
Carlos Tavares kam am Donnerstag aus Paris nach Rüsselsheim, um vor allem eins zu tun: zu appellieren. Mehrfach betonte der Chef der neuen Opel-Mutter PSA, dass die Situation beim hessischen Autobauer dramatisch sei und dass sie sich mit jedem Tag verschärfe. „Ich sage das freundlich und verantwortungsvoll“, beteuerte der Manager. „Und ich vertraue auf das Verantwortungsbewusstsein.“
Tavares und der neue Opel-Chef Michael Lohscheller haben 100 Tage nach der Übernahme des Autobauers durch die Franzosen, die bislang Autos der Marken Peugeot, Citroen und DS gebaut haben, den sogenannten Zukunftsplan für die beiden neuen Marken Opel und Vauxhall vorgestellt. Es ist ein Eckpunkte-Programm bis zum Jahr 2025, mit einer Zwischenstation 2020. Was sich die Manager da vorgenommen haben, ist äußerst ehrgeizig. Als wichtigste Prämisse formulierte Lohscheller: „Wir wollen unsere Ziele erreichen, ohne in Europa Werke zu schließen und ohne betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen.“
Autoexperte rechnet vor: Bis zu 6000 Stellen müssen wegfallen
Dass die Belegschaft kleiner werden wird, ist auch Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug klar: „Wir werden sicher nicht alle frei werdenden Arbeitsplätze 1:1 ersetzen.“ Die Produktivität von Opel und der britischen Schwester Vauxhall müsse steigen. Konkrete Zahlen über einen Arbeitsplatzabbau wollte am Donnerstag niemand nennen. Jobgarantien für die Beschäftigten in Deutschland bestehen bis Ende 2018. Doch es werde schon jetzt, so Lohscheller, über Kurzarbeit, Altersteilzeit und „innovative Arbeitszeitmodelle“ diskutiert. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hat hochgerechnet, dass „langfristig bis zu 6000 Stellen“ gestrichen werden müssen, um die Vorgaben von Tavares zu erfüllen. Das Unternehmen hat insgesamt rund 37.000 Beschäftigte, davon arbeiten mehr als 19.000 in Deutschland.
Der Portugiese Tavares schilderte ausführlich, wie er PSA in gut fünf Jahren vom Pleitekandidaten zum profitablen Konzern umbaute. Das soll die Blaupause der Radikalkur für Opel sein. Tavares präsentierte die Kennziffern des Niederganges von Opel: Zwischen 1999 und 2016 schrumpfte der Marktanteil in Europa von 9,22 auf 5,72 Prozent, 19 Milliarden Dollar Verlust liefen auf. Die EU-Abgasvorgaben kann Opel nicht erreichen, wenn alles so weitergeht – heftige Strafen drohen. 95 Gramm Kohlendioxid darf die Neuwagenflotte ab 2020 noch in die Luft blasen. Derzeit sind es 130 Gramm.
Opel: Seit mehr als 15 Jahren keine schwarzen Zahlen
Nun will der neue Eigner die Opel-Modelle so schnell wie möglich auf die PSA-Plattformen umstellen. In nicht einmal drei Jahren sollen die Neuwagen mit Peugeot-Citroen-Technik fahren. Dafür muss in den Fabriken in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern die Fertigung komplett umgekrempelt werden. Anspruchsvoll ist auch die Ansage von Lohscheller, bis 2020 „vier elektrifizierte Baureihen“ auf den Markt zu bringen. Der nächste Corsa werde auch als reinrassiges Elektroauto angeboten.
Doch er muss in den nächsten zwei Jahren auch dafür sorgen, dass Opel wieder Gewinne macht. 2020 soll die Rendite wieder bei zwei Prozent liegen – Opel hat seit mehr als anderthalb Jahrzehnten keine schwarzen Zahlen mehr geschrieben. Die neue französisch-deutsche Zusammenarbeit soll die Kosten um mehr als eine Milliarde drücken. Fast ein Drittel soll allein aus dem Einkauf kommen, indem Peugeot, Citroen, Opel und Vauxhall die gleichen Motoren, Getriebe und Fahrwerke verbauen.
Auch die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollen um ein Viertel gedrückt werden. Die Details sind noch unklar. Aber wenn Opel Technik und Komponenten von PSA übernimmt, müssen diese nicht mehr von Opel entwickelt werden. Gleichwohl beteuerte der Opel-Chef, dass im Rüsselsheimer Entwicklungszentrum mit rund 7700 Beschäftigten die neuen Opel-Modelle „basierend auf Technologien der Groupe PSA“ entwickelt werden. Da wird es vor allem um die äußere Hülle gehen. Das soll dann ähnlich wie bei Volkswagen funktionieren, wo etwa die Skodas auf Basis der entsprechenden VW-Modelle entstehen.
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