Köln. Es war vor etwa sieben Jahren, da saß Isabella Levina Lueen in einem Pub in London, und es lief der Eurovision Song Contest. Der Abend endete äußerst erfreulich. In Oslo holte eine gewisse Lena Meyer-Landrut den Sieg für Deutschland – und Isabella Levina Lueen hatte 50 Euro mehr in der Tasche, weil sie auf ihre Landsfrau gesetzt hatte. Nun kreuzten sich Levinas – so nennen sie alle – und Lenas Lebenswege erneut. Lena Meyer-Landrut saß beim deutschen Vorentscheid in der Jury, und Levina stand dabei als Sängerin auf der Bühne. So wie die bislang letzte deutsche Gewinnerin konnte die 25-Jährige in Köln derart überzeugen, dass sie für Deutschland mit dem Song „Perfect Life“ zum Finale nach Kiew (13. Mai) fahren darf. Ob diese Geschichte ähnlich erfreulich endet wie 2010? Das ist jetzt die Frage.
So richtig fassen kann die 25-Jährige ihr Glück allerdings noch nicht. „Es ist gerade noch ein bisschen Wirrwarr in meinem Kopf“, sagte sie unmittelbar nach ihrem grandiosen Sieg. Die ganz großen Bühnen kennt sie noch nicht. Zwei kleinere Auftritte im Fernsehen, ansonsten viel Musik in Bars, das war es. „Mit so was habe ich wirklich nicht gerechnet“, sagt sie. Wie es zum Beispiel in nächster Zeit mit ihrem Musikmanagement-Studium in London weitergehe, wisse sie noch nicht. Sie habe sich darüber einfach noch keine Gedanken gemacht.
Levina nennt die Musik jedenfalls ihren „Plan A“. Einen anderen hat sie auch nicht. Geboren wurde sie in Bonn, ihr Weg ging aber früh weiter, und immer ging es um Musik: Musikschule in Chemnitz, Gesangsstudium in London, Auftritte in Bars, um etwas Geld zu verdienen. Als Kind sang sie erst im Chor und dann in Kindermusicals. „Ab dem Zeitpunkt war mir auch klar, dass ich wirklich gerne Sängerin und Songschreiberin werden will“, sagt sie. „Ich glaube, wenn ich singe, kann ich mich am besten ausdrücken. Also besser als mit Worten.“ Sie pendelt zwischen Berlin und London, wo sie Musikmanagement studiert.
Beim deutschen ESC-Vorentscheid, den durchschnittlich lediglich 3,14 Millionen Zuschauer im Ersten verfolgten (Vorjahr: gute 4,3 Millionen), gingen in diesem Jahr zwar nominell fünf Nachwuchs- Musiker ins Rennen. Aber sowohl Studio-Publikum als auch Jury mit Lena Meyer-Landrut, Singer-Songwriter Tim Bendzko und Volksmusiker Florian Silbereisen – die nur kommentierende Funktion hatten – legten sich früh auf eine Favoritin fest: Isabella Levina Lueen. Johnny-Cash-Fan Helene Nissen, die mit großer Gitarre auftritt, und Männer-Dutt-Träger Axel Maximilian Feige konnten noch am ehesten mithalten.
Insgesamt wurden per Telefon, SMS und App zusammen knapp 800 000 Stimmen abgegeben, teilte der Norddeutsche Rundfunk (NDR) am Freitag mit. Am stärksten sei die Beteiligung mit gut 278 000 im dritten Wahlgang gewesen, in dem das Publikum darüber befinden musste, welche Interpreten mit welchen Titeln ins Finale einziehen. Im Vorjahr voteten die Zuschauer noch knapp 1,9 Millionen Mal – allerdings war der Ausscheidungs-Modus ein anderer.
Passenderweise heißt der Song, den das Publikum Levina zuteilte, „Perfect Life“. Im Prinzip war das auch die einzige echte Überraschung des Abends, denn gefühlt lag lange „Wildfire“ vorne, der zweite Song, der zur Auswahl stand. Beide stammen aus der Feder erfahrener ausländischer Komponisten. Hinter „Perfect Life“ steckt die Songwriterin Lindy Robbins, die auch schon den Backstreet Boys („Incomplete“) und DJ David Guetta („Dangerous“) zu Hits verhalf.
Um aus fünf Kandidaten und zwei Songs die richtige Kombination zu ermitteln, hatten sich die Produzenten NDR und Raab TV einen etwas komplizierten Abstimmungs-Modus ausdenken müssen. Überhaupt wurde einiger Aufwand betrieben, um eine Schmach wie 2016 und 2015 zu verhindern, als Deutschland beim ESC mit letzten Plätzen scheiterte. Rund 2000 Bewerbungen wurden gesichtet.