Syke. Der Gesseler Goldhort kehrt nach Hause zurück. Fast zehn Jahre, nachdem Archäologen den Schatz aus der Bronzezeit in einem Feld in Gessel fanden, werden die Funde im Forum am Kreismuseum ausgestellt. Dafür wurde eigens ein zweistöckiges Gebäude errichtet. Rund drei Millionen Euro investierte der Landkreis Diepholz. Dort werden neben dem Goldhort auch weitere Funde präsentiert sowie ein Überblick über moderne Ausgrabungstechniken gegeben.
Getreu dem Motto des neuen Forums – entdecken, forschen, mitmachen – haben Besucher zudem die Möglichkeit, in einem Mitmach-Labor und einem Schaumagazin selbst den Spuren der Vergangenheit zu folgen. „Wir möchten den Besuchern nicht nur die historische Dimension des Goldfundes nahebringen, sondern auch Bezüge zu unserer Gegenwart verdeutlichen“, sagt Ralf Vogeding, Leiter des Syker Kreismuseums, dem das neue Forum angegliedert ist. Mit 117 Einzelstücken, einem Alter von 3300 Jahren Alter und einem Gewicht von 1,7 Kilogramm galt der Gesseler Goldhort schon bei seiner Vorstellung im Februar 2012 als archäologische Sensation. Für die Fachleute allerdings eher aufgrund der Fundsituation und weniger, weil die Spiralen und Fibeln aus fast reinem Gold bestehen. Der Hort wurde im Zuge des Trassenbaus der Nordeuropäischen Erdgasleitung (NEL) gefunden. Diesem Trassenbau ging die umfangreichste Ausgrabung voraus, die das Niedersächsische Landesamt für Denkmalschutz (NLD) jemals zu bewältigen hatte. Ein „goldener Schnitt“ quer durch rund 11 000 Jahre Geschichte.
Dabei wurden sieben Millionen Quadratmeter Fläche vollständig archäologisch untersucht. Sämtliche Funde konnten währenddessen bestens dokumentiert werden. Und vor allem diese Dokumentation ist wichtig für Archäologen. Denn der sogenannte Fundzusammenhang, also wo und wie etwas gefunden wurde, verrät den Experten oftmals mehr als der eigentliche Fund selbst. Doch gerade bei Hortfunden fehlt dieser Fundzusammenhang häufig, denn diese werden oft eher durch Zufall entdeckt. Wie etwa auch der Silbermünzenschatz von Asendorf, den ein Landwirt 1955 beim Pflügen seines Acker im wahrsten Sinne des Wortes aufdeckte. Nicht so beim Goldhort. „Das ist ja das Besondere an diesem Fund“, sagt auch Vogeding. „Es ist der erste und bisher einzige Hortfund, der vom Auffinden bis zur Ausstellung wissenschaftlich begleitet werden konnte.“ Eine Dokumentation, die sich auch in der neuen Ausstellung widerspiegelt. Der Goldhort ist das Herzstück der Ausstellung, doch drumherum können die Besucher den Archäologen quasi über die Schulter blicken. Ihrer Arbeit ist das neue Forum ebenso gewidmet wie dem Gold.
Das ist ebenfalls der besonderen Grabungssituation geschuldet. Durch die archäologische Begleitung des NEL-Trassenbaus waren die Archäologen vorbereitet. Schon bei den Vorarbeiten hatten die Wissenschaftler allein aufgrund von geografischen Bedingungen oder früheren Entdeckungen eine Vielzahl von archäologisch potenziell interessanten Stellen ausgemacht. Eine dieser Stellen war Gessel. Und tatsächlich sprachen Indizien dafür, dass sich dort etwas im Boden verbirgt. Nachdem der Oberboden abgetragen war, waren zwar nur leichte Bodenverfärbungen zu sehen, doch beim Gang mit dem Metalldetektor schlug dieser an. Grabungstechniker Jan Stammler ortete einen möglicherweise relevanten Fund, rund 60 Zentimeter tief im Unterboden. Vorsichtig legten die Archäologen zunächst vier Bronzenadeln frei, dazu ein kleines goldenes Spiralröllchen und ein verziertes Goldobjekt, das auf den ersten Blick wie ein Armreif aussah. Aus Zeit- und Sicherheitsgründen entschied man sich dann dafür, das Objekt sofort zu sichern. So holten die Archäologen einen etwa ein Quadratmeter großen Erdblock aus der Erde und brachten ihn nach Hannover zur weiteren Untersuchung.
Was sich darin verbarg, sorgte dann bei aller Vorbereitung und Erwartung doch noch für so manche Überraschung. Dank moderner Technik wurde ersichtlich, was sich in dem entnommenen Erdklumpen befand: eine Fibel, zwei Armringe und 114 Spiralen in unterschiedlicher Form und Größe. Basierend auf diesen Daten wurde eine Nachbildung mit dem 3D-Drucker erstellt, die es den Restauratoren ermöglichte, die Objekte fein säuberlich aus ihrem Erdbett zu befreien. Alle bis auf eines: Eine Armspange wurde nicht von den anhaftenden Sedimenten befreit. Ihnen soll später, wenn die technischen Möglichkeiten verfeinert wurden und es zulassen, weitere Geheimnisse entlockt werden.
Beim Lösen der Objekte aus dem Erdboden traten oberhalb des eigentlichen Goldhorts noch sechs Bronzenadeln zutage, an denen Fasern anhafteten. Diese wurden später als Leinen identifiziert. Zusammen mit der Form, in denen die goldenen Stücke aufgefunden wurden, lag so die Vermutung nahe, dass die Stücke in einem Leinenbeutel vergraben wurden, der mit diesen Bronzenadeln verschlossen wurde.
Überrascht wurden die Wissenschaftler allerdings von der metallurgischen Untersuchung des Goldes. Es stammte nicht wie zunächst angenommen aus dem Mittelmeerraum, sondern hatte einen weiteren Weg hinter sich. Zentralasien, möglicherweise das heutige Afghanistan oder Tadschikistan ist der Ursprungsort. Noch etwas stellten die Experten fest: Das Gold war bereits eine Weile im Umlauf, ehe es in Gessel vergraben wurde. Die Forscher vermuteten daher, dass es sich bei dem Goldhort von Gessel um den Besitz eines Händlers handeln könnte. Es wurden sogar Theorien entwickelt, dass es sich bei den aufgereihten Spiralen vielleicht sogar um eine frühe Form der Währung handeln könnte. Der Goldhort von Gessel hat also noch längst nicht alle seine Geheimnisse enthüllt.
Weitere Informationen
Forum Gesseler Goldhort im Kreismuseum Syke, Herrlichkeit 65. Weitere Informationen: www.forum-gesseler-goldhort.de