Eine nicht angezogene Handbremse hat in der Nacht zu Donnerstag einen folgenschweren Unfall auf dem Bahnübergang im Ganderkeseer Ortsteil Rethorn verursacht. Nach den Erkenntnissen der Polizei hatte ein 56-jähriger Ganderkeseer sein Auto auf einem Grundstück nahe des Bahnübergangs Hohenkamp abgestellt. Daraufhin rollte der unbesetzte Wagen auf der abschüssigen Straße unbemerkt auf die Schienen und blieb dort stehen. Ein 27-jähriger Zugführer aus Nordenham, der gegen 0.30 Uhr in Richtung Hude unterwegs war, erkannte das Hindernis in der Dunkelheit nicht rechtzeitig und raste mit dem Triebwagen und zwei angehängten Personenwaggons ungebremst in das Auto, das daraufhin mehrere Hunderte Meter mitgeschliffen wurde. Kurz darauf kollidierte auch ein entgegenkommender Zug in Richtung Bremen mit den Trümmerteilen und wurde ebenfalls stark beschädigt.
Die insgesamt 15 bis 20 Passagiere sowie die beiden Zugführer blieben bei dem Zusammenstoß unverletzt. "Wir haben Taxis und Busse nach Rethorn beordert, die die Reisenden gegen 1.45 Uhr von der Unfallstelle transportiert haben. Das hat soweit gut geklappt", kommentierte Stephanie Nölke, Sprecherin der Nordwestbahn, auf Nachfrage.
Weil zunächst nicht abschließend geklärt werden konnte, ob sich zum Zeitpunkt des Unfalls noch Menschen in dem Fahrzeug befunden hatten, zog dies eine umfangreiche, mehrstündige Absuche der gesamten Strecke sowie des angrenzenden Umfeldes nach sich. Erst zwei Stunden später konnten die Einsatzkräfte zweifelsfrei erklären, dass der Wagen bei der Kollision leer gewesen sei. Dem 56-jährigen Unfallverursacher war das Geschehen bis dahin offenbar verborgen geblieben. Als die Polizei ihn schließlich ermittelt hatte und an seiner Haustür klingelte, habe er den Beamten verschlafen geöffnet, heißt es.
Feuerwehr-Einsatzleiter Norbert Twisterling zeigte sich besonders erleichtert darüber, dass bei dem Unfall keine Menschen zu Schaden gekommen seien. "Aber solange wir nicht sicher sind, ob Personen betroffen sind, fahren wir das volle Programm", kommentierte er. An der Unfallstelle waren rund 60 Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren Bookholzberg und Schierbrok, die Drohnengruppe des Landkreises Oldenburg sowie rund zehn Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerkes im Einsatz.
Fahrzeug komplett zerstört
Das Fahrzeug wurde in mehrere Teile zerrissen, und auch beide Triebwagen waren nicht mehr fahrbereit. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa bezifferte die Polizei den Schaden auf rund 100.000 Euro pro Lok. Zur Höhe des Gesamtschadens mochten sich am Donnerstag aber weder die Beamten noch die Sprecherin der Nordwestbahn äußern. Nachdem die Züge noch relativ lange an der Unfallstelle gestanden hätten, seien sie im Laufe des Tages in die Werkstatt in Wulsdorf transportiert worden, wo die Schäden im Detail begutachtet und die Triebwagen auf ihre weitere Einsatzfähigkeit überprüft werden. "Das Problem bei solchen Unfällen ist, dass es oft nicht bei dem Schaden bleibt, den man äußerlich sieht – etwa wenn sich die Karosserie verzogen hat", erklärte Nölke.
Die umfangreichen Bergungsmaßnahmen zogen sich bis in den Vormittag hin. Die Bahnstrecke zwischen Delmenhorst und Bookholzberg blieb bis gegen 11.30 Uhr gesperrt, ehe die Verantwortlichen die Strecke zunächst für den Fernverkehr und später auch für den Nahverkehr wieder freigeben konnten. Betroffen von der Sperrung waren insbesondere die Linien RS 3 (Bremen – Nordenham) und RS 4 (Bremen – Bad Zwischenahn). Um den Bereich der Unfallstelle zu überbrücken, setzte die Nordwestbahn Ersatzbusse ein.
Gegen den 56-jährigen Fahrzeughalter leitete die Polizei ein Strafverfahren wegen des gefährlichen Eingriffes in den Bahnverkehr sowie ein Ordnungswidrigkeitenverfahren aufgrund der mangelnden Sicherung des Autos ein.
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