Zum Verfahren gegen Christian Wulff
In Christian Wulffs Haut möchte man nicht stecken. So oder so nicht. Ob der Prozess in einen Freispruch mündet oder nicht, ob es ein Freispruch erster oder zweiter Klasse sein wird – Christian Wulff ist sein Amt los, seine Frau, seinen guten Leumund – und seine Vergangenheit. Wulffs Leben wird fortan in erster Linie auf die vergangenen drei Jahre reduziert. Auf den rasanten Aufstieg und vor allem auf den noch rasanteren Fall. Ob er ein guter Ministerpräsident in Niedersachsen war, ein guter CDU-Fraktionschef in Hannover, ein guter Ratsherr in Osnabrück – alles weggewischt. Wulffs Biografie passt nunmehr auf eine Seite. Und die Nation bewegt die Frage, ob der Mann eine neue Brille, eine neue Freundin und an Gewicht verloren hat.
Nun ist wohl unumstritten, dass Wulff selber ausreichend zu dieser Situation beigetragen hat. Und es liegt vermutlich in der Natur des Menschen, dass man die, die schnell hoch steigen, auch gerne tief fallen sieht. Zumal sich der Steuerzahler sicher sein kann, dass der ehemalige Bundespräsident ein gutes Auskommen hat, ein ungemein gutes. Und doch möchte man nicht an Wulffs Stelle die Abwägung getroffen haben: Stelle ich mich einem Prozess, oder kaufe ich mich gewissermaßen frei, zeige mich einsichtig und komme eventuell mit einem sogenannten Deal und einer Geldbuße davon?
Selbstverständlich will jemand mit Wulffs jüngster Vergangenheit hoch erhobenen Hauptes den Gerichtssaal verlassen können. Doch da können seine Anwälte noch so zuversichtlich sein: Gerichtsverfahren folgen keinem Algorithmus, der Ermessensspielraum ist erfahrungsgemäß groß, und die Staatsanwaltschaft hat auch handfeste Interessen – bei einem solchen Prozess, der von Medienrummel sondergleichen begleitet wird, will sie zum Schluss nicht doof da stehen und sich schlimmstenfalls den Vorwurf gefallen lassen müssen, politisch beeinflusst worden zu sein.
Wulff ist aber nicht nur ein juristisches Risiko eingegangen. Sondern er kehrt auch ins Rampenlicht zurück, und alles geht wieder von vorne los. Jede Aussage, jedes Zucken um die Mundwinkel, jeder Blick werden beobachtet, notiert, seziert und interpretiert werden. War er gut beraten war, sich dem auszusetzen? Sicher, es geht um die Ehre. Doch um seine Ehre hätte sich Wulff auch schon vor zwei Jahren sorgen können, als er sich offenbar etwas zu sorglos etwas zu viel um den Bart gehen ließ. silke.hellwig@weser-kurier.de