Change My Way Wie geht's weiter?

Der Bassumer Verein Change My Way kämpft für Frauen und Mädchen mit Essstörungen. Dieses Jahr ist das Projekt finanziell noch durch eine Spende der Kreissparkasse Syke abgesichert. Aber dann?
07.02.2023, 15:30 Uhr
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Wie geht's weiter?
Von Micha Bustian

Bassum. Die Kassenführerin weiß es genau. Ein Jahresbudget von etwa 6000 Euro benötige der Bassumer Verein Change My Way, "bei großen Projekten sind es auch mal 8000 Euro", sagt Andrea Kanowski. Change My Way beschäftigt sich mit Mädchen und jungen Frauen mit Essstörungen, mit Anorexie und Bulimie, mit Appetitlosigkeit, mit Essanfällen samt anschließendem Erbrechen und mit Magersucht. Wichtige Themen. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts zeigt, dass rund 33,6 Prozent der Mädchen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren Symptome einer Essstörung aufweisen. Bei den Jungen im gleichen Alter sind es etwa zwölf Prozent. Dennoch ist Change My Way auf ehrenamtliche Arbeit und auf Spenden angewiesen. Ein Teil der Finanzierung läuft nun aus.

15.000 Euro hat die Kreissparkasse Syke (KSK) im Jahre 2020 in den Verein investiert. 5000 Euro davon sind noch übrig, das Jahr 2023 ist finanziell also gesichert. Doch dann? Dann sind die schönen Zeiten der Planungssicherheit vorbei, dann geht das Klinkenputzen für den Vorsitzenden Holger Theek und seine Mitstreiter wieder los. Dennis Landt von der KSK schließt weitere Förderungen nicht aus, dies gelte aber nur für festgelegte Projekte. Und er sagt: "Ich kann nur aufrufen, diesen Verein zu unterstützen."

Nun, was tut Change My Way eigentlich? Kurz gesagt: Er kümmert sich um Mädchen und junge Frauen mit Essstörungen. Dieses Problem sei 2006 in Bassum aufgeploppt, erinnert sich Holger Theek. Er gründete die Gruppe Change My Way, vier Jahre später wurde daraus ein eingetragener Verein. Der finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden.

Die Einnahmen werden eingesetzt für die Arbeit mit den Mädchen und Frauen. Zwei Fachkräfte treffen einmal pro Woche auf acht von diesem Krankheitsbild Betroffene. Es gibt Einzelgespräche über die individuellen Situationen, um herauszufinden, wo Hilfestellungen nötig sind. Dies sei keine Therapiegruppe, betont Theek. Seine Truppe und er vermitteln auch Krankenhausaufenthalte, nehmen die Angst vor dem Gang in die Klinik und helfen den Mädchen zurück in die Schule.

Den zweiten Batzen Geld verschlingt die Öffentlichkeitsarbeit. Die findet vornehmlich an Schulen statt, "um das Tabu von dieser Krankheit zu nehmen". Theaterstücke werden aufgeführt, Lesungen veranstaltet, Informationsvormittage organisiert. Darüber hinaus hat Change My Way einen Dokumentarfilm erstellt und Ausstellungen an die Schulen im Landkreis Diepholz gebracht. Zudem müsse Geld für Supervisionen bereitgestellt werden. Essstörungen würden immerhin "ein paar Hundert Mädchen im Landkreis" betreffen.

Gerade wieder angeschoben wird eine Elterngruppe. "Die hat lange gut funktioniert", findet Holger Theek. Aber: "Die Leiter machen nicht weiter." Jetzt wird dieses Angebot in Kooperation mit der Interessengemeinschaft gesundes Leben (Igel) in Barnstorf wieder erweckt. "Eine Essstörung läuft oft ein Jahr, bis die Eltern sie bemerken", weiß Arzt Theek. "Dann werden sie oft panisch und ängstlich. Da herrscht viel Unsicherheit." Es gibt viel zu tun.

Die Kundschaft kommt teils von weit her, weil es Gruppen wie Change My Way – wenn überhaupt – oftmals nur in großen Städten gibt. Die Klientel des Bassumer Vereins reist teilweise aus Varel an der Nordsee an. Dazu kommt, dass die Betroffenen immer jünger werden. "Aber zu Zehn- bis Zwölfjährigen passen unsere Lösungsansätze nicht", sagt Holger Theek. "Wo bleiben wir dann mit denen?"

"Wir sind superdankbar, dass die KSK uns geholfen hat", erzählt Theek. Das Echo kommt von Uwe Ohlendieck: "Es fiel uns in diesem Fall leicht, ja zu sagen." Er halte Change My Way "in besonderem Maße für förderungswürdig". Doch wer übernimmt es nun? Theek würde eine Lösung mit Beteiligung des Landkreises Diepholz gefallen. "Wie bei Release", sagt er. "Nur in kleinerem Rahmen."

Zur Sache

Essstörungen – was der Experte rät

Oft dauere es ein Jahr, ehe eine Essstörung bei einem Mädchen bemerkt werde, erklärt Holger Theek. "Sie sind wahnsinnig gut im Verschleiern." Das zweite Problem: Es gebe einen Riesenpool an Risikofaktoren. Theek, beruflich und ehrenamtlich mit Bulimie, Anorexie und weiteren Esstörungen beschäftigt, nennt aber zwei Faktoren mit Allgemeingültigkeit. Erstens: den Hang zum Perfektionismus. "Sie wollen auf jeden Fall gut aussehen. Viele backen und kochen auch toll." Zweitens: ein Mangel an Selbstvertrauen. "Ausgrenzung spielt auch eine Rolle."

Viele junge Damen mit Essstörungen ziehen sich zurück, zeigen sich nicht mehr in ihrem eigenen Zuhause. "Viele auch, weil sie sich schlapp fühlen", erläutert Holger Theek. Gerade die Pubertät sei für dieses Krankheitsbild eine kritische Phase.

Theek rät Eltern und Freunden dazu, aufzupassen, im Gespräch zu bleiben, Interesse zu zeigen. Sollte ein Verdacht wahrgenommen werden, sollten die Beteiligten den Mut haben, ihn auch anzusprechen. Das gelte auch für Mütter und Väter. "Dabei sollten sie allerdings auf ihre Tonalität achten." Andrea Kanowski hat bemerkt, dass vielfach "überhaupt kein Angebot mehr von den Eltern kommt". Und auch gemeinsame Mahlzeiten würden immer seltener. Dabei können auch diese helfen im Kampf gegen Essstörungen.

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