Bassum-Bramstedt. Vögel zwitschern, der Wind weht leicht über die Felder. Es ist warm in diesen Tagen in Bramstedt. Michael Heun steht vor dem Neubau und schaut sich um. „Das war vorher ein alter Stall. Den gibt es nicht mehr, aber die roten Steine haben wir noch erhalten“, sagt er. Sonst erinnert nichts mehr daran, dass früher der Hof in Bramstedt landwirtschaftlich genutzt wurde. Der Verein Love 'n Care Barmherzigkeitsdienste hat bereits vor fast drei Jahren damit begonnen, auf dem Gelände das House of Hope für Menschen, die Hilfe brauchen, zu bauen.
„Es sieht ganz anders aus, als noch bei der Grundsteinlegung“, kündigt er an und betritt den Neubau der freien evangelischen Gemeinde an der Feldstraße. Sofort steigt der Geruch nach frischer Farbe in die Nase. Manche Eimer stehen noch in der Ecke. Und: Es ist deutlich kühler als draußen. „Insgesamt wird es später acht Wohnräume geben, aber wir wollen alles flexibel gestalten“, sagt Heun. Das wird an der Nachfrage liegen und den Menschen, die kommen. Denn in einigen Räumen können auch mehrere Menschen einziehen und eine WG gründen. Als Nächstes sollen die Fliesen in die Bäder kommen. Noch wirkt der Neubau gegenüber des alten Bauernhauses nicht bezugsfertig. „Die Arbeit machen fast alles Ehrenamtliche“, freut sich Heun darüber, dass so viele Menschen freiwillig mit anpacken. Auch Freunde aus dem Ausland seien gekommen, um Hand anzulegen. „Es ist einfach unglaublich, dass die Leute kommen und uns weiterhelfen“, ist Heun dankbar. Eine der weitesten Reisen hatten Leonard und Christel Mueller auf sich genommen. Sie reisten aus Winnipeg/Kanada an. „Allein würden wir das nicht schaffen“, gibt Heun zu.
Von Tübingen nach Bramstedt
Denn das Ziel ist groß: Der Verein, der seine Ursprünge in Indien hat, will Menschen wieder auf die Beine helfen, die in Einsamkeit oder schwierigen Verhältnissen leben. „Vor allem Bedürftigen wollen wir helfen und ihnen eine zweite Chance bieten“, kündigt Heun an. Der Verein setzt sich dafür ein, dass die Menschen, die etwa drogen- oder alkoholabhängig sind, wieder ihr Leben sortieren können. „Jeder braucht Menschen um sich herum“, findet Michael Heun. Daher sollen die Bewohner auch am Leben des Vereins teilnehmen. „Alleine aus seiner Not herauszukommen, ist schwierig. Mit gemeinsamem Leben geht das einfacher“, ist Heun überzeugt. Dafür können die Bewohner auch den Gottesdienst im gegenüberliegenden Bauernhaus besuchen. Darin wohnt übrigens Heun mit seiner Frau.
Er selbst ging in Tübingen zur Schule, hat dort 2012 sein Abitur gemacht und ging danach in die USA. „Dort habe ich in einer Gemeinde gearbeitet und in einem großen Krankenhaus gearbeitet. Das war eine Überforderung für mich, weil ich glücklicherweise früher die Not nicht kannte“, erzählt Heun, der durch einen Bekannten vom Verein Love 'n Care gehört hat. „Das Buch von Yesupadam Paidipamula (dem Gründer von Love 'n Care, Anm. d. Red.) hat mich bewegt und ich bin für sechs Monate nach Indien gegangen“, berichtet Heun. Seit seinem Jahr in den Vereinigten Staaten habe er immer wieder Gott gefragt, was er mit ihm vorhabe. „Das war so eine Sehnsucht. Ich war dann hier in Bramstedt, um den Pastor zu besuchen und habe gemerkt: Gott ist auch da. Ich weiß, das klingt komisch“, sagt Heun und lacht. Daraufhin hat er sich entschieden, im Ort zwischen Bassum und Syke zu bleiben. Das heißt nicht, dass er nur in Bramstedt seine Zeit verbringt. „Mit Yesupadam Paidipamula war ich auf Madagaskar und dann waren wir zusammen wieder für sechs Monate in Indien“, erzählt Heun, der unter anderem in Schulen gearbeitet hat. 2015 zog er nach Bramstedt.
Ein Jahr zuvor wurde das Grundstück an den Verein übergeben. Die Mitglieder um Gründer Paidipamula suchten nach einem Haus außerhalb von Bremen. „Sie wollten Menschen helfen, die raus aus der Stadt sind“, erinnert sich Heun. Paidipamula war selbst am Bremer Hauptbahnhof und hat „gemerkt, dass die Menschen Hilfe und Liebe brauchen. Er wollte etwas tun und nicht nur davon sprechen. Also hat er Hotdogs verteilt“, erzählt Heun. Es folgte ein Haus in der Neustadt, bei dem es auch heute noch jeden Donnerstag Essen gibt.
Ein Jahr später folgte die Grundsteinlegung in Bramstedt. Wann das Haus bezugsfertig ist, das weiß Michael Heun noch nicht. Die Schritte hallen noch durch die Räume, Glühbirnen hängen von der Decke. Noch ist es kühl und still im Haus. „Die Leute können für ein Jahr in die Wohnung. Dann sieht man, ob man zusammen leben kann. Aber eines wissen wir auch: Wir können nicht allen helfen“, gibt Heun zu. Die Wohnungen werden alle ähnlich eingerichtet sein. Bett, Schreibtisch, Schrank. Im ersten Obergeschoss gibt es einen Gemeinschaftsraum mit einer Küche. Ein Raum wird derzeit als Lager für die Küchengeräte gebraucht. Die wurden gespendet. Es fügt sich alles immer – irgendwie. Heun ist überzeugt: „Wir haben kaum Geld, aber Gott hat uns immer geholfen. Und das kann man nicht planen.“