Bassum. Die Schüler sitzen in einem Halbkreis in ihrem Klassenzimmer. Alexander Gerhardt steht in der Mitte und erklärt, dass es gleich losgeht. Die Vögel zwitschern draußen. Das Fenster muss geschlossen werden. Schließlich muss alles ruhig sein, denn die Aufnahme startet sofort. Kyra steht auf und geht zu Gerhardt, um die An- und Abmoderation ins Handmikrofon einzusprechen. Die Zehntklässlerin der Oberschule (OBS) Bassum liest ihren Text vor. Zu schnell, sagt Gerhardt, der Tontechniker des Norddeutschen Rundfunks (NDR). Kyra muss noch mal ran.
Die Oberschule Bassum ist eine von 50 Schulen, die bei dem Unterrichtsprojekt „Hörspiel in der Schule“ gewonnen hat. Insgesamt haben sich in Niedersachsen 260 Schulen beim NDR beworben. Am Dienstag kamen Gerhardt und Juliane Bergmann mit der Technik nach Bassum, um mit den Schülern ein Stück aus dem Hörspiel „ABCDE und ich“ von Susanne Amatosero aufzunehmen. Kyra muss nun noch einmal ans Mikro und den Text langsamer vorlesen, um in die Geschichte einzuleiten. „Redet so langsam, dass es euch einen Tick zu langsam vorkommt“, gibt Gerhardt den Schülern als Tipp.
Dass das gar nicht so einfach ist, merkt Kyra schnell. Der vierte Versuch wird dann genommen. Die Mitschüler klatschen. „Es ist spannend, dass ich einen anderen Einblick bekomme“, erzählt die Zehntklässlerin. Sie selbst hat als Kind schon „Die drei ???“ oder „Bibi Blocksberg“ gehört. Und auch heute hört sie zumindest einmal im Jahr ein Hörspiel: „Wir haben ein Ritual an Weihnachten, dann hören wir immer ‚Ein Fall für Freunde‘.“ Gerade von der Arbeit, die hinter einer solchen Produktion steckt, ist sie beeindruckt. „Ich wusste gar nicht, woher die Geräusche kommen“, sagt sie.
Daher werden die Schüler auch nicht das gesamte Hörspiel von Amatosero einsprechen. Rund sechs Minuten gehören zum Unterrichtsprojekt. „Wir schneiden das noch an dem Tag und hören uns das Hörspiel dann am Ende an“, erzählt Juliane Bergmann vom NDR. Später wird das fertige Hörspiel dann auf der Internetseite veröffentlicht. Insgesamt dauert die Geschichte rund eine Stunde, zu viel für den einen Tag. „Wir haben uns das Hörspiel vorher angehört, damit die Schüler die Stellen auch einordnen können“, berichtet Sybille Knoerig von den Vorbereitungen. Die Materialien dazu stellte der NDR, die Lehrerin bezog das Thema „Hörspiel“ in den Unterricht ein. „So lernen die Jugendlichen ein ganz anderes Element kennen“, ist Knoerig überzeugt. Bevor Kyra die Anmoderation eingesprochen hat, hatte Gerhardt den Schülern ein wenig Theorie an die Hand gegeben.
Nun ist Vanessa an der Reihe. Alexander Gerhardt stimmt sie auf die Rolle ein. „Du sagst das einfach so, als ob du es einem guten Freund erzählst“, sagt er. Vanessa legt los. Stopp. „Am Anfang ist es wirklich gut, aber beweg‘ dich ruhig, wenn es dir hilft. Noch bist du ein wenig schüchtern“, gibt Gerhardt der Schülerin als Feedback nach dem ersten Versuch. Noch ist es nicht ganz perfekt, aber die Schüler haben auch noch einige Stunden Zeit.
Beworben hat Sybille Knoerig ihre zehnte Klasse im September. Auf die Idee hatte sie Louise Scharnowski gebracht, die sich mit ihrer sechsten Klasse ebenfalls beworben hat. „Meine Mutter hat das im Radio gehört“, erinnert sich Scharnowski. Zwar wurde ihre Klasse nicht ausgelost, aber die Englischlehrerin darf trotzdem dabei sein. „Ich habe gedacht, dass es ein schönes Projekt wäre“, begründet Scharnowski ihre Bewerbung. Das sah auch Knoerig so und bewarb ihre Klasse ebenfalls. „Hörspiele kennen die Schüler aus ihrer Kinderzeit und danach gibt es einen Bruch“, weiß die Lehrerin. Jetzt sind bei den Jugendlichen meist Hörbücher hoch im Kurs. „Wir gehen zurück zum Hörspiel. Und es wirkt ganz anders, wenn es die Profis mit den Schülern machen“, freut sich Knoerig über das Projekt des NDR, der auch verschiedene Hörspiele zur Auswahl hat.
Bei „ABCDE und ich“ geht es vor allem um Alltagsrassismus. Ansonsten behandeln die Geschichten etwa Mobbing oder andere Themen, die für Schüler aktuell sind. „Jede Geschichte hat aber eine Überraschung“, will Juliane Bergmann aber nicht zu viel verraten. Zwar wird die Klasse 10a das Projekt noch nachbereiten, allerdings warten auch schon die Abschlussprüfungen auf die Jugendlichen. Auch deshalb freut sich Knoerig darüber, dass ihre Klasse ausgelost wurde: „Das ist ein gemeinsames Werk für die Schüler und eine schöne Erinnerung.“