Wer zu Thomas Schuldlos (54) zum Selbstverteidigungstraining Krav Maga geht, der darf nicht gerade zimperlich sein. Vor allem dann nicht, wenn Ehsan Montaseri als Trainer mit von der Partie ist. Der 37-Jährige hat Krav Maga zu einem eigenen System „Komak“ weiterentwickelt. Und bei den Trainings packt er richtig zu. So wie am vergangenen Wochenende. Da war Montaseri zu Gast in Schuldlos' Krav Maga Trainingscenter „La Defensa“. Die beiden führten durch den zweitägigen Workshop, der von insgesamt knapp 30 Teilnehmern besucht wurde. Nicht alle, aber viele hatten schon einmal eine Gewalterfahrung, teilweise sehr extreme. Sei es im privaten Bereich, bei der Arbeit oder in der Öffentlichkeit.
„Das oberste Ziel bei Opfern von Gewalt muss sein, dass sie sich danach nicht verstecken, sondern sich öffnen und wieder in die Gesellschaft einbringen“, erzählt Montaseri. Der Bundeswehrsoldat kann bei seiner Arbeit aus vielen Erfahrungen schöpfen. Diese gibt er in seinen Kursen weiter. Und packt dabei auch mal richtig zu. „Der Körper kann nur abrufen, was er schon einmal erlebt hat.“ Bei seinen Kursen arbeitet Montaseri auch mit dem Weißen Ring zusammen, einem gemeinnützigen Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern.
Bei seinem System „Komak“ hat Montaseri Abwehrtechniken aus Kampfkunst und Kampfsport an die bestehenden Gesetze angepasst. Zusammen mit der Idee, so wenig Techniken wie möglich bereitzustellen, war es notwendig, dieses neue System auf diesen Grundlagen aufzubauen. Das Wort Komak stammt aus dem Persischen und bedeutet Hilfe oder Helfen.
Thomas Schuldlos, von Freunden und Arbeitskollegen nur „Shorty“ genannt, kam vor gut sechs Jahren zum Krav Maga. Hauptberuflich arbeitet er als Notfallsanitäter beim Malteser Hilfsdienst in Wildeshausen. Dort ist er auch als sozialer Ansprechpartner in der Einsatznachsorge und Krisenintervention sowie als Konflikt- und Mobbingbeauftragter tätig. Also kein Haudrauf, sondern ein Mensch mit großer sozialer Kompetenz.
Gewalt hat zugenommen
Doch auch Schuldlos hat im Laufe der Jahre bemerkt, das die Gewalt gegen Einsatzkräfte, ob Rettungsdienst, Feuerwehr oder Polizei, immer mehr zugenommen hat. „Ich kenne persönlich einige Kollegen aus ganz Deutschland, die selber schon angegangen wurden“, sagt Schuldlos.
Über Muay Thai kam er zum Krav Maga – und dann zum Komak. „Wenn ich dieses System beherrsche, dann hilft das auch bei der Deeskalation einer Situation“, berichtet Schuldlos. Inzwischen hat er viele seiner Kollegen aus dem Rettungsdienst ausgebildet. Aber auch Einsatzkräfte aus anderen Bereichen. Und Mitarbeiter aus sozialen Einrichtungen, wie zum Beispiel Fachkliniken. Denn auch dort kommt es vermehrt zu Übergriffen. „Ich möchte einfache, stressresistente Werkzeuge an die Hand geben, um im richtigen Moment mit einfachen Mitteln agieren zu können“, nennt er die Trainingsziele.
Dieses Wissen helfe zum Beispiel, im Einsatz entspannter zu sein, wenn sich ein Patient aggressiv verhalte. „Mit dem Wissen und Können, das wir im Training vermitteln, kann man dann ganz anders reagieren.“ Dabei vermitteln Schuldlos und Montaseri nur einige wenige Techniken, die aber auch in einer dynamischen Situation funktionieren.
Spektakuläre Bewegungen, wie man sie von Bruce Lee oder Chuck Norris kennt, sucht man vergebens. „Viele Dinge sehen toll aus, tolle Moves, leider funktionieren nicht alle unter Dynamik und sind für die Selbstverteidigung gerade bei körperlich Unterlegenen unbrauchbar“, weiß Schuldlos. Allerdings sind sich die beiden Komak und Krav Maga Trainer auch einig: „Wenn Deeskalation oder Flucht nicht möglich ist, ist Kampf eine Lösung.“
Beim Workshop am Sonnabend waren Petra Klein und Ferdinand Zuppke vom Weißen Ring aus Oldenburg interessierte Zuschauer. Beide sind in ihrer täglichen Arbeit oft mit Gewaltdelikten konfrontiert, gerade auch im häuslichen Bereich. Die Trainings bieten eine Möglichkeit, sich dagegen effektiv zu schützen.
Der Weiße Ring war auch ein Nutznießer der Wochenendveranstaltung. Denn die Ausbildung war kostenlos, weder Schuldlos noch Ehsan Montaseri nahmen ein Honorar. Die Teilnehmer konnten stattdessen einen selbst festgelegten Geldbetrag spenden. Für den Weißen Ring waren das am Sonnabend 350 Euro. Der Spendenerlös vom Sonntag bleibt beim Fitness- und Fußballcenter LaOla in Ahlhorn. Das Sportzentrum, in dem auch Thomas Schuldlos dienstags zwischen 19.30 und 21.30 Uhr seine Trainings veranstaltet, hat zurzeit stark mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen.