Beverstedt. Sie sind farbenfroh, im Stile naiver Malerei gehalten und wirken auf den ersten Blick besonders durch die intensiven Farben sehr fröhlich: Die Bilder, die der Künstler Andy Hertel in der zum Beverstedter Regio-Markt gehörenden kleinen Galerie zeigt, haben jedoch einen ernsten Hintergrund. Sie setzen sich mit der Flüchtlingsbewegung über das Mittelmeer auseinander.
„Galeeria Seebrücke“, ein Wortspiel in Anlehnung an eine Galeere, haben die Verantwortlichen den liebevoll ausgestatteten Raum genannt. Zuletzt wurden hier unter dem Namen „Regio Arabesk“ orientalische Lebensmittel verkauft, ursprünglich in erster Linie mit dem Gedanken, den Geflüchteten in der Gemeinde ein Stück Heimat anbieten zu können und ihnen kurze Wege zu ermöglichen. Doch der Bedarf habe sich geändert und das Geschäft, das aus einer Kooperation zwischen dem Regio-Markt und der Beverstedter Flüchtlingshilfe „Refugium“ entstanden war, sich nicht mehr gelohnt, berichtet Bruni Ritzenhoff, Sprecherin des Regio-Marktes und Vorsitzende des Fördervereins. Nun schmücken zahlreiche Bilder den Raum. Mit dem Bilderverkauf soll die Seenotrettung im zentralen Mittelmeer unterstützt werden. „Beim diesjährigen Evangelischen Kirchentag in Dortmund hat unter anderem Sven Giegold als Sprecher der Europäischen Grünen die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) aufgefordert, sich mit einem eigenen Schiff an der Rettung im Mittelmeer zu beteiligen“, erzählt Bruni Ritzenhoff, die auch den Kontakt zu Maler Andy Hertel hergestellt hat. Bis Weihnachten soll die Solidaritätsausstellung Geld einbringen, das der Aktion „Schickt ein Schiff“ übergeben wird. Die Initiative wird auch von zahlreichen weiteren Gruppen beispielsweise durch Unterschriftensammlungen unterstützt.
„Kirchenschiff“ geschaffen
Für Andy Hertel war das Malen der Bilder ein neuer Abschnitt in seinem Künstlerdasein. „Ich habe seit zehn Jahren nicht mehr gemalt“, verrät der 71-Jährige, der viele Jahre in Worpswede ansässig war. Eine Freundin arbeite vorwiegend mit Flüchtlingsfrauen, die ihrem Fluchttrauma mit dem Malen naiver Bilder begegnen würden. „Eigentlich hätte ich Lust, auch mal wieder zu malen – und dann so naiv“, habe er sich überlegt. Als Symbol der Aktion hat er ein Kirchenschiff im wahrsten Sinne des Wortes geschaffen: Auf einem Schiffsrumpf ist ein Gotteshaus zu erkennen. Entstanden sind die Werke in der Werkstatt von Bruni Ritzenhoff in der Gemeinde Hagen, wie Andy Hertel verrät. „Mit Acrylfarben und viel zu dickem Pinsel – weil es dann nicht zu raffiniert wird“, wie er formuliert. Die „Farbe hin und her zu wischen“ mache ihm viel Spaß. „Besonders wenn man früher so professionell war“, sagt der sympathische Zwei-Meter-Mann mit einem schelmischen Lächeln.
Seine eigene kleine Galerie hat Andy Hertel an seinem Wohnort in der Altmark (Wendland). Sein künstlerischer Weg war abwechslungsreich: Geboren 1947 in Badenweiler als Sohn eines Architekten und Denkmalrestaurators, absolvierte er nach der Mittleren Reife eine Lehre als Bauzeichner, bevor er in Kiel Architektur studierte. Die Hochschule für bildende Künste in Hamburg besuchte er mit dem Schwerpunkt Bildhauerei und gründete gemeinsam mit Kommilitonen die erste Filmklasse. In Hamburg betrieb er zahlreiche Szene-Kneipen und Cafés, bemalte Häuser, reiste unter anderem nach Südfrankreich, Griechenland, Italien, England und Indien, lebte in Israel in einer Künstlerkolonie und ist bis heute Filmemacher. In den 1960er-Jahren war er Mitbegründer der Hamburger Filmemacherei Brüderstraße. In den 1980er-Jahren gründete er das spirituell inspirierte Toulouse-Lautrec-Institut, das heute in Dahrendorf als Institut für Bildsprache und schöpferische Gestaltung geführt wird. Humanitäre Projekte hat Andy Hertel schon immer unterstützt: „Ich bin für mich glücklich, da sind andere auch mal dran“, sagt er und hat vor vielen Jahren bereits durch eine Sammelaktion dafür gesorgt, dass im Norden Indiens für aus Tibet geflüchtete Kinder eine Schule errichtet werden konnte. Mit seinen aktuellen Bildern möchte er die Kirche unterstützen: „Mich interessiert der Dialog der Schutzräume, die wir alle lieben und brauchen“, sagt Andy Hertel und sieht seine symbolhaften Motive angelehnt an die Bogomilen, eine religiöse Gruppe aus dem Mittelalter. Gefallen an den Bildern hat auch Inge Chrobok vom Sandstedter Kirchenvorstand gefunden und ein Bild für die Räumlichkeiten der Sandstedter Gemeinde ausgesucht. Eine persönliche Signatur auf der Rückseite der Bilder, die auf der Vorderseite nicht signiert sind, gibt es dazu. Und auch eine passend bemalte Basttasche für den sicheren Transport.
In der „Galeeria Seebrücke“ wird nicht nur Kunst verkauft: Auch eigens für den RegioMarkt produzierte Spirituosen gibt es zu kaufen. „Kunst und Schnaps“, wie es Bruni Ritzenhoff kurz und knapp auf den Punkt bringt. Der Regio-Markt und damit auch die Galerie haben jeweils am ersten Sonnabend eines Monats von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Der nächste Termin ist der 5. Oktober.
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