Das Porträt Im Duett mit dem Instrument

Die Sykerin Hauke Kranz ist Klavierpädagogin, Pianistin, Komponistin und selbsternannte Tastenflüsterin. Im Gespräch erzählt sie, was ihre klassischen Karriere verhindert hat.
15.05.2019, 09:58 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Von Dominik Albrecht

Syke. Geradezu verliebt blickt Hauke Kranz zu ihrem Klavier. Einst stand es im Wohnzimmer ihres Elternhauses, heute in ihrem Wohnzimmer. „Ich bin 54, das Klavier 50. Und es wird mich noch bis zu meinem Ende begleiten“, ist sich die Pianistin sicher. Sie wirkt ausgeglichen, als sie über ihre ersten Noten am Klavier ihrer Leidenschaft für das Instrument und die Verbindung spricht, die zwischen ihr und ihren Zuhörern entsteht.

Hauke Kranz hat mit vier Jahren das erste Mal am heimischen Klavier Platz genommen. „Manche sagen dann: 'Oh, ein Wunderkind'. Aber ich bin einfach in einer Musikerfamilie groß geworden“, liefert die gebürtige Bremerin die schlichte Erklärung. Mit einem Kirchenmusiker als Vater (der später eine Musikschule leitete) sei es gar nicht vermeidbar gewesen, sich an dem Klavier auszuprobieren. „Ich habe probiert, 'Vom Himmel hoch, da komm ich her' mit dem Ein-Finger-System zu spielen“, erinnert sich die Klavierpädagogin, die in den 1970er-Jahren an die Hache gezogen ist. Auch Hauke Kranz' Mutter war musikalisch und für eine Musikschule tätig. Auch ihre drei Geschwister haben Instrumente gelernt, es aber nicht beruflich weiter betrieben.

Den ersten Unterricht erhielt Kranz demnach von den Eltern. „Die habe ich aber ziemlich schnell verschlissen“, gibt sie mit einem Lachen zu. „Man lässt sich ja nichts sagen von Papa.“ Die Lehrstunden seien stets ohne Druck erfolgt. Hatte Klein-Hauke ein Stück drauf, folgte das nächste. In der Schule hat die Sykerin ihre Liebe zum Klavier lange Zeit verschwiegen. „Klassische Musik war nicht unbedingt beliebt damals. Das wurde nicht bewundert, sondern war eher exotisch.“ Dennoch habe sie gerne für Auftritte auf der Bühne gestanden. Ab dem neunten Lebensjahr hat Hauke Kranz externen Unterricht bekommen. „Das ist auch dringend nötig. Man kann nicht immer nur im eigenen Saft braten und nur bei den Eltern Unterricht haben“, findet Hauke Kranz.

Die Pianistin fasziniert, dass ein Klavier ein ganzes Orchester beherbergt. „Was da für Klänge herauskommen, ist faszinierend, das ist eine ganze Welt.“ Obwohl ihr Vater Kirchenmusiker gewesen ist, hat Hauke Kranz nie selber auf einer Orgel gespielt. „Das hat mich nie wirklich gereizt. Ich durfte aber meinem Vater beim Orgelstimmen helfen. Er krabbelte dann hinter der Orgel herum und ich musste die Töne anschlagen. Das war unglaublich langatmig und am Ende gab es 50 Pfennig zur Belohnung“, erinnert sich Kranz und schmunzelt.

Als Schülerin hatte Hauke Kranz dabei eigentlich immer ganz andere Pläne – sie wollte Sprachen studieren. „Kurz vor dem Abitur habe ich plötzlich einen totalen Schwenk gemacht und wollte das machen, was ich wirklich kann.“ Es wurde also doch ein Studium zur Musikerziehung, nachher folgte die künstlerische Reifeprüfung zur Pianistin. Beides in Bremen. Nach kurzen Ausflügen und einer 20 Jahre dauernden Anstellung bei einer Musikschule kam Hauke Kranz 1999 wieder nach Syke, „um mich teilweise und ab 2004 vollständig selbstständig zu machen“. Ihre Stärke sei schon immer der Einzelunterricht gewesen. „Das war aber nicht der Schwerpunkt einer Musikschule. Da merkte ich, dass die Ziele auseinandergehen.“ Seitdem verdingt sie sich als Klavierlehrerin für Erwachsene und Kinder.

Hauke Kranz trat als Pianistin auf, gab Solo-Abende. „Das hörte irgendwann nach und nach auf. Das kollidierte mit meinem Unterricht und mit Anfang 40 habe ich eine Arthrose in den Fingern bekommen“, gibt Hauke Kranz preis. Schnell wurde ihr bewusst, dass sie vielleicht nicht mehr lange auf einem hohen Niveau spielen kann. „Da war Schluss mit meinem Traum von einer klassischen Karriere. Danach gab es ein paar Jahre ein Vakuum“, sagt sie. Kranz begann, selber zu komponieren. Das Gehörte gefiel ihren Zuschauern, sie riefen nach einer CD. 2016 erschien dank Crowdfunding Hauke Kranz' Erstling „Piano Songs“. Schon früh sei der Komponistin aufgefallen, dass sie Menschen mit ihrem Klavierspiel berühren könne. „Da ging es nicht darum, technisch toll zu spielen. Ich habe das Gefühl, ich kann Menschen 'verzaubern'.“ Damit sei der rote Faden zu ihrer heutigen Tätigkeit gelegt. Seit September 2018 bezeichnet sich Hauke Kranz als Tastenflüsterin. „Ich habe mich immer gefragt, was ich hier eigentlich mache und wie ich das benennen könnte.“ Irgendwann sei der Begriff Tastenflüsterin in ihren Kopf gekommen. Zunächst sei sie noch ängstlich gewesen, mit dieser Bezeichnung in die Öffentlichkeit zu gehen und dazu zu stehen. „Das kann ja auch negative Reaktionen hervorrufen, weil die Menschen damit nichts anfangen können“, ist sich die Komponistin bewusst.

Aber was macht eine Tastenflüsterin denn? „Sie spielt nicht nur das Klavier, gibt Konzerte und verkauft CDs, sondern zaubert mit Tasten“, beschreibt Hauke Kranz in den Raum blickend und lächelnd. Auf die Nachfrage, wie sich das ausdrückt, muss die Sykerin noch weiter in sich gehen. Die Magie passiere, wenn sie spiele. Nach einer Pause sagt sie: „Es entsteht eine Verbindung zwischen mir über die Musik zu dem, der zuhört. Und das ist eine ganz berührende Geschichte.“ Man nimmt es ihr ab, wenn sie fast schwelgend darüber berichtet, dass ihre Zuhörer sich nicht nur entspannen und „bei sich ankommen, sondern auch die Verbindung zueinander spüren“. Kranz ist sich sicher: „Da ist die Musik ein Mittel ohne Worte, das mitten hineingeht ins Herz.“ Diese Momente seien es, die Hauke Kranz schlucken lassen und den Unterschied zwischen einer Pianistin und Tastenflüsterin ausmache.

Neugierig geworden? Auf www.haukekranz.de finden Interessierte einige ihrer Stücke zum Probehören.

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