Frust über fehlende Kita-Plätze Auf dem Weg zum Familienbündnis

Sie nennen sich „Familienthaler“: Eltern wollen in Lilienthal ein lokales Bündnis für Familien etablieren. Der Ärger über fehlende Krippen- und Kindergartenplätze hat die Eltern zusammengeführt.
21.11.2014, 00:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Sie nennen sich „Familienthaler“: Eltern wollen in Lilienthal ein Bündnis für Familien etablieren. Der Ärger über fehlende Krippen- und Kindergartenplätze stand am Anfang ihrer Initiative. „Saure Muttis“ nannten sie sich, suchten und fanden im Internet-Netzwerk Facebook andere Mütter und Väter, die zornig waren, weil die Suche nach Plätzen in Kindertagesstätten (Kitas) so stressig war. Die Initiative entwickelt sich weiter – zum Familienbündnis.

Sie heißen „Familienthaler“. Die Sternchen um das Logo erinnern ein wenig an die Geschichte vom Sterntaler-Mädchen. Das teilte das Wenige, was es besaß, mit anderen. Zum Lohn fielen goldene Taler vom Himmel. Analog zum Märchen hätten in Lilienthal Betreuungsplätze für Kinder herabfallen müssen. Taten sie aber nicht. Der Frust über fehlende oder unflexible Krippen- und Kindergartenplätze brachte im Frühling Lilienthaler Eltern zueinander, anfangs in der Facebook-Gruppe „Saure Muttis“. Es wurde mehr daraus. Die Eltern wollen ein lokales Bündnis für Familie schaffen. Auf der Internetseite www.familienthaler.de informieren sie darüber, was in Lilienthal zum Thema Kinder und Familie passiert.

Obenan steht die Kinderbetreuung

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf will das Bündnis verbessern, das steht in seinem Leitbild. Die Eltern arbeiten „für ein familienfreundliches Lilienthal“. Im Vordergrund steht das Thema Kinderbetreuung. Das wird schnell deutlich, wenn sich der Kern der „Familienthaler“ trifft. Alexandra Osmers, Britta Käding, Meike Artmann und Wolfgang Schunn sind die Akteure, die alles bündeln. Wenn sie sich am Wohnzimmertisch von Meike Artmann an die Zeit im Mai erinnern, als die Gemeinde die Vorbescheide für die Kita-Plätze verschickte, fallen Worte wie „Hinhaltetaktik“ oder „Einzelfall“. Dazu wurde Meike Artmann, weil sie auf ihrer Krippenanmeldung vermerkte, sie wolle die Tochter von 7 bis 17 Uhr betreut haben.

Prompt rief die Gemeinde bei Artmann an: Sie wisse schon, dass es so etwas nicht gebe oder? Bei Gesprächen am Gartenzaun und beim Blick ins Internet fanden die Familien schnell heraus, dass es viele solcher vermeintlichen Einzelfälle gab. „Etwa 40“, sagt Wolfgang Schunn. „So viele Einzelfälle wie in Lilienthal gibt es in ganz Deutschland nicht“, witzelt Britta Käding. Inzwischen seien 50 Prozent davon „verarztet“, sagt Schunn. Doch für viele sei der Betreuungsplatz zu spät gekommen – oder nicht bedarfsgerecht. Eltern hätten sich mit selbst geschaffenen Lösungen beholfen, sagt Schunn. Käding ergänzt, viele hätten aus Verzweiflung eine Tagesmutter gesucht. Zu oft klafften in Lilienthal Angebot und Nachfrage auseinander. Alexandra Osmers meint: „In Lilienthal möchten sie gerne dieses Bild beibehalten: Mutti ist zu Hause und 8 bis 12 Uhr reicht völlig.“ Seit über 20 Jahren habe sich daran nichts geändert, glaubt die geborene Lilienthalerin. „Das ärgert mich.“

Selbst wenn sich für die Kinder in diesem Jahr noch eine Lösung finden sollte, das nächste Kita-Jahr kommt bestimmt und beschert Familien ähnliche Probleme. Denn, so sagt Schunn, die Gemeinde habe das Grundproblem noch nicht verstanden. Eine Woche nach der Geburt müsse die Mutter dem Arbeitgeber mitteilen, wann sie an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wolle. Mit dem derzeitigen Anmeldemodus sei das schwer machbar.

„Man muss auch Lösungen schaffen“

Beim Ärgern wollten es die Vier nicht belassen. „Man muss auch Lösungen schaffen“, sagt Käding. So verstehen sich die „Familienthaler“ als „Angebot an die Gemeinde zur Zusammenarbeit“. Sie gehen regelmäßig zu Ratssitzungen und treffen sich einmal im Monat mit Gemeindevertretern. „Da fragen wir den Sachstand ab und wie geforderte Dinge sich entwickeln“, sagt Wolfgang Schunn. Das Ziel sei, durch den Dialog Lösungswege zu finden.

Zwangsläufig erkannten die Akteure, dass in Lilienthal ein Familienbündnis fehlte. 2009 habe es einen Anlauf dazu gegeben, damals sei die Lilienthaler Tafel entstanden. Jetzt wollen die Eltern mit den „Familienthalern“ einen „Knotenpunkt“ schaffen, in dem sie „alles zusammenpacken, was Lilienthal bietet“. Denn, so betont Artmann: „Lilienthal macht schon viel für Kinder.“ Mit der Bürgerstiftung hat die Gruppe schon gesprochen. Dort gibt es die Kinderakademie und die Hausaufgabenbetreuung. Alexandra Osmers denkt an den Oma-und-Opa-Service des Amtmann-Schroeter-Hauses. Die „Familienthaler“ wollen Erfahrungen weitergeben, etwa bei Behördengängen, wie Britta Käding sagt. Oder Hilfe leisten bei Flüchtlingen: „Es geht nicht nur um die Kleinsten.“

Momentan seien sie noch in der Sondierungsphase, erklärt Käding. So wollen sich die Lilienthaler beim Grasberger Familienbündnis Anregungen holen. Die Internetseite erzählt schon einiges über die „Familienthaler“. Ein komplettes Leitbild ist da formuliert. „Vertreter der Kommunal- und Landesebene sowie Bündnispartner aus dem sozialen und wirtschaftlichen Umfeld“ wollen die Eltern einbinden, „um aktiv die Familienfreundlichkeit in Lilienthal zu verbessern und zu gestalten“.

Etwa 20 Aktive stehen hinter den „Familienthalern“. Sie tragen Informationen zusammen, die die Internetseite bietet, von den Anmeldefristen fürs neue Kita-Jahr über Flohmärkte bis zum Schulentwicklungskonzept oder der Einladung zum Stammtisch. Da steckt eine Menge Zeit drin, aber, so sagt Wolfgang Schunn: „Von nichts kommt nichts.“ Wenn sich die Arbeit auf mehr Schultern verteilt, um so besser. Das Leitbild der „Familienthaler“ endet mit dem Satz: „Neue Bündnispartner sind jederzeit herzlich willkommen.“

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