
Wenn es ungemütlich wird, wenn Gewitter aufziehen, Stürme toben und Handynetze versagen, schalten die Besucher auf dem Hurricane das Radio an. Sie hören dann Moderatoren zu, die hinter der Bühne auf dem Zeltplatz sitzen, in einem kleinen Container, kaum zehn Quadratmeter groß. Seit 2010 hat das Hurricane eine eigene Radiostation, die während des Wochenendes live sendet. Die meiste Zeit funktioniert Camp FM wie ein gewöhnlicher Sender.
Künstler kommen für Interviews vorbei, es gibt Musikwünsche, am Anreisetag auch Infos zu Staus in der Umgebung. Dazu Grüße und Geschichten der Hörer, die irgendetwas suchen, das sie seit der Nacht nicht wiederfinden. „Es wird hier viel verloren“, sagt Melle Lenz, „die Leute, die Stimme, die Unschuld.“ Lenz, bunt tätowierte Oberarme, dunkle Haare, leitet Camp FM. Sie lehnt über einem Bierzelttisch vor dem Container, neben ihr sitzen drei Kollegen des Senders.
Eine von ihnen sagt: „Wir machen Kamikaze-Radio, die Leute laufen hier als Bär, Delfin und Einhorn durch die Gegend, und so ist auch unser Programm: Wir spielen alles, wirr durcheinander.“ Eine Schnapsidee sei das Projekt trotzdem nicht, sagt Lenz. Wenn das Wetter wieder mal umschlägt und alles absäuft, wird das Radio zur Krisenzentrale und der Sender zum Notfallprogramm. Dann werden in dem kleinen Container Evakuierungen organisiert, Massen beruhigt, Panik verhindert. „Dann haben wir Primetime, und der ganze Zeltplatz hört zu.“
Zuletzt ist das 2016 so gewesen. Damals geht das Festival im Regen unter, 120 Liter pro Quadratmeter. Schon freitags fallen Konzerte aus, am Sonnabend kann kein Auftritt mehr stattfinden, ein Millionenschaden. Während das THW die Wassermassen vom Gelände pumpt, sitzen die Moderatoren in ihrem Container und bitten die Besucher, in ihre Autos zu gehen, wo es am sichersten ist. Sie sagen den Satz so oft an diesem Tag, immer wieder, dass einer der Moderatoren irgendwann zur Ukulele greift und einen Song improvisiert.
Die Besucher hören das im Radio und texten eigene Zeilen über die Zeit im Auto. Am Ende des Tages steht der Song, am nächsten auch das Video, ein Zusammenschnitt aus gefilmten Wasserschlachtschnipseln. Als das Festival vorbei und der Clip online ist, dauert es nur einen Tag, bis fast eine halbe Million Menschen das Video gesehen haben. Inzwischen eröffnen sie das Festival mit dem Song. Damit niemand vergisst, wie wenig selbstverständlich ein Hurricane mit wolkenlosem Himmel und brennender Sonne wie in diesem Jahr ist.