
An manchen Tagen im Jahr von Karin Klement trennen Trauer und Ekstase nur ein paar Stunden. Am Freitag spricht die Pastorin aus Visselhövede auf der Beerdigung eines Mannes, der 45 Jahre alt geworden ist. Danach braucht sie etwas Zeit. Wenn Menschen aus ihrer Gemeinde im hohen Alter sterben, steckt sie das schnell weg. Emotionale Routine, sie macht das seit 26 Jahren.
Bei jungen Menschen ist das anders, danach muss sie erst mal „abschalten, alles ablegen“. Auch weil es am Abend weitergeht, Nachtschicht auf dem Hurricane, von Trauernden zu Feiernden an einem Tag. Klement, graue Haare, den Pony aus dem Gesicht gesteckt, sitzt dann im Zelt des Deutschen Roten Kreuzes, gegenüber vom Haupteingang zum Festivalgelände. Sie wird nicht mehr an den Morgen auf dem Friedhof denken, Klement ist dann ganz bei den Menschen vor ihr.
Sie sind jung, betrunken und haben sehr wahrscheinlich Beziehungsprobleme. Karin Klement, eine von zwölf Seelsorgern auf dem Hurricane, wird zuhören, so wie sie seit neun Jahren allen zuhört, die zu ihr kommen auf dem Festival. Sie wird beruhigen, manchmal reichen schon ein Wasser und ihre sanfte Stimme. Es kommt vor, dass betrunkene Jugendliche vor ihr sitzen, die plötzlich merken: Oh Gott, das ist ja meine Pastorin aus der Gemeinde. Keine Sorge, sagt Klement, bleibt alles geheim.
Anfangs habe sie das Festival anstrengend gefunden, nicht ihre Musik, alles so laut. Inzwischen geht Klement gern aufs Hurricane, nicht wegen der Bands, sondern wegen der Betrunkenen. Das Festival habe ihr Bild von der Jugend verändert, zum Positiven. „Hier sind zwar alle betrunken“, sagt sie, „aber wenigstens kümmern sie sich umeinander.“