Wenn die Temperaturen im Herbst und im Winter langsam wieder in den Keller gehen, die Dunkelheit früher hereinbricht und die Platzbedingungen stets miserabler werden, dann weichen die meisten Fußballvereine vom Naturrasen auf den Kunstrasen aus. Denn einige Klubs können in den kühleren Monaten ausschließlich auf ihrem Kunstrasen trainieren, weil nur dort eine Flutlichtanlage installiert ist. Außerdem wird der Naturrasen im Sommer ordentlich in Mitleidenschaft gezogen, sodass ein Umzug auf den anderen Platz unumgänglich ist.
Doch schon im Jahr 2022 wird das eventuell nicht mehr möglich sein. Denn dann könnte das geplante Verbot von Kunstrasenplätzen durch die Europäische Union (EU) in Kraft treten. Demnach sollen Kickerwiesen, die aus verschiedenen Plastikbestandteilen aufgebaut sind, in drei Jahren nicht mehr zulässig sein, weil sie aus Sicht der EU zu viel Mikroplastik an die Umwelt abgeben. Einfach gesagt: Kunstrasenplätze mit einer Gummigranulat-Mischung sollen nicht mehr bewilligt werden. Alternative Lösungen seien dagegen Kork, Sand, Hybridrasen – halb Kunst und halb Natur – oder Kunstrasen ganz ohne Verfüllung.
Der genaue Hintergrund für ein mögliches Verbot ist dieser: Die Europäische Union stört sich an den Granulatpartikeln, die unter anderem aus alten Reifen hergestellt werden. Denn sie schaden der Umwelt und werden vor allem durch Wind und Regen sowie von den zahlreichen Sportlern selbst von den Plätzen getragen und gelangen auf diesem Weg dann schließlich ins Grundwasser. Demnach werden von Sportplätzen allein in Deutschland rund 11 000 Tonnen Mikroplastik jährlich abgegeben. Das wäre sieben Mal so viel, wie von Kosmetikprodukten verursacht wird, die deshalb schon länger in der Kritik stehen.
Und genau dieses geplante Verbot der EU bedroht die Amateur-Fußballszene. Denn die so notwendig werdenden Sanierungskosten für die Plätze, die je nach Umrüstmethode bis zu einer halbe Million Euro betragen können, sind nicht finanzierbar. Die meisten Klubs sind auf ihren Kunstrasen angewiesen. Sei es im Spiel- oder gerade im Trainingsbetrieb. Und so schnell – zumindest in drei Jahren – lässt sich keine Alternative finden. So sieht es zumindest Michael Koch, Spartenleiter des SC Weyhe. „Vom Spielbetrieb her wäre das für uns wohl nicht zu wuppen“, betont er. Der Klub teilt sich mit dem TSV Weyhe-Lahausen die Zentralsportanlage. Insgesamt fünf Plätze stehen dabei zur Verfügung, davon zwei Kunstrasen. Einer davon ist mit Sand aufgefüllt und würde somit auch in den kommenden Jahren weiterhin nutzbar sein. Trotzdem: „Ohne eine Übergangsfrist wäre das nicht zu bewerkstelligen“, ist sich Koch sicher.
Und das ist der Plan des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Dieser hat im Mai eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus Sportverbänden und der Wissenschaft gegründet. Die Übergangsfrist von mindestens sechs Jahren sei notwendig, „um die hohen Investitionen für die Sanierungen der mehr als 6000 kommunalen und sportvereinseigenen Kunststoffrasenspielfelder unterschiedlichsten Alters in Deutschland leisten und gleichzeitig den Sportbetrieb auf den betroffenen Sportanlagen aufrechterhalten zu können“, hieß es in einer Mitteilung des Deutschen Fußballbundes von Mitte Mai.
Auch die Politik hat sich zu dem sensiblen Thema geäußert. Innen- und Sportminister Horst Seehofer fordert wie der DOSB ebenfalls mindestens eine Übergangsphase von sechs Jahren, sonst wären „viele Tausend Sportanlagen in deutschen Kommunen von der Schließung bedroht“. In der Welt am Sonntag fügte er hinzu: „Als Sportminister werbe ich für einen vernünftigen Ausgleich zwischen Umweltschutz und den berechtigten Interessen des Sports.“
Zurück zur Kunstrasen-Situation im Diepholzer Nordkreis: Noch etwas düsterer als beim SC Weyhe sieht es beim Nachbarn TuS Sudweyhe aus. „Wir hätten dann ein Riesenproblem“, sieht Spartenleiter Holger Siemer düstere Wolken aufziehen. „Wir sind auf den Kunstrasen im Winter angewiesen. Der Rasenplatz hält der Belastung nicht stand. Ab September ist dieser extrem gefährdet.“
Und wer kommt dann eigentlich für die erheblichen Kosten auf? „Die Gemeinde ist dazu bestimmt nicht in der Lage“, meint der TuS-Spartenleiter. „Sie hat nicht das Budget, einen Kunstrasen zu sanieren – geschweige denn einen komplett neuen zu bauen.“ In das gleiche Horn bläst auch Jörg Bender, Manager des Brinkumer SV. „Das kann doch nicht die Lösung sein. Es würde doch kein Spielbetrieb mehr stattfinden ohne Kunstrasenplätze. Und das will doch wahrlich keiner.“ Auch er überlegt sich schon andere Lösungen: „Dann muss man sich in der Gemeinde gegenseitig helfen, sodass wir uns zum Beispiel mit Seckenhausen absprechen bezüglich des Trainingsbetriebs.“ Fest steht: Kein Verein ist nur auf seinen Kunstrasen angewiesen. Jeder Klub hat zumindest einen Naturrasenplatz.
Nicht in Berührung mit dem Verbot kommt der neue Kunstrasenplatz für die Stadt Bassum. „Wir wussten davon und deswegen haben wir uns natürlich gegen eine Verfüllung mit Gummigranulat entschieden“, unterstreicht Norbert Lyko, erster Stadtrat Bassums. Hier wird der neue Kunstrasenplatz, der für alle Vereine in Bassum und den Schulsport zugänglich ist, mit Sand aufgefüllt. Kostenpunkt: um die 750.000 Euro.
Hierfür muss dann erst einmal der Antrag auf Fördermittel gestellt werden. Wenn im Februar 2020 dann der Bewilligungsbescheid vorliegt, kann der neue Kunstrasenplatz gebaut werden. Die Bauzeit beträgt dann drei bis vier Monate.
Weitere Informationen
Große Kunstrasenplätze in unserem Verbreitungsgebiet:
Zentralsportanlage Weyhe (SC Weyhe, TSV Weyhe-Lahausen)
Altenauer Straße, Weyhe (TuS Sudweyhe)
Brunnenweg, Stuhr (Brinkumer SV)
Pappelstraße, Stuhr (TSG Seckenhausen-Fahrenhorst)
Pillauer Straße, Stuhr (TV Stuhr)
Kunstrasenplatz an der La-Chartre-Straße, Syke (mehrere Vereine)
Sportanlage an der Rue de Téloché, Stuhr (TuS Varrel)
Am Kindergarten, Stuhr (TSV Heiligenrode)