Wer sich zum Fest mit Schnitzereien aus dem Erzgebirge eindecken möchte, braucht dafür nicht extra die Höhenzüge an der tschechischen Grenze zu erklimmen. Holzbildhauermeister Thomas Heinze kommt am vierten Adventswochenende zu den Neubruchhauser Weihnachtstagen. Marktzeiten sind Sonnabend von 15 bis 21 und Sonntag von 13 bis 20 Uhr. Ob Annaberger Obersteiger, Bergmann mit Froschlampe und Erzmulde oder Engel mit Palmwedel - Heinze hat viele traditionelle Holzfiguren im Gepäck.
Bassum-Neubruchhausen. "Ich arbeite ausschließlich mit Lindenstämmen", erzählt der Holzbildhauermeister aus dem sächsischen Schneeberg, das nur 20 Kilometer von der Grenze zur Tschechischen Republik entfernt liegt. Warum? "Weil die Linde weiches Holz hat, das in der Struktur neutral ist und sich gut schneiden lässt", erklärt der 45-Jährige. Kurzum: Linde sei das beste Schnitzholz. Dass Bassum, zu dem Neubruchhausen gehört, im Volksmund auch Lindenstadt genannt wird, wusste Thomas Heinze noch gar nicht. "Das passt ja", freut sich der Mann aus dem Erzgebirge, der übrigens nichts mit dem bekannten Schauspieler Thomas Heinze zu tun hat.
Vor zwanzig Jahren sei er zum ersten Mal im Landkreis Diepholz gewesen, erinnert sich der Holzbildhauer. In Syke, bei den Weihnachtlichen Kulturtagen. Und weil sich Richard Reiners, früher im Syker Kulturamt tätig, nach all den Jahren noch so gut an Heinzes filigrane Figuren erinnern konnte, hat der Mitorganisator der Neubruchhauser Weihnachtstage ihn kurzerhand zum adventlichen Reigen rund um die Alte Oberförsterei eingeladen. "Die Neubruchhauser fahren ja immer zum Wandern ins Erzgebirge", freut sich Heinze, dass seine Heimat auch bei Flachlandindianern so gut ankommt. Vom 16. bis 18. Dezember weilt er jedoch nicht allein am Hachestrand, er bringt Verstärkung mit. Die Delegation aus dem Erzgebirge setzt sich unter anderem aus einem Bürstenmacher, einem Drechsler, einer Malerin, einer Klöpplerin und weiteren Kunsthandwerkern zusammen. Beim sogenannten Hutzenabend unterhält das Duo Wappler schon Freitagabend die Gäste in der Alten Oberförsterei. "Die kommen aus dem Nachbarort", freut
sich Heinze auf das gesellige Miteinander bei Glühwein, Speckfett, Zitherklängen und alten Überlieferungen aus dem Erzgebirge.
"Schnitzen hat bei uns im Erzgebirge Tradition, so wie in Bayern in Oberammergau", sagt Heinze, der beruflich in die Fußstapfen seines Onkels getreten ist. "Der Umgang mit Holz, seine gestalterische Vielfalt und die vielen Bearbeitungsmöglichkeiten faszinieren mich schon seit frühester Kindheit", verrät er. Mit elf sei er schon Mitglied in einem Kinderschnitzzirkel gewesen. "Da haben wir kleinere Sachen gemacht", berichtet er. 1982 folgte dann die Ausbildung zum Holzbildhauer, später die Meisterschule. "Seit 1993 bin ich selbstständig. Vorher habe ich in einer Genossenschaft gearbeitet", erläutert der 45-Jährige seinen Werdegang. Er habe sein Hobby quasi zum Beruf gemacht, freut sich Thomas Heinze über diesen "glücklichen Umstand". Da es im Erzgebirge früher viele Silberbergwerke gab, haben die meisten von Heinzes Figuren irgendeinen Bezug zum Bergbau. Schneeberger Obersteiger, Bergschmied oder Oberberghauptmann - all diese filigranen Schnitzereien gibt es bei den Neubruchhauser
Weihnachtstagen zu bestaunen.
Doch Heinze beschäftigt sich nicht nur mit Bergwerkromantik vergangener Tage, er fertigt auch Engel und Weihnachtskrippen aus weichem Lindenholz. "Für eine Holzkrippe brauche ich ungefähr eine Woche", sagt der Bildhauer, "für einen Engel dagegen nur zwei Tage." Heinze bemalt seine Figuren nicht selbst, diese Aufgabe übernimmt eine Malerin, die den kleinen Kunstwerken mit entsprechenden Wasserfarben das typische Antlitz verleiht. Handarbeit hat natürlich ihren Preis. Während es Krippenschafe schon für rund 20 Euro zu kaufen gibt, schlagen die größeren Königsfiguren schon mit 50 Euro zu Buche. Porträtarbeiten könnten auch schon mal 1000 Euro kosten, gewährt der Bildhauer einen kleinen Einblick in seine Preisliste. Bis auf das Lichtelfest in Schneeberg, das traditionell am zweiten Advent gefeiert wird, verkauft Heinze sein erzgebirgisches Kunsthandwerk eigentlich auf keinem anderen Weihnachtsmarkt. Dass Richard Reiners ihn trotzdem überreden konnte, nach Neenbroksen zu reisen, ist schon
etwas Besonderes.
Rund ein halbes Dutzend Holzbildhauer gebe es heute in seiner Heimatstadt Schneeberg, zählt Thomas Heinze auf. Im Internet ist er unter der Adresse Holzbrocken zu finden. "Ich dachte, diesen Namen können sich die Leute besser einprägen", sagt er schmunzelnd. Holzbrocken klingt irgendwie nach Holzmichl und Randfichten, oder? "Die Jungs wohnen nur ein paar Kilometer von mir entfernt - in Johanngeorgenstadt", weiß der Holzbildhauer aus dem Erzgebirgischen. Ob sein Filius, der siebenjährige Marcus, später einmal Papas Holzbildhauerwerkstatt übernimmt, steht bislang noch in den Sternen. "Talent hat er", erzählt der stolze Vater. Gerade für einen Holzbildhauer sei es wichtig, dass er auch gut zeichnen könne, weiß Heinze.
Übrigens: In Schneeberg, das auf 500 Metern Höhe liegt, habe es schon geschneit, erzählt Heinze. Wenige Kilometer weiter würde der ehemalige Skispringer Jens Weißflog ein Hotel betreiben. Gut, ein Skigebiet wie die berühmte Kammloipe gibt es im idyllischen Hachedörfchen Neubruchhausen nicht, aber vielleicht kündigt sich ja pünktlich zum vierten Advent Väterchen Frost an und tüncht die Alte Oberförsterei in glitzerndes Weiß.
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