Stuhr/Landkreis Diepholz. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf einzelne Branchen sind vielfältig. Die Firma Posiwio aus Seckenhausen hatte beispielsweise mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen, als die Bänder im asiatischen Raum stillstanden. Und auch jetzt gibt es noch Probleme, das Lager ist längst nicht so voll wie es sonst der Fall wäre. "Wenn wir durch die Hallen gehen, sieht es so aus, als hätten wir kaum etwas zu verkaufen", sagt Mit-Geschäftsführer Jens Ristedt. Die restlichen Container mit Lieferungen für das Herbst- und Wintergeschäft sollen demnächst eintreffen. Mit Sorgen blickt Senior-Chef Jörg Posiwio derzeit auch auf die Entwicklung der Frachtpreise. 19.000 Dollar Fracht für zum Teil Ware im Wert von 9000 Euro würden sich gerade bei kleinteiligen Artikeln einfach nicht rechnen.
Hauptsächlich aus China, Indien und Indonesien bezieht das seit 60 Jahren bestehende Familienunternehmen seine Artikel, die von Christbaumkugeln bis zu großen Metallobjekten für den Garten reichen. Indonesien sei besonders von den hohen Frachtkosten betroffen, sagt Posiwio. Der Firma am Handelshof in Seckenhausen haben Landrat Cord Bockhop und der Wirtschaftsförderer des Landkreises Diepholz, Günter Klingenberg, in dieser Woche einen Besuch abgestattet. Bei dem Austausch ging es auch darum, einen Blick auf die aktuelle Wirtschaftslage im Landkreis zu werfen.
Diese stellt sich trotz Pandemie erfreulich dar. So ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Landkreis von 2019 auf 2020 um rund 500 gestiegen. In der Zehn-Jahres-Betrachtung ist der Landkreis damit Spitzenreiter im Gebiet der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hannover. Die Arbeitslosenquote betrug 2020 im Durchschnitt 4,6 Prozent und ist auf einem konstanten Niveau geblieben. "Seit vielen Jahren bewegen wir uns unter der Landes- und Bundesquote. Trotzdem ist es natürlich noch zu viel", sagt Klingenberg. Im Landkreis befinden sich mehr als 90.000 der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze am Wohnort. "Das zeigt, dass wir auch als Wohnort attraktiv sind", bemerkt Klingenberg. Trotzdem spielt auch die Nähe zu Bremen eine Rolle. Täglich pendeln rund 25.000 Menschen in den Landkreis, eine Zahl ungefähr so hoch wie die Einwohnerzahl Sykes. Die Zahl der Auspendler wiederum beträgt mehr als 42.000. "Unser Ziel ist es, mehr Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen", sagt der Wirtschaftsförderer weiter.
Der Arbeitsweg ist inzwischen zu einem echten Qualitätsmerkmal für Arbeitnehmer geworden, beobachtet Jörg Posiwio. Ein erheblicher Teil seiner Belegschaft stammt aus Delmenhorst und kritisiere die fehlende Möglichkeit, vernünftig mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zum Arbeitsplatz zu kommen. Cord Bockhop betont in Bezug darauf die Notwendigkeit der Straßenbahn-Erweiterung. Der Kreis warte aber auch auf das Ein-Euro-Ticket vom Land, das günstige Konditionen für Pendler bringen soll. "Vielleicht ist das auch ein Anreiz, etwas längere Fahrtzeiten in Kauf zu nehmen", so der Landrat. Auch autonomes Fahren, etwa auf dem Schienennetz zwischen Bassum und Sulingen, könnte die zukünftige Mobilität vorantreiben. Denn der Fachkräftemangel bei Bus- und LKW-Fahrern sei schon jetzt spürbar.
Als besonders positiv hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung hob Bockhop hervor, dass die Bewohner des Landkreises Diepholz 2018 mit 23.428 Euro das größte verfügbare Einkommen pro Kopf im Gebiet der IHK Hannover hatten. Nach Angaben der Kreisverwaltung sind 2020 wiederum mehr als 50 Millionen Euro Förderung der N-Bank in den Landkreis geflossen, inklusive Corona-Hilfen. Durch Ausgleichszahlungen von Bund und Land waren die Gewerbesteuereinnahmen der Kreiskommunen 2020 auf dem Vorjahresniveau geblieben.
Die Seckenhauser Firma Posiwio verkauft ihre Waren ausschließlich an Händler. Diese stammen zumeist aus der "grünen Branche", so etwa Gartencenter und Blumenhändler. Zweimal im Jahr erscheint ein Katalog mit jeweils rund 7000 Artikeln. Kunden können sich darüber hinaus auch vor Ort ein Bild von der Ware machen, die im Schauraum in Themenwelten zusammengestellt ist. Bis zu viermal im Jahr reisen für gewöhnlich Mitarbeiter von Posiwio mit konkreten Vorstellungen zu Farbe, Stil und Materialien nach China. Die Teams besichtigen vor Ort Fabriken und besuchen eine große Messe. "Wir gucken uns vorher die Trends in den Schaufenstern an und beobachten, welche Stoffe und Farben gerade in der Mode getragen werden", beschreibt Jörg Posiwio. Aufgrund der Pandemie liegt der letzte Besuch in Fernost jedoch fast zwei Jahre zurück. Die Mitarbeiter hatten also direkt bei den Lieferanten angerufen und sich Muster schicken lassen.
Fünf bis sechs Auszubildende hat das Unternehmen mit rund 80 Mitarbeitern in der Regel. Ausgebildet wird im Bereich Groß- und Außenhandel und der Logistik. "Bei der Logistik hatten wir in den vergangenen zwei Jahren Probleme, Stellen zu besetzen", sagt Jörg Posiwio. Zuletzt hatte es keinen geeigneten Kandidaten gegeben. Dabei biete das Unternehmen gute Chancen. So habe eine Mitarbeiterin angestrebt, Europakauffrau zu werden mit Aussichten darauf, die ausländischen Posiwio-Kunden zu betreuen, die 15 Prozent der Kundschaft ausmachen.
Unternehmen wächst in die Höhe
Derzeit steht Posiwio vor großen Veränderungen. Während des laufenden Betriebes erfolgen die Umbauten von zwei der insgesamt fünf Hallen. Dafür werden die alten Gebäude abgerissen und neu errichtet – diesmal deutlich höher. "Etwa auf gleicher Grundfläche werden wir 40 Prozent mehr Lagerfläche schaffen", sagt Jörg Posiwio. "2600 Quadratmeter sind schon abgerissen, Ende des Jahres werden wir die Halle neu gebaut haben", sagt Jens Ristedt. Somit optimiert die Firma die ihr zur Verfügung stehende Fläche. Gerade angesichts der Knappheit an Gewerbeflächen sei das Wachsen in die Höhe eine gute Alternative für viele Betriebe, die sich vergrößern wollen, sagt Wirtschaftsförderer Klingenberg. "Oft bleibt nur der Weg nach oben." Das führe auch zu kürzeren Wegen für Logistik und Mitarbeiter. Und noch ein Bestreben der Firma Posiwio weist Richtung Zukunft: Unlängst verfügt das Dach des Hauptgebäudes über Photovoltaikanlagen. Das Ziel ist laut Jens Ristedt aber: "Wir wollen unseren kompletten Strombedarf im Unternehmen damit abdecken."
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