
Dem aufmerksamen Beobachter der Fußball-EM wird nicht entgangen sein, dass an der Bandenwerbung rund um den Rasen in den Stadien regelmäßig „Socar“ und der Schriftzug „Energy of Azerbaijan“ prangt. Der staatliche aserbeidschanische Erdölkonzern Socar, in der Schweiz durch die Übernahme der Esso-Tankstellen bekannt, ist offizieller Sponsor der Uefa.
Luxusjachten kostenlos nutzen
Das ölreiche Land zwischen dem Kaspischen Meer und dem Kaukasus hat eine sportliche Großoffensive gestartet: Vor Kurzem fand in der Hauptstadt Baku der erste Formel-1-Grand-Prix statt, bei der nächsten EM 2020 ist Baku einer von 13 Spielorten, an dem drei Vorrunden-Begegnungen und ein Viertelfinale ausgetragen werden. Das Land ist zudem Trikotsponsor von Atlético Madrid und dem französischen Klub RC Lens, der vom aserischen Geschäftsmann Hafiz Mammadov aufgekauft wurde. Vor diesem Hintergrund darf die Bandenwerbung als so etwas wie eine Art Charmeoffensive verstanden werden, die Welt mit dem (Fußball-)Standort Aserbaidschan vertraut zu machen.
Doch hinter der Hochglanzfassade steckt ein korrupter Familienclan, der in die Glitzerwelt des Sportbusiness vordringen will und dabei vor unlauteren Mitteln nicht zurückschreckt. Bei Auftragsvergaben an den Schweizer Logistiker Panalpina flossen zwischen 2002 und 2007 rund 900 000 Dollar Schmiergelder an hohe Socar- und Staatsvertreter. Bei dem staatlichen Energiekonzern verschmelzen die Grenzen zwischen Politik und Wirtschaft. Der amtierende Präsident Aserbeidschans, Ilham Alijev, war früher Vizepräsident von Socar. Die Präsidentenfamilie darf kostenlos die staatseigenen Luxusjachten von Socar nutzen, die Töchter Arzu und Leyla Aliyeva sollen laut Panama Papers eine Offshore-Firma in London besitzen. Korruption und Vetternwirtschaft gehören am Kaspischen Meer zum Alltag. Immer wieder gab es Kritik wegen Menschenrechtsverstößen in der ehemaligen Sowjet-Republik: Regierungskritiker werden verfolgt und inhaftiert, Proteste brutal niedergeschlagen.
Platini eng befreundet mit Aserbaidschan
Die Frage ist, warum die Uefa mit einem solchen Regime kooperiert, wo sich der europäische Fußballverband Werte wie „Respekt“ auf die Fahnen schreibt und von seinen Sponsoren explizit die Einhaltung der UN-Grundsätze in den Bereichen Menschenrechte, Umwelt und Korruption einfordert. Geht Geld vor Respekt? Auf Anfrage teilt die Uefa mit: „Es ist uns wichtig, dass unsere Sponsoren die Werte der Uefa von Fairplay und Respekt teilen. Es liegen uns keine Belege vor, dass irgendeiner unserer Sponsoren dem nicht nachkommt.“
Geopolitische Angelegenheiten will der Verband nicht kommentieren. Nun kann man der Meinung sein, dass Sport und Politik nicht miteinander vermengt und der Sport nicht unnötig politisiert werden dürfe. Doch die Uefa argumentiert politisch. „Die Unterstützung des europäischen Fußballs durch Socar erlaubt uns, Werte wie Respekt und Fairplay zu entwickeln, die über das Spielfeld hinausgehen.“ Bei lukrativen Sponsorendeals – insgesamt erwartet die Uefa bei der EM Werbeinnahmen in Höhe von 450 Millionen Euro – ist es mit den Werten dann nicht mehr so weit her.
Die Kooperation geht zurück auf eine Männerfreundschaft zwischen dem ehemaligen Uefa-Präsidenten Michel Platini und der Führungsriege Aserbaidschans. Platini wurde für seine „Verdienste“ von Präsident Aliyev mit einem Ruhmesorden ausgezeichnet, der höchsten Ehre des Landes – „für seinen Beitrag zur Entwicklung des Fußballs in Aserbaidschan“. Französische Abgeordnete werden nach Aserbaidschan eingeladen, um bei der Rückkehr von einem „modernen Land“ und „demokratischen Fortschritten“ zu fabulieren. Im Gegenzug umschmeicheln hochrangige Uefa-Funktionäre Politiker in Aserbaidschan. „Kaviar-Diplomatie“ nannte das die französische Fernsehsendung „Cash Investigation“.
Es gab schöne Bilder
Die Partnerschaft führt zu Abhängigkeiten. Borussia Dortmund ließ in der letzten Saison im Europapokalspiel gegen den aserbaidschanischen Klub FK Qäbälä seinen armenischen Nationalspieler Mchitarjan nicht auflaufen, weil Aserbaidschan im Clinch mit Armenien um die umkämpfte Region Berg-Karabach liegt. Offensichtlich wollte man der Uefa, die die Euro League austrägt, nicht vor den Kopf stoßen. Das autoritäre Regime in Baku nutzt den Sport geschickt als Vehikel, um sein ramponiertes Image in der Öffentlichkeit aufzupolieren und sich als guter Gastgeber zu inszenieren.
Beim Grand Prix der Formel 1 in Baku performten Stars wie Pharrell Williams und Chris Brown und verliehen dem Event einen Hauch von Glamour. Alijev stand mit seiner ganz in weiß gekleideten Gattin und Formel-1-Boss Ecclestone auf der Rennstrecke. Das gab schöne Bilder. „Sportswashing“, eine Reinwaschung durch Sport, nannte das der aserbaidschanische Journalist und Menschenrechtsaktivist Emin Huseynov in einem Beitrag für den „Guardian“. Während die Gefängnisse voller Dissidenten seien, mache es sich die Herrscherfamilie auf der Zuschauertribüne bequem. Zu dieser Taktik gehört auch die Bandenwerbung bei der EM.
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