Hollen. „Wir nennen uns „Hütte“, weil es bei uns familiär und ein bisschen privat ist, wir setzen auf Geselligkeit und Gemeinsamkeit“, sagt Gudrun Iqbal. Auf 40 000 Quadratmetern ist in Hollen in der Gemeinde Beverstedt, versteckt am Ende einer Sackgasse, im Laufe der Jahre ein kleines Paradies entstanden: Die „Iqbal-Hütte“, auch „Moorperle“ genannt in Anlehnung an die Moorkolonien, die in der Gegend um die Ortschaften Hollen, Heise und Kransmoor zum Ende des 18. Jahrhunderts entstanden waren.
Familie Iqbal ist seit 1977 auf dem Anwesen zu Hause, vorher war hier der heimatliche Bauernhof von Gudrun Iqbals Familie. Der Komplex ist nicht nur Wohnsitz von Gudrun und Ahmad Iqbal, auch das familieneigene Unternehmen Iqbal Systeme GmbH hat hier seinen Sitz. Zahlreiche Räumlichkeiten können für Feiern gemietet werden, ob zehn Personen zum Frühstück oder eine Hochzeitsgesellschaft mit 100 Gästen, ausreichend Platz ist für alle da. Eine Außenküche mit kompletter Ausstattung ergänzt das Angebot. Wellness ist ein großes Thema in der Iqbal-Hütte: Vorhanden sind ein großer Außenpool, ein rund vier Meter tiefer Badesee mit Wasserfall, ein Innenpool sowie ein Whirlpool und eine Sauna.
Golfspieler kommen auf dem rustikalen, inmitten einer Streuobstwiese angelegten 9-Loch-Golfplatz zum sportlichen Einsatz. Und wer Urlaub in der Region machen möchte, kann sich in die Ferienwohnungen des Hauses einmieten. „Ein Unternehmer muss immer etwas unternehmen“, sagt Ahmad Iqbal schmunzelnd und fasst damit zusammen, wie all diese Angebote über die Jahre entstanden sind. Der gebürtige Inder kam im Alter von 16 Jahren nach Deutschland.
„Ich war in den 1960er-Jahren einer der ersten Gastarbeiter aus dem asiatischen Raum“, sagt der 66-Jährige, dessen genauer Geburtstag ein kleines Rätsel ist. „1947 wurde Britisch-Indien unabhängig und die Staaten Indien und Pakistan entstanden. Als Muslime sind meine Eltern damals mit Pferd und Wagen von Indien nach Pakistan geflohen, ich bin auf der zwei Jahre dauernden Flucht geboren und niemand wusste, an welchem Tag. Als vor einigen Jahren mein Elternhaus verkauft wurde, fand mein Bruder Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass ich wohl schon zwei Jahre älter bin als bisher angenommen“, erzählt Ahmad Iqbal.
Nach einem kurzen Aufenthalt in Liverpool als junger Mann in Bremerhaven angekommen, habe er sehr schnell Kontakt gefunden, erzählt er weiter. Mit 18 Jahren lernte er in einer kirchlichen Jugendgruppe seine damals 16-Jährige Frau kennen. Bei der Bremerhavener Seebeck-Werft erlernte Ahmad Iqbal den Beruf des Maschinenschlossers; an der Abendschule in Bremen bildete er sich im Bereich der Elektronik weiter und machte die sogenannten Elektronikpässe. Um sich sein Geld für das Computerstudium zu verdienen, fuhr er als Ingenieurs-Assistent zur See.
Ein Vorbild der Integration
„Ich bin ein Vorbild der Integration, meine Liebe zu Norddeutschland ist gewachsen“, sagt Ahmad Iqbal und bezeichnet sich im positiven Sinne als „Produkt der Deutschen“. Er sei ein Macher-Typ, der immer einen Zehn-Jahres-Plan im Kopf habe, charakterisiert ihn Ehefrau Gudrun. Mit ihr zog er 1969 nach Frankfurt, um dort ein Computertechnik-Studium im Bereich Hard- und Software zu absolvieren. Die boomende Branche entwickelte sich zur Goldgrube. „Ich habe sehr viel Erfolg gehabt“, sagt Ahmad Iqbal, der sich 1982 in Hollen selbstständig machte. Damals habe ein Computer, von dem viele Menschen gar nicht gewusst hätten, was das ist, rund 40 000 DM (rund 20 450 Euro) gekostet.
„Ich war von der ersten Stunde an dabei“, sagt er nicht ohne Stolz. Gearbeitet hat der gebürtige Inder im Bereich der Großrechner für Großkunden wie IBM, seit August dieses Jahres ist er offiziell im Ruhestand und sein Sohn Jamal ist für die Firma zuständig. „Ich bin aber trotzdem immer mal im Betrieb“, gibt der „Un“-Ruheständler zu.
Sohn Jamal, ebenfalls Softwareentwickler, hat sein Büro in Bremerhaven, vor allem aufgrund der schnelleren Datenleitungen. Die Übertragungsgeschwindigkeit sei ein Problem in Hollen, erklären Gudrun und Ahmad Iqbal. „In Indien gibt es im tiefsten Dschungel schnellere Leitungen als hier“, klagt der Firmengründer. Sie seien die ersten gewesen, die DSL beantragt hätten, ergänzt Gudrun Iqbal. Doch man sei zu weit vom Knotenpunkt entfernt und hätte bis heute nicht die schnellste Leitung.
Die „strahlungsarme Zone“ wiederum könne man auch als Vorteil auslegen: „Wir haben saubere Luft und sauberes Wasser, ganz ohne Elektrosmog“, so Gudrun Iqbal. Eine Gegend also, die sich für Wellness anbietet. „Unsere Tochter Rabea ist ayurvedische Ärztin und hat sich in den Niederlanden niedergelassen“, erzählt der zweifache Vater. Vor diesem Hintergrund habe er ein Gesundheitscenter auf seinem Anwesen errichten wollen, doch noch befände sich dieser Antrag im Genehmigungsverfahren. Überhaupt habe man einige behördliche Kämpfe in der Vergangenheit ausfechten müssen, sagt Ahmad Iqbal. Doch die Gemeinde Beverstedt habe sie immer gut unterstützt. „Unser Land ist als Sondergewerbegebiet ausgewiesen“, erzählt er.
Im etwa 31 Grad warmem Wasser des Hallenbades trainiert indes die Wassergymnastik-Gruppe des MTV Bokel. „Wir haben viele Gruppen, die zum Frühstück oder zu Kaffee und Kuchen kommen“, freut sich Gudrun Iqbal über Gäste im Haus. Der Betrieb der Zimmervermietung und der Ferienwohnungen ist vor zehn Jahren dazu gekommen. „Unsere Schulungsräume wurden nicht mehr gebraucht, so haben wir sie, zuerst nur für Monteure, entsprechend eingerichtet“, zeigt Gudrun Iqbal die großzügigen Räumlichkeiten. Knapp 30 Betten stehen zur Verfügung. „Das ist jetzt unser zweites Standbein geworden“, sagt die Hausherrin. Die Gastfreundlichkeit hat hier Tradition: „Meine Mutter, eine gebürtige Hamburgerin, hat früher schon Ferien auf dem Bauernhof angeboten“, weiß Gudrun Iqbal.
Die Unterbringung in der „Iqbal-Hütte“ ist gefragt. „Von März bis Oktober und an Silvester sind wir meistens ausgebucht“, freut sich die Vermieterin, die gemeinsam mit ihrem Ehemann noch viele weitere Pläne hat. Ein Campingplatz soll entstehen, wenn die Pacht für die an den Gebäudekomplex angrenzende Weide ausläuft. Auch ein Hofladen ist im Bau. „Vielleicht wird es auch ein Café“, zeigt Gudrun Iqbal die noch unfertige Baustelle. In der zweiten Jahreshälfte 2017 sollen hier die Arbeiten abgeschlossen sein.
Für muslimische Gruppen wird ein Gebetsraum eingerichtet, ein Brunnen zur Waschung vor dem Gebet ist bereits so gut wie fertig. Und auch in den Wintermonaten ruht die Arbeit in der Iqbal-Hütte nicht. Sind keine Gäste im Hause, gibt es trotz fehlender Wohnbebauung in direkter Nähe Probleme mit der Nachbarschaft: „Wir mussten jetzt – nach fast 30 Jahren friedlichen Nebeneinanderlebens - einen Pfeiler versetzen und eine Pflasterung entfernen, weil die Bauten nach der neuesten Vermessung auf das unbewohnte und bewaldete Nachbargrundstück ragen und der Grundstücksbesitzer nicht mit sich reden lässt“, berichtet Gudrun Iqbal von rechtlichen Auseinandersetzungen in der vermeintlichen Idylle.
Weitere Informationen über die Iqbal-Hütte gibt es unter www.iqbal.ws