Bruchhausen-Vilsen. Mit eindrucksvollen Worten eröffnete Samtgemeindebürgermeister Bernd Bormann die Auftaktveranstaltung zum Klimaschutzkonzept für Bruchhausen-Vilsen. Er zitierte aus einem Aufsatz eines elfjährigen Mädchens, das in aller Deutlichkeit auf Folgen des Klimaschutzes aufmerksam machte. Es war vom größten Massensterben seit den Dinosauriern die Rede, ebenso von der Aufforderung, die eigene Denkweise zu ändern und endlich aktiv zu werden. "Besser hätte ich die Frage, warum wir ein Klimaschutzkonzept brauchen, nicht beantworten können", sagte Bormann. Gefolgt waren der Einladung nicht nur Verwaltungsmitarbeiter und Entscheidungsträger, auch zahlreiche Bürger, Klimaschützer, Landwirte und Unternehmer hatten ihren Weg ins Forum gefunden. "Wir wollen hier heute nicht auf die Tränendrüse drücken", übernahm Klimamanager Frank Marquardt das Wort. "Aber es geht um 17.500 Menschen und ihren CO?-Ausstoß. Der Klimawandel ist auch bei uns angekommen."
Was ist ein Klimaschutzkonzept?
Mit einem Klimaschutzkonzept soll der CO?-Ausstoß und Energieverbrauch nachhaltig reduziert werden. "Dazu gehört die Analyse vom Ist-Zustand und von Potenzialen, sowie das Definieren von geeigneten Maßnahmen", erklärte Kornelia Gerwien-Siegel. Diese seien kurz-, mittel- und langfristig ausgelegt. Bis zum 30. April 2024 muss der Schlussbericht mit Kosten und Laufzeiten vorliegen, den der Klimamanager verfassen wird. Ab 1. Mai 2024 werden dann mögliche Aktionen oder Handlungen umgesetzt. "Die Samtgemeinde soll bis 2045 klimaneutral werden", benannte Bernd Bormann das gesetzte Ziel.
Wer ist an der Erstellung des Klimaschutzkonzepts beteiligt?
Frank Marquardt wird in den nächsten 14 Monaten das Konzept nicht allein entwerfen. Beteiligt daran ist eine Lenkungsgruppe von zwölf Personen, die sich aus Verwaltungsmitarbeitern und Politikern zusammensetzt. Weitere Unterstützung gibt es von der Beks Energieeffizenz GmbH aus Bremen, die unter anderem Klimaschutzprojekte für Kommunen entwirft und auch an der Erstellung der Treibhausgasbilanz beteiligt war. Namentlich sind dies Kornelia Gerwien-Siegel, Gyde Thomsen und Silke Strüber, die am Dienstagabend auch anwesend waren. Weitere Akteure sind Stakeholder aus Energie und Klimaschutz sowie die Öffentlichkeit.
Was ist eine CO?-Bilanz und wie wurde bilanziert?
"Sie ist ein wichtiges, kommunales Monitoring-Instrument, um langfristige Entwicklungen der Treibhausgasemissionen aufzuzeigen", erklärte Silke Strüber. Als Methodik wurde die sogenannte Bilanzierungssystematik kommunal (Biko) angewandt. "Das ist ein einheitlicher, kommunaler Standard", sagte Strüber. Ein wesentliches Element dieser Methodik ist die endenergiebasierte Territorialbilanz, die die Untersuchungskriterien festlegt. Analysiert werden dabei alle Treibhausgase (THG), die im 1997 im Kyoto-Protokoll festgesetzt wurden. Die Emissionen werden in CO?-Äquivalente umgerechnet, um bessere Vergleiche zu ermöglichen. "Betrachtet wurden alle anfallende Verbräuche auf Ebene der Endenergie", sagte Strüber. In Kategorien eingeteilt ergaben sich so die Sektoren Industrie, Gewerbe und Handel, kommunale Einrichtungen, private Haushalte und Verkehr. "Der private Konsum fließt nicht in die Berechnungen mit ein."
Wie sieht die Entwicklung der THG-Emissionen in der Samtgemeinde aus?
Betrachtet wurde der Zeitraum zwischen 2017 und 2020. 2017 emittierte die Samtgemeinde an THG 142.209 Tonnen CO?-Äquivalente; 2020 waren es nur noch 111.039. "Das ist eine Reduktion von 23 Prozent", erklärte Strüber. "2020 gab es aber deutlich sichtbare Effekte durch die Pandemie: geringere Verbräuche, weniger Verkehr, geringerer Stromemissionsfaktor." Für die Erstellung des Klimaschutzkonzepts wird daher das Jahr 2019 als Referenzjahr herangezogen. Die höchsten Emissionen haben, über alle Jahre hinweg, die Sektoren Verkehr und private Haushalte.
Wie hoch sind die THG-Emissionen pro Kopf?
Durchschnittlich erzeugt jeder Bürger in Bruchhausen-Vilsen pro Jahr 7,06 Tonnen CO?-Äquivalente an Treibhausgasen – nur durch den Energieverbrauch. "Emissionen aus anderen Lebensbereichen, wie Konsum, sind hier nicht mit eingerechnet", sagte Strüber.
Wie haben sich die erneuerbaren Energien entwickelt?
Seit 2017 hat sich die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien in der Samtgemeinde um elf Prozent gesteigert. Bei Fotovoltaik konnte eine Zunahme von 42 Prozent verzeichnet werden. Den größten Anteil an erneuerbaren Energien erzielt die Samtgemeinde durch Windkraft. Derzeit befinden sich, laut Strüber, rund 30 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 50 Megawatt auf dem Gebiet der Samtgemeinde.
Wie hoch sind die THG-Emissionen in der Landwirtschaft?
Zwischen 2017 und 2020 haben die THG-Emissionen in der Landwirtschaft um fünf Prozent zugenommen, informierte Strüber. Grund sei die Zunahme des Milchkuhbestandes. Entsprechende Daten wären beim Veterinäramt abgefragt worden. Die meisten Emissionen erzeugt die Verdauung der Nutztiere, da "Methan 25-mal klimaschädlicher ist als CO?." Durch Düngung werden vor allem Methan und Lachgas emittiert.
Welche Potenziale wurden betrachtet?
Um Energie und Emissionen künftig einzusparen, sollen vier Schwerpunkte gesetzt werden: Energiereduktion in allen Sektoren (etwa durch Sanierung oder Effizienzsteigerung), Umstellung der Wärmeversorgung, erneuerbare Energien und Verkehr (Reduktion des motorisierten Individualverkehrs, ÖPNV, E-Mobilität). Insgesamt geht die Bilanz von einem Einsparpotenzial von 46 Prozent beziehungsweise 187 Gigawattstunden aus.
Wie war die Meinung in Plenum?
Abschließend hatte das Publikum die Möglichkeit, seine Wünsche, Hoffnungen, aber auch Bedenken zu äußern. So wurde der Wunsch eines realistischen Konzepts geäußert, von dem jeder Bürger profitieren kann. Auch Kinder und Jugendliche sollten in den Prozess eingebunden werden, beispielsweise durch Klimaunterricht in der Schule. Zu den Befürchtungen wurde genannt, dass nicht nur Strom im Fokus stehen soll, sondern auch andere Energieträger.