
Ich komme aus einem kleinen Dorf. Dort haben wir in der Nachbarschaft alle dasselbe Kinderfahrrad gehabt. Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich das Radfahren damit gelernt habe – mit Stützrädern, wie sich das damals gehörte, und ohne Helm. Ich weiß auch sehr genau, wie ich mein erstes eigenes Fahrrad bekam, das wir uns nicht mehr teilen mussten in der Nachbarschaft: ein silbernes Kinderrennrad mit zehn Gängen. Das war der Wahnsinn. Ich war stolz wie Oskar.
Das aktuelle FahrradDas ist ein Ampler Modell Billberry, ein Hybrid aus normalem Rad und E-Bike. Der Motor ist relativ versteckt, die Akkus befinden sich im Rahmen. Ich kann bei längeren Strecken Unterstützung zuschalten und komme unverschwitzt am Ziel an, was für meinen Job wichtig ist, denn wir besuchen viele Schulen und ich spreche dann oft vor ganzen Kollegien. Deswegen habe ich mir das Ampler gegönnt, das ein Start-up aus Estland hergestellt hat. Es ist ein tolles Rad. Ich mache die Unterstützung oft an, weil es schön ist, immer ein bisschen Rückenwind zu haben.
Die schönste TourIch mag den Bremer Klassiker Dammsiel/Kuhsiel total gerne. Das erste Stück meines Arbeitsweges ist auch sehr schön – zuerst sehr industriell und dann biegt man um eine Ecke und fährt direkt an der Weser lang. Das macht mir bei gutem Wetter morgens viel Spaß. Wenn dann noch die Sonne aufgeht, ist das ein Traum. Als Jugendliche sind wir mal relativ ungeplant ins Sauerland gefahren. Ich komme aus Ostwestfalen. Damals war das für uns eine Wahnsinnstour. Das war die erste große Freiheit.
Das VorgängermodellDas habe ich noch als Zweitrad. Es ist ein ganz altes Rennrad, das ich von meinem Onkel geerbt habe und das nur einen Gang hat. Das ist für mich das pure Radfahren, wenn man sich keine Gedanken ums Schalten machen muss. Außerdem habe ich noch ein altes Kneipenrad. Als damals viele Flüchtlinge nach Bremen kamen, habe ich eins der alten Räder gespendet. Das war ein ganz toller Moment, weil die Flüchtlinge sich sehr darüber gefreut haben.
Der letzte DiebstahlAn den kann ich mich sehr gut erinnern: Ein wunderschönes Rad, das zu mir gepasst hat wie ein Handschuh, geklaut aus dem behördlichen Fahrradkeller. Es war einfach weg. Mattschwarz, ein Sondermodell. Ich habe auch auf eigene Faust gesucht. Die Polizei hat mir aber auch wenig Hoffnung gemacht: Räder aus Bremen gingen nach Hamburg und Räder aus Hamburg nach Bremen. Seitdem gibt es aber im Fahrradkeller Bügel zum Abschließen.
Die am häufigsten gefahrene StreckeDer Weg zu meiner Arbeit von Rablinghausen über den Deich, manchmal mit einem Schlenker entlang der Weser, über die Stephanibrücke in die Innenstadt. Ich fahre immer mit Helm, seit ich auf dem Heimweg nach dem Kino hingefallen bin. Ich habe überlegt: Wenn du hier jetzt abends auf den Kopp fällst, dann finden die dich erst morgen. Das war der Moment, einen Helm zu kaufen. Ich kann mittlerweile gar nicht mehr ohne – Aussehen hin oder her.
Der schlimmste UnfallBisher sind die Unfälle glimpflich ausgegangen. Ich bin im Viertel in die Straßenbahnschiene geraten. Das war meine Bremer Taufe. Und auf dem Marktplatz bin ich morgens, weil ich nicht aufgepasst habe, über den Lenker gegangen. Ich versuche, trotz der Geschwindigkeit höflich zu fahren. Ich habe das Gefühl, dass die Leute immer weniger Rücksicht aufeinander nehmen. Das ärgert mich. Auf dem Rad bringt es total wenig, fünf Meter herauszuholen. Doch alle haben es sehr, sehr eilig und schauen, dass sie zuerst durchkommen.
Hollandradfahrer sind …...supersympathische, entspannte Menschen, die das Fahrradfahren als Fortbewegung genießen. Für mich wäre es nichts, mir ist das zu undynamisch. Meine Frau ist überzeugte Hollandradfahrerin – von daher ist das für mich sehr positiv besetzt.
Ich fahre gern Fahrrad, weil …...es in Bremen die praktischste Fortbewegung ist, weil ich an der frischen Luft bin und mich bewege, weil ich keinen Parkplatz suchen muss oder im Stau stehe, weil ich ungern Straßenbahn fahre. Viele Bremer sagen: Wenn man bei jedem Wetter Fahrrad fährt und Gamaschen hat, ist man richtiger Bremer. Ich habe jetzt tatsächlich, wenn es ganz schlimm regnet, Gamaschen.
Fahrradfahren in Bremen ist …...im Vergleich zu anderen Städten bestimmt sehr komfortabel. In Bielefeld war es teils der helle Wahnsinn. Doch wenn man lange in Bremen fährt, fällt schon auf, dass dafür, dass wir eine Fahrradstadt sind, an vielen Stellen wenig gemacht wird. Ich habe gerade eine Dokumentation gesehen. Darin war gegenübergestellt, was eine Stadt pro Bürger für den Auto- und den Radverkehr ausgibt. Bremen ist als negatives Beispiel angeführt gewesen. Das hat mich total erschüttert! Es gibt so viele Gründe, aufs Rad zu setzen. Doch es passiert wenig, viele Radwege sind zugeparkt. Ich stelle mir vor, mein Rad ein paar Minuten auf die Straße zu stellen. Da gäbe es ein Hallo! Als Vater sehe ich, dass viele Ecken für Kinder gefährlich sind. Bremen ist toll, kann aber eine Menge mehr machen.
Die Fragen stellte Lisa Boekhoff.Oliver Bouwer
ist Medienpädagoge und arbeitet am Landesinstitut für Schule (LIS). Dort ist er zuständig für digitale Medien in Schul- und Unterrichtsentwicklung, macht Aus- und Fortbildungen für Lehrer, klärt über Cybermobbing auf und betreut eine Lernplattform. Im Moment steht aufgrund des Digitalpakts viel Arbeit für Bouwer an. Aufgewachsen ist er in Geseke und hat in Bielefeld studiert. Aus Liebe kam Oliver Bouwer nach Bremen.