Andreas Schmidt scheint ein gutes Gespür zu haben. „Er hat mal zu mir gesagt, dass ich Kurts Nachfolger werde“, erinnert sich Bernd Wilhelm an ein Gespräch mit dem Ortsbürgermeister der drei Dörfer Osterholz, Gödestorf und Schnepke. Damals habe er noch abgelehnt. Doch Schmidt, ein Freund Wilhelms seit dem Kindergarten, behielt Recht. Seit dem vergangenen Jahr ist Bernd Wilhelm der erste Vorsitzende der TSG Osterholz-Gödestorf-Schnepke – und hat tatsächlich seinen Bruder Kurt abgelöst. Der 71-Jährige war mehr als 30 Jahre lang das Gesicht des Vereins. Nun arbeiten die beiden Wilhelms Hand in Hand für eine gute Zukunft ihrer TSG.
Denn ganz aufhören, das konnte Kurt Wilhelm nicht. „Das war nie ein Thema für mich“, bekräftigt der Ehrenvorsitzende. Hausmeister und Platzwart – diese Aufgaben hat er noch immer inne. Und – auch wenn das kein offizielles Amt ist – Ratgeber für die neue Vereinsspitze. „Ich glaube, wir haben noch nie so viel zusammen gemacht wie im letzten Jahr“, sagt Bernd. Die gemeinsame Arbeit für den Verein hat die Brüder nicht noch enger zusammengeschweißt, aber ihnen noch mehr gemeinsame Zeit verschafft. „Und das ist doch schön“, findet Bernd.
Fremd war es dem 58-Jährigen nicht, für die TSG tätig zu sein. Er war zehn Jahre lang als Jugendleiter aktiv. Zu dieser Zeit war sein Bruder bereits Vorsitzender. Ohnehin ist es schwierig, sich den Drei-Dörfer-Verein ohne Kurt Wilhelm vorzustellen. In 32 Jahren als Klubchef hat er eine Ära geprägt. Oder wie es Bernd ausdrückt: „Kurt ist der Verein gewesen.“ Wie viel Arbeit dahinter steckt, das kann er nun wesentlich besser einordnen als zuvor. „Die Dinge, die man sieht, waren schon verdammt viel. Jetzt merke ich: Die Dinge, die niemand sieht, sind noch einmal genauso viel. Das ist schon irre. Heute habe ich mehr Einsicht, wie gigantisch das ist.“ Ein Sportverein sei wie ein kleiner Betrieb. An Aufgaben und Herausforderungen mangele es nicht.
Seit Februar 2020 ist der Gödestorfer Bernd Wilhelm, der wie sein Bruder für die TSG Fußball spielte, nun Vorsitzender seines Heimatvereins. Vorangegangen war eine durchaus schwierige Zeit für den Klub. Eigentlich hatte Kurt sein Amt bereits zwei Jahre zuvor in neue Hände geben wollen. „Aber da haben wir keine neuen Leute gefunden“, erinnert er sich. Ein Nachfolger war nicht in Sicht. Also machte er weiter. Wie immer eigentlich. Jemandem hinterherzulaufen, das sei nie sein Ding gewesen. Stattdessen halste er sich selbst jede Menge Aufgaben auf. „Ich habe einfach zu viel gemacht, denke ich. Ich habe das nicht so empfunden, aber viele haben bestimmt gedacht: Der Kurt macht das sowieso“, überlegt er. Und oft war es ja auch so.
Dabei gibt es in den drei Dörfern viele Menschen, denen die TSG am Herzen liegt und die sich für sie engagieren wollen. Auch Bernd, der wegen seiner beruflichen Tätigkeit in Hamburg mehr als ein Jahrzehnt lang nicht regelmäßig Teil der TSG-Familie sein konnte. Einmal im Monat sei er vielleicht mal auf dem Sportplatz gewesen, blickt er zurück. Doch mithelfen, das wollte er. Mit dieser Einstellung stand er nicht allein da, wie eine Versammlung am Jahresende 2019 zeigte. Bei diesem Treffen ging es darum, all die Aufgaben, die sich bei Kurt gesammelt hatten, auf mehrere Schultern zu verteilen. Anders ausgedrückt: die Zukunft des Vereins sicherzustellen. „Da hat sich herauskristallisiert: Es sind viele Leute da, die mitanpacken wollen“, erklärt Bernd. Das sei ein tolles Zeichen gewesen. „Da kam Zuversicht auf.“
Ein großes Team aufgebaut
Nur ein Punkt blieb offen: Wer sollte Kurts Nachfolger werden? So richtig wagte niemand den Schritt, in diese übergroßen Fußstapfen zu treten und die Verantwortung zu übernehmen. Bernd spürte: „Wenn du helfen willst, dann musst du das machen.“ Dabei war der Posten des Vorsitzenden, „überhaupt nicht mein Plan gewesen“, verrät er. Hilfe hatte er zugesagt. „Aber im Hintergrund war unausgesprochen: Das, was Kurt für den Verein leistet, bin ich nicht bereit zu leisten.“
Diese Fülle an Aufgaben muss Bernd Wilhelm allerdings auch nicht bewältigen. Weil sich das erhofft große Team fand, konnte sich Schmidts Voraussage überhaupt erst erfüllen. „Wir sind super aufgestellt. Das ist eine gute Basis. Es macht sehr viel Spaß. Jede Position ist doppelt besetzt, jeder weiß, was seine Aufgaben sind. Ich arbeite sehr gern mit den jungen Leuten zusammen“, schwärmt der neue Klubchef von seinen Kollegen. Umso besser greift bei der TSG nun ein Rad in das andere. Und bei Fragen war und ist Kurt als Ratgeber immer noch zur Stelle. „Das war und ist für mich eine Sicherheit“, sagt Bernd. „Wenn ich Dinge im Kopf habe, die ich umsetzen möchte, ist es wichtig, dass ich weiß: Wie war es eigentlich? Das sind Themen, die wir ständig besprechen, auch damit ich nicht ins Fettnäpfchen trete.“ Denn ein Stück weit lernt Bernd den Verein neu kennen. „Früher war meine Perspektive Fußball. Jetzt ist es wesentlich breiter – und schöner.“ Auch Kurt weiß: „Man darf nie ausschließlich auf eine Sparte schauen.“ Er sei sehr froh, „dass es in meinem Sinne weitergeht“.
Und zwar mit voller Kraft und Vielfalt. Giannina Chlupka, die zweite Vorsitzende, ist Fitnesstrainerin. Sie soll dabei helfen, den Bereich Fitness- und Gesundheitssport auszubauen. „Dieses Angebot wird immer mehr Raum einnehmen“, sind die Wilhelm-Brüder überzeugt. Nicht nur in diesem Punkt liegen sie auf einer Wellenlänge, sondern auch mit Blick darauf, was die Basis für eine gute Zukunft der TSG ist: „Das Wichtigste ist, dass der Verein die Verbundenheit zu den drei Dörfern behält“, sagt Bernd. Kurt nickt. Der mehr als 400 Mitglieder starke Klub mag recht klein sein, aber er ist fest verwurzelt. Dazu trägt auch die gute Nachbarschaft mit der Feuerwehr, der Dorfjugend und dem Kindergarten bei. Und natürlich die schmucke Anlage. Die TSG ist personell und infrastruktuell gut aufgestellt, sind sich die Wilhelm-Brüder sicher.
So lang wie sein Bruder wird Bernd, der sich besonders um die Kommunikation kümmert, die Zukunft des Sportvereins wohl kaum als Vorsitzender mitgestalten. Wie lang seine Amtszeit dauern soll, hat er nicht auf den Punkt genau festgelegt. Das Ziel dagegen schon: „Wirklich einen Generationswechsel einleiten, sodass wir in ein paar Jahren den Verein mit einem guten Gefühl übergeben können.“ Kurt nickt. Das ist auch in seinem Sinne. Dann haben die Wilhelm-Brüder alles für die TSG getan.