Zwischen Holzlettern und Schreibmaschinen: Ausstellung im Heimat- und Druckereimuseum Hoya Der typografische Abenteuerspielplatz

Hoya. Der letzte WESER-KURIER, der mit Bleisatz gedruckt wurde, befindet sich wo? Richtig, in der Hoyaer Museumsdruckerei. Stolz hält Museumsvater Michael Linke den rund sechs Kilo schweren Druckzylinder in den Händen.
17.08.2015, 00:00 Uhr
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Von Jörn Dirk Zweibrock

Der letzte WESER-KURIER, der mit Bleisatz gedruckt wurde, befindet sich wo? Richtig, in der Hoyaer Museumsdruckerei. Stolz hält Museumsvater Michael Linke den rund sechs Kilo schweren Druckzylinder in den Händen. Der 70-Jährige muss ganz schön ächzen, wenn er den gusseisernen Gegendruck von A nach B transportieren will. Der stammt übrigens vom 9. Juni 1984 und ist an Michael Linke irgendwann einmal herangetragen worden.

Herzstücke aus seinem Druckereimuseum hat er für die gemeinsame Ausstellung „Wir machen Druck“ dem benachbarten Hoyaer Heimatmuseum ausgeliehen. Die Doppelschau mit dem Untertitel „Von Gutenbergs Lettern zum Laptop“ läuft noch bis zum 4. Oktober, jeweils sonntags in der Zeit von 15 bis 18 Uhr in beiden Häusern. Auch die Fräse, mit deren Hilfe Michael Linke Holzbuchstaben fertigt, befindet sich momentan im Heimatmuseum. „Es gibt europaweit vielleicht noch drei Leute, die Holzbuchstaben fräsen, Holzlettern nachschneiden können“, erzählt der ehemalige Lehrer, der seit 1998 die Museumsdruckerei in der ehemaligen Superintendentur Hoya betreibt. Gedruckt würden die Buchstaben letztendlich natürlich in Spiegelschrift.

Diese alte Handwerkskunst erfordere eine ganz besondere Präzision, sagt Michael Linke aus seiner jahrelangen Erfahrung heraus. Es versteht sich von selbst, dass er damit zu einem Liebling der Buchdruckerszene geworden ist, die sich regelmäßig in der Gutenberg-Stadt Mainz trifft. „Johannes Gutenberg hat nicht etwa den Buchdruck erfunden, wie immer gern behauptet wird, den gab es nämlich vorher schon. Was er erfunden hat, ist der Druck mit beweglichen Lettern“, erläutert Michael Linke, der früher in Wechold eine kleine Schuldruckerei betrieben hat. Die ist 1998 in der Hoyaer Museumsdruckerei aufgegangen. Das frühere Haus des Superintendenten hat der 70-Jährige damals von der evangelischen Landeskirche Hannover erworben. Auf rund 200 Quadratmetern betreibt er seitdem das einzige Druckerei-Museum der Region.

Einen Ort, wo seiner Aussage nach stets ein kreatives Chaos herrsche. Die Räumlichkeiten beschreibt der Museumsvater liebevoll als seinen „typografischen Abenteuerspielplatz“. „Ich habe gerade wieder kanadischen Ahorn geliefert bekommen, den kann ich aber erst 2022/2023 schneiden, weil der solange trocknen muss“, freut sich Michael Linke, dass die alte Druckkunst gerade bei Grafikstudenten eine kleine Renaissance erlebe. Auch Birnbaum lasse sich gut für Holzbuchstaben verarbeiten. Warum? Weil es die Druckfarbe bestens annehme, darüber hinaus gut verfügbar und preiswert sei, sich leicht schneiden lasse.

Das Herz des Mannes, der Holzbuchstaben so sehr liebt, schlägt auch für alte Frakturschriften. Jahrelang hat der 70-Jährige seien eigenen kleinen Plakatverlag gehabt, beispielsweise Ankündigungen für Schützenfeste oder Ausstellungen im Hoyaer Heimatmuseum gedruckt. Weil für großformatige Plakatschriften Buchstaben aus Blei früher zu teuer und vor allen Dingen zu schwer waren, wurden dafür eben Holzlettern hergestellt. „Wenn alte Drucker bei mir im Museum reinschnuppern, nehmen sie wie Hunde sofort Witterung auf“, weiß Michael Linke, welche Faszination immer noch von seinem typografischen Abenteuerspielplatz ausgeht. Dessen nostalgischer Charme zieht einfach jeden in seinen Bann.

„Meine Mutter war Schreibmaschinenlehrerin“, spannt Linke auch gleich den Bogen zum zweiten Teil der Ausstellung: „Wir machen Druck“. 16 Schreibmaschinen stellt Museumsleiterin Elfriede Hornecker momentan im Heimatmuseum Hoya aus. Sei es nun die Mignon (1903), die Olympia von 1934 mit Fenstertechnik oder die Stoßstangenmaschine, mit der man bei der Namensnennung eigentlich eher ein Auto assoziiert. „Die Kugelkopf-Schreibmaschine, Baujahr 1970, symbolisiert den Endstand der Schreibmaschinen-Technologie“, erzählt Elfriede Hornecker. Auch an das elektrische Modell aus der Mitte der 1980er-Jahre erinnert sie sich noch genau: „Damit habe ich damals als Lehrerin noch Zeugnisse geschrieben.“ Und über die Maschine mit dem Namen „Orga Privat“ sei 1923 sogar ein Film gedreht worden. Titel: „Das Orga-Mädchen“. „Hoyas damaliger Bürgermeister soll auch so eine gehabt haben“, weiß Elfriede Hornecker aus alten Überlieferungen.

Bis zum 4. Oktober können die Besucher bei ihr im Museum sonntags noch die unterschiedlichsten Techniken ausprobieren, dort natürlich auch selbst in die Tastern hauen. Wer vom Ausstellungsraum zu Michael Linkes Fräse („Ihr Geräusch erinnert mich immer an einen Besuch beim Zahnarzt“) schreitet, kommt auch am Nachbau des Gutenbergschen Handgießgerätes und seiner berühmten Druckpresse vorbei.

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