Der Mieterverein Bremen sieht in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) eine Stärkung der Position von Mietern. Derzeit stünden die Interessen des Vermieters im Vordergrund, kritisiert dessen Geschäftsführerin Kornelia Ahlring die bisherige Rechtsauslegung. Ihr Kollege Reinold von Thadden, Leiter der Rechtsabteilung des Deutschen Mieterbunds (DMB) Niedersachsen-Bremen in Hannover, begrüßt das Ansinnen ebenfalls. Der BGH habe nun erneut deutlich gemacht, dass Mieter und Vermieter sich auf Augenhöhe begegneten.
Der BGH entschied am Mittwoch in Karlsruhe über eine strengere Prüfung von Eigenbedarfskündigungen. Gerichte müssen demnach genau untersuchen, ob ein Härtefall vorliegt. Wenn der Mieter eine Verschlechterung seiner Gesundheit mit einem ärztlichen Attest geltend machen will, muss zudem ein Gutachten eingeholt werden. Zugleich hob der BGH Urteile auf, in denen aus Sicht der Richter von der Vorinstanz nicht genügend geprüft wurde.
Jurist fordert klarere Kriterien
Der Jurist von Thadden fordert zusätzlich klarere Kriterien: Derzeit fielen Urteile zu Eigenbedarfskündigungen sehr unterschiedlich aus und gingen oft in die nächste Instanz. Der Gesetzgeber müsse darüber nachdenken, ob die allgemeinen Formulierungen ausreichend seien. „Da muss was passieren. Das wird der Situation in den Großstädten nicht mehr gerecht.“ Immer öfter griffen Eigentümer wegen des angespannten Wohnungsmarkts auf ihre Immobilie zu. Das Phänomen sei vor allem seit dem vergangenen Jahr zu beobachten. Der Jurist befürchtet, dass sich die Lage verschärfen wird. Die Mieter müssten ihre Wohnungen und vielleicht sogar die Stadt oder Stadtteile verlassen, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten könnten. „Da findet eine gewaltige Verschiebung statt.“
Zwei Urteile aufgehoben
Ingmar Vergau, Geschäftsführer des Bremer Landesverbands von Haus & Grund, sieht die bestehende Rechtslage dagegen als „fair“ für beide Seiten an. Die Richter müssten im Streitfall nur die Interessen von Vermieter und Mieter tatsächlich gegeneinander abwägen. „Das hat schon das Bundesverfassungsgericht vor einigen Jahren klargestellt und ist mit den heutigen Zurückverweisungen des Bundesgerichtshofes bestätigt worden.“ Einseitige Verallgemeinerungen zugunsten einer Seite verböten sich.

Ingmar Vergau ist Jurist, Betriebswirt und seit 2016 Geschäftsführer von Haus & Grund Bremen.
Am Mittwoch hob der BGH gleich zwei Urteile auf: In einem Fall sollte eine 80-Jährige nach 45 Jahren aus ihrer Wohnung in Berlin ausziehen, weil eine junge Familie sie für sich gekauft hatte. Das Berliner Landgericht entschied zugunsten der an Demenz erkrankten Frau, der Familienvater war nun aber mit seiner Revision vor dem BGH erfolgreich. Im zweiten Fall entschieden die Richter dagegen für die Mieter einer Doppelhaushälfte. In beiden Fällen gibt es nun neue Verhandlungen, ob Härtefälle vorliegen und die Mieter sich zu Recht wehren.
"Gutachten tragen zur Gerechtigkeit bei"
Der Bremer Rechtsanwalt Uwe Piehl konstatiert ebenfalls, dass derzeit in erster Instanz sehr unterschiedlich entschieden werde. Dass für das Abwägen von Härtefällen ein Gutachten notwendig sei, wenn es um die Gesundheit von Mietern gehe, das sei ein Novum. „Das ist nun den Richtern ins Stammbuch geschrieben.“ In der Praxis verlängerten und verteuerten Gutachten die Prozesse. Piehl ist aber sicher: „Sie tragen zur Einzelfallgerechtigkeit bei.“ Eine sorgfältigere Prüfung erschwere zudem, dass Missbrauch mit dem Eigenbedarf getrieben werde. Der Rechtsanwalt beobachtet, dass es zunehmend Fälle von vorgetäuschter Eigenbedarfskündigung gibt. Der Vermieter versuche auf diesem Weg, einen besseren Verkaufspreis für seine Immobilie zu erzielen.
Eigenbedarf großes Thema
In den Beratungen des Mietervereins ist der Eigenbedarf Kornelia Ahlring zufolge ein großes Thema. Auf dem Wohnungsmarkt in Bremen sei es für Betroffene ein Problem, wieder ein neues Zuhause zu finden: „Wir haben zu wenig bezahlbare Wohnungen. Im Moment ist es sehr schwer.“ Eigenbedarf könne ein Vermieter für sich, seine Familie oder Angehörige des Haushalts geltend machen. Die Juristin plädiert dafür, Einzelfälle genau anzuschauen. Es komme bei der Frage, ob ein Umzug möglich sei, nicht nur darauf an, wie alt ein Mieter sei, sondern in welchem Zustand er sich befinde. Der BGH argumentiert ebenfalls, Alter oder Dauer der Miete gäben nicht pauschal Ausschlag für einen Härtefall, sondern die Folgen eines Umzugs für den Mieter.
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