Syke-Gessel. Der Konflikt zwischen wirtschaftlichen Interessen der Landwirtschaft und Umweltschützern in puncto Gewässerschutz ist präsenter denn je. Klar ist: Ohne Düngemittel in Form von Gülle wachsen keine Pflanzen und die Regale bleiben leer. Genauso klar und statistisch belegt ist aber auch, dass durch das Güllen auch das gesundheitsschädliche Nitrat ins Grundwasser gelangt. Was also tun? Der Gesseler Landwirt und Lohnunternehmer Stefan Landsberg ist sich sicher, dass der Terra Gator die Lösung sein könnte. Ein neues Gefährt, das die Gülle direkt in die Erde einarbeitet.
Etwa 48 Millionen Tonnen Gülle wurden laut Nährstoffbericht der Landwirtschaftskammer Niedersachsen im Zeitraum 2016/2017 in Niedersachsen ausgefahren. Und damit auch ein nicht zu verachtender Anteil an Stickstoff, der sich in Verbindung mit Sauerstoff in Nitrat umwandelt. Ein Nährstoff, der zum einen für den Wachstum von Pflanzen wichtig ist. Zum anderen findet nicht verwertetes Nitrat über das Trinkwasser aber auch gerne mal einen Weg in den menschlichen Körper, wo es in krebserregendes Nitrit umgewandelt wird. Besonders unschön, wenn man bedenkt, dass nach Angaben des Umweltbundesamtes rund 74 Prozent des Trinkwasseraufkommens in Deutschland aus dem Grundwasser entnommen werden. 18 Prozent des Grundwassers in Deutschland würde den geltenden Schwellenwert von 50 Milligramm Nitrat je Liter demnach nicht einhalten.
Düstere Aussichten, die mit dem Terra Gator vielleicht bald aufklaren. Denn statt die Gülle wie früher in einem hohen Bogen und geruchsintensiv auf dem Feld zu verteilen, drückt der Terra Gator von Stefan Landsberg in Gessel mittlerweile mit rotierenden Scheiben Schneisen in die Erde und trägt die Gülle direkt in selbige auf. „Je bodennaher, desto weniger Verluste habe ich“, erklärt der Landwirt und Lohnunternehmer das Prinzip. Und die Geruchsbelastung ist auch geringer. Denn der Kontakt zur Luft besteht in diesem Fall nur an der Oberfläche des Bodens. „Dadurch kann die Pflanze statt 60 Prozent 80 Prozent der Stoffe aus der Gülle aufnehmen“, erklärt Stefan Landsberg. Positive Nebeneffekte: Die Pflanzen würden durch das Verfahren ein wenig verletzt, was die Bestockung anrege. Außerdem sei der Streuverlust im Vergleich zu den Verteilern viel geringer. Und noch wichtiger: Je mehr die Pflanze aufnimmt, desto weniger Gülle – und damit Nitrat – gelangt ins Grundwasser.
Unter dem martialisch klingendem Begriff Terra Gator versteckt sich das Grundfahrzeug mit Tank und Pumpe. Ein solches 400 PS starkes Ungetüm zu besitzen, ist heute noch eine kleine Besonderheit, was vor allem an dem Anschaffungspreis von knapp 500 000 Euro liegen mag. Der riesige Tank wird mit einer Pumpe befüllt, die in einer Minute 9000 Liter Gülle ansaugt. In zweieinhalb Minuten ist er voll. Ein Vorteil des Terra Gators: Die Anschlüsse lassen sich auswechseln. „Jetzt kommt die Zeit, in der wir mit den Drehtellern relativ flach arbeiten. Bei Mais nutzen wir einen 'Strip-Teller', der bis zu 25 Zentimeter tief in die Erde geht. Bei zwölf Zentimetern legen wir die Gülle ab“, beschreibt Stefan Landsberg. Dank GPS-Aufzeichnungen werde dabei millimetergenau gearbeitet – zumindest fast immer. „Barack Obama war mal in Hannover, da haben die Verantwortlichen den Satellit ausgefahren und wir konnten einen Tag nicht arbeiten“, erinnert sich Stefan Landsberg und schmunzelt. In solchen Momenten werde deutlich, wie fremdbestimmt man manchmal sei. „Das sind halt die Satelliten der Amerikaner.“
Stefan Landsberg ist sicher, dass in der Zukunft jeder Landwirt seine Gülle direkt in den Boden einarbeiten wird. „Letztes Jahr haben wir mit dem Terra Gator gearbeitet, als ein Passant mit seinem Hund vorbei kam und uns fragte, was wir da machen. Als ich ihm antwortete, dass wir Gülle ausfahren, war er der Meinung, das könnte nicht sein – weil man nichts riecht und sieht“, schildert Landsberg. Auch die neue Düngeverordnung wird ihren Anteil an der Umstellung haben, dürfen ab dem 1. Februar 2020 organisch-mineralische Dünger auf bestellten Äckern nur noch streifenförmig auf den Boden abgelegt oder direkt in den Boden injiziert werden.
Jeder trägt seinen Teil dazu bei
Landsberg führt den Gesseler Hof übrigens in dritter Generation. „Mein Vater hat mir damals freigestellt, ob ich den Hof übernehmen möchte. Er meinte, wenn ich es mache, zieht er mit.“ Stefan Landsbergs Antwort war klar. Vor 13 Jahren gründete er eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Heute bewirtschaftet der Lohnunternehmer mit drei Festangestellten und sechs Aushilfen 200 Hektar Land, hat 500 Mastschweine. Heute stehe der Landwirt vor der gleichen Situation, wie sein Vater damals. „Ich frage mich momentan auch, was ich meinem Sohn sagen soll. Die Auflagen werden immer schärfer und das Ansehen in der Bevölkerung immer schlechter“, sagt der Familienvater. Der Gesseler wehrt sich aber auch dagegen, dass die Landwirte beim Thema Grundwasserverschmutzung alleine zum Buhmann gemacht werden. Er würde sich wünschen, dass jeder seinen Beitrag zur Grundwasserverschmutzung mehr hinterfragt: „Natürlich tragen wir unseren Teil mit der Gülle bei, das weise ich nicht von der Hand. Aber 80 Millionen Menschen gehen in Deutschland täglich auf die Toilette und duschen und waschen ihre Wäsche.“
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