einen Tiefgang von etwas mehr als 13 Metern. Nach Hamburg und Bremerhaven käme der Frachter damit nur bei Hochwasser. In Wilhelmshaven hätte das Schiff selbst bei voller Beladung und einem Tiefgang von 16 Metern immer noch genug Platz unterm Kiel – so viel, dass dort auch der nächste Rekordhalter, den es sicher bald geben wird, bequem Halt machen kann.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.