Landkreis Diepholz. Noch sind sie Waldgebiet des Jahres: die Erdmannwälder zwischen Neubruchhausen, Schwaförden-Hahnhorst und Sulingen. Die Wertschätzung dieses Natur-Juwels im Landkreis Diepholz ist weit über die Region hinaus auf enormes Interesse gestoßen. Zeit für eine Bilanz, die der Bund Deutscher Forstleute zog. Der BDF vergibt diese Auszeichnung seit 2001.
„Wir haben eine bundesweite Medienresonanz zu diesen naturnahen und klimastabilen Mischwäldern verzeichnet“, so BDF-Pressereferent Rainer Städing. „Bei Waldführungen mit Bürgern war deutlich zu spüren, wie groß das Interesse der Menschen an einer Waldform ist, die Chancen hat, im Klimawandel zu bestehen.“ Das zog eine steigende touristische Nachfrage nach sich, die auch in Zahlen messbar war. So ließen sich mehr als 1600 Menschen in 44 Führungen die Erdmannwälder von den Förstern des Forstamtes Nienburg und den Gästeführern der Stadt Bassum zeigen und erläutern. Forstamtsleiter Hendrik Plate freute sich auch über fachkundiges Publikum: „Waldbesitzer, Forstgenossenschaften, ganze Forstamtsbelegschaften sowie Kommunal- und Bundestagspolitiker wollten die Vielfalt der Erdmannwälder sehen.“
Auch die Region hat durch die Auszeichnung der Erdmannwälder gewonnen. Touristik-Fachfrau Susanne Vogelberg von der Stadt Bassum hat ebenfalls einen gestiegenen Besucherzulauf in der Region verzeichnet. „Neben der Fülle der zusätzlichen Führungen hat der Versand von Wander- und Radkarten im Erdmannjahr erneut deutlich zugenommen.“ Für das neue Jahr planen die Gästeführer der Stadt Bassum und der Allgemeine Deutsche Fahrradclub weitere Erdmannführungen. „Wir wollen über eine Verstetigung der Führungen dem großen Publikumsinteresse Rechnung tragen“, so Vogelberg. Trotz des Ansturms: Die Erdmannwälder haben auch das Jahr 2022 ohne nennenswerte Schäden überstanden. "Damit haben sie jetzt über fünf schwierige Jahre mit Stürmen, Käferbefall und Sommerdürre ihre Widerstandskraft bewiesen", erklärt Rainer Städing.
Neue Dokumente zur Person Friedrich Erdmanns
Krönender Abschluss des Erdmannjahres war Anfang Dezember die Verleihung der niedersächsischen Forstmedaille an den Heimatverein Neubruchhausen (wir berichteten). Der Heimatverein nahm diese Auszeichnung stellvertretend für alle Bürger des Ortes, die sich seit mehr als 30 Jahren für den Erhalt der historischen Oberförsterei und das Erbe von Oberförster Friedrich Erdmann einsetzen, entgegen. Für die Verleihung war die niedersächsische Forstministerin Miriam Staudte extra ins Waldpädagogikzentrum Hahnhorst gereist.
Nun, was macht die Erdmannwälder eigentlich aus? Wir sprechen hier von zwölf Waldgebieten mit rund 2000 Hektar Fläche. Auf diesem Areal zwischen Neubruchhausen und Sulingen fand der junge Oberförster Friedrich Erdmann (1859-1943) bei seinem Dienstbeginn im Jahr 1892 viele kränkelnde Kiefernwälder vor. Sogleich begann Erdmann einen für die damalige Zeit einmaligen Waldumbau. Er sorgte für eine verbesserte Humusbildung der Waldböden und ließ kleinflächig Buchen, Eichen, und Weißtannen säen. Douglasien, Küstentannen, Lärchen, Roteichen und vereinzelte Exoten wie Esskastanie und sogar Orientbuche kamen hinzu. Die Basis seines Ansatzes war die Buche, denn, so Erdmann im Jahre 1912: "Ein Wald, in dem die Buche den Grundbestand bildet, ist die beste und wertvollste Grundlage des Mischwaldes." Über 26 Jahre entwickelte Erdmann sein Konzept des „Waldbaus auf natürlicher Grundlage“, welches von seinen Nachfolgern bis heute weitgehend fortgeführt wird. Seine Ideen soll Oberförster Erdmann maßgeblich von alten Laub- und Laubmischwald-Resten in der Region abgeleitet haben. Geradezu visionär formulierte Friedrich Erdmann 1931: „Niedersachsen war ein uraltes Laubholzgebiet – es wird auch künftig wieder vorwiegend Laubwald tragen, dessen Grundcharakter durch eine angemessene Beimischung nutzbringender Nadelhölzer nicht beeinträchtigt zu werden braucht.“
Während vom Wirken Friedrich Erdmanns ausführliche Dokumente und vor allem die von ihm initiierte besondere Waldform Zeugnis ablegen, war bislang über die Person Erdmanns relativ wenig bekannt. Dies könnte sich künftig ändern. Der Heimatverein Neubruchhausen besitzt neue Dokumente zur Person Erdmanns aus dem niedersächsischen Staatsarchiv. Diese 146 Seiten, überwiegend in Sütterlin-Handschrift verfasst, werden nun von der Chronik-Gruppe des Heimatvereins analysiert. „Es wäre schön, wenn an geeigneter Stelle alle verfügbaren Dokumente zu einem öffentlich zugänglichen Erdmann-Archiv zusammengeführt werden könnten“, äußert sich Heimatvereinsvorsitzender Heinz-Hermann Schrader.
Der Nachfolger als Waldgebiet des Jahres steht auch bereits fest. Im kommenden Jahr werden die Erdmann-Förster den Staffelstab weitergeben an ihre Kollegen im Choriner Wald bei Berlin. Auch dort war der Übergang vom reinen Kiefernwald zum naturnahen Mischwald ein Hauptgrund für die Nominierung.