Datenkolumne Nachhaltige Digitalisierung

Technischer Fortschritt und Nachhaltigkeit – passt das zusammen? Unsere Experten erklären, welche Bestrebungen es von Konzernen und Verbrauchern gibt.
27.07.2021, 17:31 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von Sven Venzke-Caprarese und Dennis-Kenji Kipker

Wer erinnert sich noch an die 1990er- und frühen 2000er-Jahre zurück, als es um PCs ging? Nicht nur Technikexperten pilgerten seinerzeit in die Elektronikmärkte, um sich mit dem neuesten Equipment an Prozessoren, Grafikkarten, Arbeitsspeicher und Co. einzudecken, sondern für viele Verbraucherinnen und Verbraucher war es gang und gäbe, regelmäßig den eigenen Computer mit neuen Komponenten auf- und nachzurüsten, um beispielsweise genügend Rechenpower für das neueste Computerspiel zu haben. Früher war solch eine individuelle Nachkonfiguration von PCs auch problemlos möglich, da schon ein Standard-Desktopgehäuse und das darin eingebaute Mainboard nicht nur eine Menge freier Schnittstellen hatten, sondern auch Laufwerke und Speicherlesegeräte vielfach nachrüstbar waren.

Was hat sich seither geändert? Computer sind nicht nur immer kleiner geworden, sondern zunehmend auch Designobjekte und Einrichtungsgegenstände. Wo es früher noch darum ging, einen möglichst großen Tower mit vielen Laufwerken zu haben, sollen zeitgemäße PCs leise, schnell, elegant und edel sein – wie aus einem Guss. Dasselbe beim Handy: Früher bestanden die klobigen Geräte zum größten Teil aus einer Plastiktastatur, heutzutage sind sie aus Glas, Aluminium und Edelstahl gefertigt. Eigentlich sollte man deshalb meinen, dass die aktuellen „Kunstwerke“ technischer Innovation besonders langlebig sind. Doch das Gegenteil ist häufig der Fall, denn zahlreiche Hersteller haben ihre Produktpolitik an die gestiegenen Verbrauchererwartungen nach Innovationen angepasst und bringen alle ein bis zwei Jahre Nachfolgemodelle auf den Markt.

Das ist mit Blick auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz aber eine bedenkliche Entwicklung, denn Computer und Smartphones enthalten eine ganze Menge seltener und aufwändig zu gewinnender Rohstoffe wie Gold, Silber, Kupfer, Kobalt, Nickel und Tantal – die eigentlich wiederverwertbar wären. Wie relevant das Thema ist, zeigt eine Studie des Digitalverbands Bitkom, die feststellt, dass zurzeit in deutschen Haushalten mehr als 200 Millionen nicht mehr benutzte Handys vorhanden sind. Gleichzeitig hat eine Umfrage der Bundesstiftung Umwelt ergeben, dass es 87 Prozent der Deutschen für sinnvoll erachten, die Recyclingquote für Smartphones durch ein eigenes Pfandsystem zu steigern.

Doch bis es soweit ist und wir das bundeseinheitliche „Handy-Pfand“ einführen kann sich jede und jeder einzelne jetzt schon fragen, was man selbst tun kann, um mit Elektronikartikeln einen nachhaltigeren und damit natürlich auch kostensparsameren Umgang für das eigene Budget zu pflegen. Um aus dem Konsum- und Wegwerfkreislauf auszubrechen, arbeiten Unternehmen schon jetzt an nachhaltigen Computerprodukten aus der so genannten „Green IT“, die teils schon auf dem Markt verkäuflich sind. Der Laptop-Hersteller Framework beispielsweise entwickelt ein Notebook, in dem die Einzelteile schnell und kostengünstig ausgetauscht und aktualisiert werden können. Sollte so einmal der Bildschirm defekt sein, muss nicht mehr wie bei manch anderem Produkt das gesamte Aluminiumgehäuse gleich mit entsorgt werden. Und ein weiterer Clou: Das Unternehmen bietet auch Desktop-Gehäuse an, in die man seine alten Notebookteile einbauen kann, um sich so nach und nach aus alten, aber funktionsfähigen Teilen einen Zweitrechner aufzubauen, den man zum Beispiel im Homeoffice verwenden kann. Mittelfristig ist gar geplant, einen ganzen Marktplatz mit alten, aber funktionsfähigen, kompatiblen und wiederverwendbaren Computerteilen ins Netz zu stellen. Für das Smartphone-Segment hat der Hersteller Teracube jüngst ein neues nachhaltiges Handy mit Update-Garantie und fairen Reparaturpreisen vorgestellt, das zurzeit aber leider noch nicht auf dem deutschen Markt verfügbar ist.

Doch nicht nur der Umweltschutz wird bei Elektronikartikeln immer wichtiger, sondern auch ihre Herkunft – und dazu gehören die Arbeitsbedingungen, unter denen die Rohstoffe für die Geräte gewonnen und sie hergestellt werden. Was für Lebensmittel und Handelsprodukte viele als Fair Trade kennen, setzt der niederländische Mobilfunk-Hersteller Fairphone bereits seit Jahren in die Praxis um, indem er Umweltschutz und soziale Arbeitsbedingungen als Hauptargument für seine Produkte fördert. In diesem Zusammenhang spielt der Begriff der Lieferkette eine Rolle, um unter anderem sicherzustellen, dass Rohstoffminen nicht von Warlords kontrolliert werden, die mit den Geldern Armeen und Kriege finanzieren. In Deutschland wird die Transparenz von Lieferketten neuerdings in einem eigenen Gesetz geregelt, das den Schutz von Umwelt- und Menschenrechten entlang der globalen Wertschöpfungskette verbessern soll und im vergangenen Monat vom Bundestag beschlossen wurde.

Man sieht also: Mit jedem Handy- und Notebookkauf geht auch ein Stück soziale Verantwortung einher, denn jeder kann seinen Beitrag dazu leisten, als Verbraucher nicht nur bloßer Konsument zu sein. Und wer möchte nicht Geld sparen, dennoch fortschrittliche Technik nutzen und gleichzeitig Umweltschützer sein?

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