Bassum-Neubruchhausen. Langsam, ganz langsam setzt der 36 Tonnen schwere Kran sein Frachtstück Millimeter für Millimeter in das kleine dachlose Häuschen. In die Wassermühle am Mühlenteich in Neubruchhausen ist am Dienstag wieder ein weiteres Stück Leben eingezogen. Ein neuer Motor soll Bewegung in das historische Gebäude bringen und dabei nicht nur ein optisches Schmankerl bieten – wobei neu relativ ist.
Georg Schröder, Maik Dannemann und weitere Helfer vom Verein Wassermühle Neubruchhausen haben ihre Augen überall, als sich der vier Tonnen schwere Motor langsam in das Häuschen senkt. Nur knapp gleitet er an den alten Häuserwänden vorbei und landet nach einigem Justieren auf dem Betonsockel. „Das Fundament muss auf den Millimeter genau gefertigt werden. Wenn die riesige Schwungscheibe und die Masse an Motor sich bewegen, gibt es ansonsten wirklich Probleme“, betont Georg Schröder während des Schauspiels.
Damit wird die Geschichte der Wassermühle um ein neues Kapitel erweitert, wovon sie laut Georg Schröder und Maik Dannemann schon einige vorzuweisen hat. Die Mühle aus dem Jahr 1730 zähle zu den ältesten ihrer Art im Landkreis Diepholz und sei zudem Teil von einem von nur zwei Scheunenvierteln in ganz Niedersachsen. 1872 wurde hier die erste Wasserturbine eingebaut, welche durch eine so genannte Francis-Turbine ergänzt wurde, da die Wasserkraft nicht mehr reichte, um das Getreide für das Mehl zu mahlen. „Zum Ende des 19. Jahrhunderts reichte aber auch die nicht mehr, weshalb ein Maschinenhäuschen gebaut und dort ein Motor betrieben wurde. Dadurch konnte die Mühle unabhängig von der Wasserkraft betrieben werden“, beschreibt Dannemann. 1974 sei dann das Mühl- und Staurecht aufgehoben worden, wodurch kleinere Mühlen wie die in Neubruchhausen aufgegeben wurden. „Seitdem schlummert das Ganze im Dornröschenschlaf“, fasst Maik Dannemann zusammen.
Rüstige Technik aus dem Netz
Bis jetzt. Denn vor zwei Jahren haben es sich Holger Rullhusen und einige Mitstreiter auf die Fahne geschrieben, die Mühle wachzuküssen und gründeten dafür den Mühlenverein Neubruchhausen. Dabei wollten die neuen Pächter eigentlich nur eines der Gebäude für kulturelle Veranstaltungen sanieren. Das war für Florian Butt, Vereinsmitglied und gelernter Müller, aber nicht genug. „Er ist in der Mühlenvereinigung Niedersachsen aktiv und kümmert sich in seiner Freizeit stark um die Sicherung historischer Mühlen“, erzählt Maik Dannemann. Butt bot seine Hilfe an, die alte Mühlentechnik wieder einzubauen.
Jetzt floriert der „Mühlenmotor-Einzelhandel“ ja nicht wirklich. Wie ist der Verein denn an den 40 Pferde starken Einzylinder von 1934 gekommen? „Über Ebay“, sagt Georg Schröder kurz und schmunzelt. Den Wink gab es, na klar, von Florian Butt. Auch wenn der Motor 83 Jahre auf dem Buckel hat, soll er nicht nur bestaunt werden. „Der Motor soll später drei bis vier Mahlgänge betreiben“, bestätigt Georg Schröder. Statt bloßem Mühleninventar soll ein Erlebnismuseum das Ziel sein. Nicht unrealistisch, sei der dampfende Zeitzeuge doch sogar auf eine Laufzeit von 100 Jahren bei einem 24-Stunden-Betrieb ausgelegt – und lässt damit heutige Motorhersteller sicher vor Neid erblassen.
Die Finanzierung des Projekts wird durch Spenden der Mitglieder sowie Zuschüsse diverser Insitutionen wie dem Landesamt für Denkmalpflege realisiert. Der Mühlenverein selber zählte 50 Gründungsmitglieder und konnte seitdem noch einmal 45 Gleichgesinnte gewinnen, die mit Spenden das Projekt unterstützen. Rund 70 000 Euro sind nach den Worten von Maik Dannemann schon in die Restaurierung geflossen – und ein Ende ist noch nicht in Sicht. „Die Mühlentechnik muss noch eingebaut werden, und allein für die Sanierung der Stauwehren haben wir einen Vorkostenanschlag von 40 000 Euro erhalten“, zählt Dannemann auf.
Für Maik Dannemann ist mit dem Motor ein kleines Wunder gelungen: „Im Grunde ist hier alles marode. Wir haben nicht davon geträumt, die Mühlentechnik überhaupt einbauen zu können.“ Jetzt gilt es, zeitnah das Dach wieder auf das Häuschen zu setzen, damit der Neuankömmling frostsicher steht. Das ganze Gebäude-Ensemble soll bestenfalls 2019 fertig sein. Wenn es nach Maik Dannemann geht, soll der Mühlenmotor selber aber schon so bald wie möglich schnaufen. Ob es diesen Winter noch etwas wird, kann er aber nicht sagen. Aber auf den ein oder anderen Monat kommt es nach 43 Jahren Dornröschenschlaf schließlich auch nicht mehr an.