Niedersachsens Landwirte sind erneut in Sorge. Grund sind diesmal die strengeren Düngeregeln, die das Niedersächsische Kabinett Mitte November verabschiedet hat. Damit werden durch die Ausweisung sogenannter “Roter Gebiete” für rund 39 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen des Landes neue Anforderungen aufgestellt, die mancher Bauer als existenzbedrohend ansieht. Auf der diesjährigen Generalversammlung der Raiffeisen-Warengenossenschaft Bassum-Harpstedt am Montagabend in Hackfeld's Dorfkrug waren diese von vielen als bedrohlich empfundenen Entwicklungen das Hauptthema.
Lüder Cordes, Pflanzenbau- und Pflanzenschutzberater von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, konnte auf hohe Aufmerksamkeit setzen, als er die 150 anwesenden Landwirte über Details der neuen Regeln informierte. Dabei wurde deutlich, dass die auf Bundesebene für 2020 geplanten Verschärfungen der Düngeregeln die Probleme des Agrarsektors nochmals verschärfen könnten.
In einem kurzen historischen Abriss verdeutlichte Cordes zunächst, weshalb an der Novellierung der Düngeverordnung samt der Einführung “Roter Gebiete” im Grundsatz weder politisch noch rechtlich gerüttelt werden kann. Hintergrund bilde die bereits 1991 auf europäischer Ebene verabschiedete EU-Nitratrichtlinie, der auch die Bundesrepublik zugestimmt hatte. Doch in den Folgejahren wurden in Deutschland nicht ausreichend Veränderungen vorgenommen, um die in der Richtlinie gesetzten Ziele zum Schutz des Grund- und Oberflächenwassers umzusetzen. So kam es, dass Deutschland im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens unter Strafandrohungen zu erhöhten Anstrengungen verurteilt wurde. Hinzu kommt, dass die Deutsche Umwelthilfe, ähnlich wie beim Thema Luftverschmutzung in Städten, inzwischen Klagen gegen die Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen eingereicht hat. “Der Druck, etwas zu tun, ist also da”, stellte Cordes klar. Zudem machte er deutlich, dass Niedersachsen das letzte Bundesland sei, in dem “Rote Gebiete” eingeführt werden. Ein Versäumnis, wie er einräumte. Aus anderen Bundesländern höre er mit Blick auf weitere Regulierungspläne: “Ihr Niedersachsen habt uns das eingebrockt.”
Zu den neuen Auflagen der Landesdüngeverordnung gehöre die Verpflichtung zu einer Düngebedarfsermittlung samt eines Nährstoffvergleichs. “Das muss gemacht werden, da soll man sich nicht ärgern”, so Cordes. Flüssiger Wirtschaftsdünger, also etwa Gülle, müsse zudem innerhalb einer Stunde in den Boden eingearbeitet werden; bisher war dafür vier Stunden Zeit. Diese Regel werde dazu führen, dass auch für diese Tätigkeit vermehrt auf Lohnunternehmer zurückgegriffen werde, prognostizierte der Berater. Eine “sehr harte Forderung” sei zudem, in Zukunft für flüssigen Wirtschaftsdünger Lagerraum für sieben statt bisher sechs Monate zu schaffen. Das werde zu einem erhöhten Investitionsbedarf oder zu einer Verringerung der Tierbestände führen. Insgesamt seien die Maßnahmen auch darauf angelegt, zu einer weiter verbesserten bedarfsgerechten Düngung zu kommen. Dazu zähle sicherlich: “Keine Gülleausbringung bei hohen Temperaturen sowie eine Verbesserung der Ausbringtechnik.”
Strenge Dokumentationspflicht
Mehr Sorgen als das niedersächsische Regelwerk bereiten Cordes die Pläne von Landwirtschafts- und Umweltministerium für die bundesweite Gesetzgebung. Hier sei eine strenge Dokumentationspflicht des Düngens geplant. Innerhalb von zwei Tagen müsse festgehalten werden, was ausgebracht wurde, sonst drohten Strafzahlungen. Insgesamt solle die Effizienz des organischen Düngens gesteigert werden, verbunden mit einem Gewässerschutz.
Als echte Gefahr für erhebliche Betriebseinbußen sieht Cordes in dem Plan, bundesweit in “Roten Gebieten” eine Verringerung der Düngung um 20 Prozent vorzunehmen. “Das ist ein Hammer”, kommentierte er. Erhebliche Ertragsminderungen seien damit vorprogrammiert. Allerdings, so sein vorausschauender Tipp, wirke sich die Verringerung der Stickstoffdüngung bei den gängigen Kulturpflanzen unterschiedlich aus. Getreide wie Weizen, aber auch Raps, seien besonders betroffen. Er halte es für eine “logische Folge”, dass solche Kulturen im Zweifel “rausgeschmissen” werden.
Womöglich, so Cordes' Hoffnung, könnten besondere Härten dadurch vermieden werden, dass die Dünge-Reduzierung auf Betriebsebene und nicht für die einzelnen Früchte zu erfolgen habe. Dann könne nach gangbaren “Mittelwegen” gesucht werden. “Riesenprobleme” zeichnen sich ab, machte er seinen Zuhörern klar. Es bringe aber nichts, nur negativ zu denken. Sein Fazit laute: “Genau rechnen, das kann sich lohnen.”
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