Am Tag nach der Landtagswahl in Niedersachsen haben SPD und Grüne eine rasche Einigung auf ein Regierungsbündnis in Aussicht gestellt. Beide Parteien hätten ungemein viele Schnittmengen und Gemeinsamkeiten auch aus ihrer Regierungszeit von 2013 bis 2017. Das sagte der niedersächsische SPD-Vize Olaf Lies am Montag in Hannover. Am Sonntag hatten die Wählerinnen und Wähler die Partei von Ministerpräsident Stephan Weil mit 33,4 Prozent der Stimmen erneut zur stärksten Partei gemacht. Als Termin für die konstituierende Sitzung des neuen Landtags wird der 8. November genannt.
Die bislang mitregierende CDU erlitt mit 28,1 Prozent eine Niederlage, ihr Spitzenkandidat und Landesvorsitzender Bernd Althusmann erklärte seinen Rücktritt. Der Vorstand der Landespartei wollte nachmittags die Findung eines neuen Vorsitzenden einleiten. Die Grünen (14,5 Prozent) und die AfD (10,9 Prozent) legten kräftig zu. Die FDP scheiterte mit 4,7 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde.
Zur Lage der Landesparteien am Tag nach der Wahl:
SPD:
Ministerpräsident Weil stellte noch in der Wahlnacht schnelle Gespräche mit seinem Wunschpartner, den Grünen, in Aussicht. Der 63-Jährige strebt als Regierungschef im zweitgrößten Flächenland seine dritte Amtszeit an. Sein Parteivize Lies sah sehr gute Chancen für die angestrebte rot-grüne Regierung. „Ich bin überzeugt, dass das gelingt“, sagte er. Angesichts der Energiekrise und der Sorgen der Menschen wäre es aus seiner Sicht gut, wenn die neue Koalition bereits vor der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags unter Dach und Fach sei.
Ein vorrangiges Ziel sei, das von Weil in Aussicht gestellte niedersächsische Rettungspaket für Firmen und Haushalte schnell auf den Weg zu bringen. Zur eigenen Rolle in der künftigen Regierung hielt sich Lies, zuletzt Umwelt- und Energieminister, bedeckt. Der Posten des Wirtschaftsministers, den er früher hatte, habe ihm aber mehr zugesagt, betonte er. Wie viele Ministerposten bei einer solchen Koalition die SPD und die Grünen erhalten sollen, sagte Lies nicht.
Grüne:
Die Grünen gingen selbstbewusst in die Koalitionsverhandlungen, sagte deren Landesvorsitzender Hans-Joachim Janßen. „Wir werden Anspruch auf drei bis vier Ministerien erheben können.“ Auch der Zuschnitt der Ministerien werde dabei eine Rolle spielen.
Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg sagte, die neue Regierung solle Niedersachsen und die niedersächsische Wirtschaft klimaneutral aufstellen. Auch soziale Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit seien Schwerpunkte. „Ich denke, am strittigsten wird der Bereich Mobilitätswende sein. Da haben wir mit der SPD eine Partei, die doch noch sehr aufs Auto schaut, und wir wollen eher in Richtung Mobilitätswende gehen, also mehr Bahn und Bus, mehr Radverkehr“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
CDU:
Bei den Christdemokraten zeichnete sich eine erste Personalentscheidung am Morgen nach der Wahl ab: Niedersachsens CDU-Generalsekretär Sebastian Lechner (41) kündigte am Montag seine Kandidatur für den Fraktionsvorsitz an. Sein Ziel sei es, eine „konstruktive, klare, aber auch in vielen Themen vielleicht auch ein Stückchen andere Oppositionsarbeit“ zu machen, sagte er. Eine „Blockade-Opposition“ werde die CDU nicht sein.
Mit Blick auf den Rückzug Althusmanns vom CDU-Landesvorsitz sagte Lechner, es gehe darum, die Nachfolge „in den nächsten Wochen so zu beraten, dass wir uns breit getragen aufstellen“.
Althusmann (55) hatte zweimal erfolglos versucht, Weil als Ministerpräsident zu beerben. „Wir müssen klären, warum es der CDU nicht ausreichend gelingt, mit ihren eigenen Themen durchzudringen“, sagte er am Montag der dpa. „Dabei werden wir nicht nur auf diese Wahl schauen, sondern auch auf die Bundestagswahl 2021 und die vergangenen 16 Jahre.“ Solange hatte die frühere Kanzlerin Angela Merkel (CDU) regiert.
Einen designierten Nachfolger für sich sah Althusmann nicht. „Es ist normal, dass schnell darüber gesprochen wird, wer es machen soll. So ganz eindeutig drängt sich aber noch keine Lösung auf“, sagte er. Auch jemand Jüngeres oder eine Frau könnten ihm nachfolgen. „Beides ist möglich.“
FDP:
FDP-Landeschef Stefan Birkner werde trotz des Ausscheidens der Partei aus dem Landtag zunächst im Amt bleiben, kündigte Generalsekretär Konstantin Kuhle in Hannover an. Personelle Fragen sollten bei der Sitzung des Landeshauptausschusses in vier Wochen und auf dem Landesparteitag im März geklärt werden. Birkner selbst sagte in Berlin, nach fast 20 Jahren im Landtag richte sich die Partei jetzt auf außerparlamentarische Arbeit ein. „Das ist alles andere als erfreulich.“ Der FDP-Landesvorstand soll am Montagnachmittag beraten.
Kuhle appellierte an die Liberalen im Bund, nach der Wahlschlappe den Frieden in der Ampel-Koalition nicht zu gefährden. Nun eine Krise in Berlin zu provozieren, wäre das, was die Rechtsextremen sich wünschten und Kremlchef Wladimir Putins Ziel von Chaos in den Demokratien entspreche, sagte er. Das Regierungshandwerk in der Berliner Ampel müsse besser werden, die FDP müsse aber in der Koalition verbleiben. Kuhle ist auch Vize-Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion.
AfD:
Die erstarkte AfD setzt auf eine konstruktive Oppositionsarbeit im Landtag. „Wir werden immer die Themen aufgreifen, die den Bürgern unter den Nägeln brennen“, sagte AfD-Wahlkampfmanager Jens Brockmann. „Wir werden konstruktiv unseren Beitrag leisten.“ Dazu gehöre auch, Vorschläge anderer Parteien zu unterstützen, wenn die AfD deren Inhalt befürworte. Wichtig seien der Partei die Versorgungssicherheit der Bevölkerung in der Energiekrise und die innere Sicherheit, etwa mit der Präsenz der Polizei im ländlichen Raum.
Angesichts des guten Abschneidens bei der Wahl werde voraussichtlich AfD-Spitzenkandidat Stefan Marzischewski-Drewes den Fraktionsvorsitz übernehmen, sagte Brockmann. Die konstituierende Sitzung der Fraktion sei am Dienstag geplant. „Natürlich wird diese Fraktion die nächsten fünf Jahre durchhalten.“ Die vorherige AfD-Fraktion war mitten in der laufenden Regierungsperiode nach internen Streitigkeiten zerbrochen.