
Mariniert und dann als Steak gebraten gilt Grindwal in den meisten Familien der Färöer-Inseln als Delikatesse. Dazu reicht man kleine Inselkartoffeln und Senf oder helle Bratensoße sowie einen schweren Rotwein. Das Walfleisch lässt sich in der kühlen Seeluft gut trocknen oder einsalzen und halb fermentieren. Es hält sich so monatelang und schmeckt wie Rind, nur ein wenig zarter. Auch im Jahr 2015 deckt es neben Lamm, Gans und Papageitaucher ein Drittel des hohen Fleischkonsums auf den Färöer (Schafsinseln) zwischen Grönland, den britischen Shetlands und Norwegen, auf denen nur wenige Gemüse und kein Obst gedeihen.
Im Supermarkt gibt es Wal allerdings nicht zu kaufen. Die 50 000 Insulaner können sich ihren Anteil an Fleisch und Speck nach einem streng tradierten Schema kurz nach der Schlachtung selbst aus den Kadavern herausschneiden. 430 Grindwale haben die Färinger zu diesem Zweck allein in diesem Jahr bei vier Jagden – auf den Inseln spricht man von einem Grindaráp – zusammengetrieben und geschlachtet, bestätigt Páll Holm Johannesen, Pressesprecher der Insel-Regierung. Nach Jagden vor Miðvágur Anfang Juni und Hvannasund Ende Juni seien zuletzt allein am 23. Juli an einem Strand der Insel Vágar und am selben Abend in der Hauptstadt Tórshavn 112 bzw. 142 Grindwale getötet worden.
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Das Treiben ruft seit Jahren Umweltschützer auf den Plan. Ihre Fotos von mit Blut gefärbten Buchten voller Walkadaver gehen um die Welt. In diesem Jahr ist die internationale Organisation Sea Shepherd mit ihrem Schiff „Sam Simon“ vor Ort. Die Regierung der 18 autonomen Inseln unter der dänischen Krone, die nicht der EU angehören, reagiert äußerst nervös auf die starke Präsenz kritischer Beobachter. Allein vier Aktivisten von Sea Shepherd nahm die Insel-Polizei bislang kurzfristig in Gewahrsam, darunter auch den 31 Jahre alten Tom Strerath aus Bremen.
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Die Behörden werfen ihnen vor, eine legale Aktion zur nachhaltigen Nahrungsmittelgewinnung sabotieren zu wollen. Nach färingischem Recht ist das neuerdings illegal. Erst Mitte Mai 2015 hatte das Inselparlament Løgting ein neues Gesetz zur Grindwaljagd erlassen, das sich wie eine Lex Sea Shepherd liest. Der englischen Fassung zufolge muss jeder Unbeteiligte eine Meile Abstand zu einem Grindaráp wahren. Ansonsten drohen Leibesvisitationen, die Konfiszierung von Material und Transportmitteln, ein zwölfstündiger Gewahrsam ohne richterliche Anordnung sowie Geldstrafen und bis zu zwei Jahre Gefängnis. Wie zum Hohn der Umweltschützer wird zudem jeder, ob Einheimischer oder Fremder, bei Androhung von Haftstrafen verpflichtet, eine Sichtung von Walen unverzüglich den Behörden zu melden, damit diese eine Jagd auslösen können. Selbst arglose Touristen könnten so in Bedrängnis geraten. Allerdings drohe ihnen ohne absichtsvolles Verhalten im Regelfall nur eine Geldstrafe, so die Regierung in einer Presseerklärung.
Dabei ist man sich auf den Inseln durchaus bewusst, welches Image mit diesem Vorgehen verbunden ist. Auf der eigens auch ins Deutsche übersetzten Internetseite www.whaling.fo betont die Regierung die tausendjährige Erfahrung und die exakten Fangstatistiken. Die reichen bis ins Jahr 1548 und sollen beweisen, dass die Art nie vom Aussterben bedroht war. Im Schnitt 800 Tiere haben die Insulaner demnach im Durchschnitt jährlich in ihre engen Buchten getrieben und dann mit Speeren und Harpunen getötet, dazu auch einige andere Kleinwale. Das ist heute verboten.
Mit einem Seil, an dem Steine herabhängen, werden die Walschulen in eine von 23 zugelassenen Buchten getrieben und zur Strandung gebracht. Mit einem Haken hält man sie am Blasloch fest. Seit diesem Jahr dürfen sie dann nur noch vom Land aus mit einer speziellen Lanze getötet werden. Ein färingischer Tierarzt hat sie 2011 erfunden. Nur wenn die Prozedur scheitert, kommt ein spezielles Schlachtmesser zum Einsatz. Schlachten darf nach dem Gesetz jeder ab 16 Jahren, der einen zweistündigen Theoriekurs nachweisen kann.
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Wird ein Grindaráp ausgerufen, stellen die meisten Arbeitgeber auf den Inseln ihre Mitarbeiter dafür frei. Möglichst viele Teilnehmer sollen ein möglichst schnelles Töten sämtlicher Tiere sicherstellen. „Die Tötung der einzelnen Wale dauert einige Sekunden, und die gesamte Herde wird normalerweise in weniger als zehn Minuten getötet“, erklärt die Regierung im Internet. Dabei liege der dramatische Anblick in der Natur der Sache. Selbstverständlich flössen dabei große Mengen Blut ins Meer.
Auf den Inseln gibt es Einwände weniger gegen die Jagd selbst als vielmehr gegen den Verzehr von Walfleisch. Da die Grindwale am Ende der marinen Nahrungskette stehen, ist ihr Fleisch nach einer Studie der Universität Odense im Auftrag der Insel-Regierung stark mit Schwermetallen wie Quecksilber oder Kadmium belastet. Die inseleigene Lebensmittel- und Veterinärbehörde rät, Walfleisch höchstens einmal im Monat zu essen sowie auf Leber und Nieren ganz zu verzichten. Sonst steige das Risiko für Parkinson, Krebs und andere Erkrankungen. Frauen, die Kinder bekommen möchten, sowie Schwangere und Stillende sollten kein Walfleisch essen. Diese Empfehlung könnte langfristig die Praxis aus Wikinger-Zeiten beenden. Schließlich gelten die Insulaner als besonders kinderfreundlich. Ihre Geburtenrate von 2,6 Kindern auf 1000 Einwohner ist eine der höchsten weltweit.
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