Milchbauern haben vor der Filiale eines Discounters im Osterholz-Scharmbecker Ortsteil Buschhausen gegen den Verfall der Milchpreise protestiert. Unter ihnen Claus Krudop aus Ritterhude. Er kämpft um seine Existenz.
Deshalb waren er und Berufskollegen aus Niedersachsen gestern vor eine Discounter-Filiale in Buschhausen gezogen. Mit der bei der Stadt angemeldeten Demonstration haben sie erneut auf ihre ernste Lage aufmerksam gemacht. Dass nur neun Landwirte und ein Treckergespann vorfuhren, irritierte Krudop wenig. „Wir haben Maisernte“, erläuterte er. Wohl auch deshalb sei eine kurzfristige Info an den Maschinenring untergegangen. Er habe mit 80 bis 100 Teilnehmern gerechnet. „Aber die Bauern haben zurzeit gut zu tun.“ Das Thema jedoch dulde keinen Aufschub. Klaus Krudop und Milchbauern aus Soltau und Lüneburg haben deshalb dem Aldi-Regionalverkaufsleiter, Marcel Rust, eine Art Petition überreicht. Darin fordern sie unter anderem einen Milchpreis von mindestens 40 Cent, um über die Runden zu kommen. Zurzeit zahlten Molkereien zwischen 22 bis 26 Cent je Liter an die Landwirte, wie Krudop erläuterte.
Mit den Händen in den Jackentaschen hörten er und seine Kollegen zu, als der Aldi-Repräsentant Verständnis für die Protestaktion auf dem Parkplatz zeigte. „Ich verstehe die Situation voll und ganz“, sagte Rust. Er als „Kommunikator““ werde den „Protest“ weiterreichen, versprach er. Anschließend hörte er gut zu, als ihm die Landwirte ihr Leid schilderten.
Kunden des Marktes schienen sich wenig für den Auflauf vor den Markttoren zu interessieren. Nur vereinzelt hielten sie inne, wenn sie ein Flugblatt in die Hände bekamen. Die Milchbauern fühlen sich hilflos, wie Krudop klarmachte. Dabei werde bereits mehr Geld für den Liter Milch gezahlt, die Mehreinnahmen aber würden nicht an die Milchbauern weitergereicht, wie Ottfried Wolter aus dem Landkreis Lüneburg kritisierte. Stattdessen würden die Molkereien den zusätzlichen Ertrag absahnen. Die Milchbauern seien am Ende die Gelackmeierten, weil sie an die Molkereien vertraglich gebunden seien. „Die Verträge laufen nämlich zwischen zwei und drei Jahre“, so Claus Krudop.
Ein einziges Dilemma
Alles sei ein einziges Dilemma. Vor Jahren sollte man noch große Viehställe bauen, jetzt aber habe der Markt eine Überproduktion von gut vier Prozent zu verdauen. Die Kredite für die großen Anlagen müssten aber bedient werden. Einigen Kollegen würde das Wasser sprichwörtlich bis zum Hals stehen. Die Banken hätten kürzlich noch mal ein Auge zugedrückt. Sollte es aber zu keinem Anstieg der Milchpreise kommen und sich damit die Einnahmesituation verbessern, seien viele Bauern zahlungsunfähig. „Dann ist alles weg.“
Das Ganze sei schon im Herbst 2013 absehbar gewesen. Passiert sei aber nichts, wie Claus Krudop und seine Kollegen feststellen. „In den vergangenen Jahren haben deutsche Milchvieh-Halter insgesamt zehn Milliarden Euro Verlust hinnehmen müssen“, mischte sich Hermann Rosebrock vom Bundesverband deutscher Milchvieh-Halter (BDM) ins Gespräch ein.
Hermann Rosebrock war aus Soltau nach Buschhausen gekommen, um Claus Krudop Beistand zu leisten. Rosebrock sieht sich und andere Milchvieh-Halter in der Klemme. Sogar ihr Interessenverband, der Deutsche Bauernverband (DBV), lasse sie im Stich. Rosebrock deutet an, dass der Verband von Interessensvertretern der Ackerbauern dominiert sei. „Der Bauernverband sponsert auch die Molkereien“, weiß Rosebrock. „Von dort brauchen wir mit keiner Hilfe zu rechnen“, stellte er wütend fest.
Was Rosebrock und seinen Mitstreitern bleibt, ist Werbung für ihr Produkt zu machen. Sie werben für „Die faire Milch“. Jeder Kunde habe es damit selbst in der Hand, den Bauern einen fairen Preis für ihre Milch zu zahlen, sagt Claus Krudop. Die Einnahmen würden direkt, ohne Umwege über die Molkerein, den Bauern zu Gute kommen. Damit würde der Kunde gleichzeitig den Arbeitseinsatz der Milchbauern würdigen. „Wir müssen die Tiere pflegen, ihre Herkunft und Aufzucht dokumentieren und für das Futter sorgen“, zählte Ottfried Wolter aus Lüneburg auf. Bei höheren Einnahmen könne man auf Maishäcksel verzichten. Soja und ausländisches Futter seien tabu. Das mache sich geschmacklich bemerkbar. „Die Kuh frisst doch von Natur aus keinen Mais“, stellt Rosebrock klar. Und warum verfüttern die Bauern überhaupt Mais? „Weil es einfach schneller geht", erläuterte Ottfried Wolter aus Lüneburg. „Da muss man nur ein Mal statt fünf Mal fahren.“
Bei Regionalverkaufsleiter Marcel Rust war die Werbung für „Die faire Milch“ erfolgreich. „Ich werde das mal vorschlagen“, kündigte Rust gestern an.