Grasberg. Es ist nicht despektierlich, wenn Thomas Ahlhorn auf der Orgelbank sitzt, sich die Schuhe auszieht und nur mit Socken oder gar barfuß das Pedal der Orgel bedient. Es gehört bei ihm dazu, denn so ist der Kontakt zu den einzelnen Pedaltasten am unmittelbarsten. Andere Kollegen wechseln die Schuhe, er zieht sie aus; ein kleines Detail im Vorfeld eines Orgelspiels, das kaum jemand wahrnimmt. Schließlich kommt es darauf auch nicht an, sondern auf das, was eine Organistin oder ein Organist dem Pfeifeninstrument zu entlocken vermag.
Der Bremer Thomas Ahlhorn hat schon einige Orgeln im Umfeld der Weserstadt unter seinen Händen und Füßen gehabt, aber noch nie die altehrwürdige Arp Schnitger-Orgel in Grasberg. Dazu hat er nun am kommenden Sonnabend Gelegenheit, wenn er zusammen mit der Sopranistin Susan Wohlfarth und der Altistin Jasmin Völker – beide ebenfalls aus Bremen – ab 18 Uhr ein Konzert unter dem Titel „Orgel und Stimme“ gibt. Der Untertitel lautet: „Es muss nicht immer Buxtehude sein.“ Und auch das ist nicht despektierlich gemeint, denn Althorn hat bewusst einmal nicht auf die alte norddeutsche Orgelschule gesetzt, sondern unter anderem auf den Italiener Giovanni Morandi (1777-1856), der Romantiker war. Da stellt sich natürlich gleich die Frage: Romantische Musik auf einer Schnitger-Orgel? Ja, warum nicht.
Anders natürlich klingt sie, anders als die Musik von Barockkomponisten wie Georg Böhm oder Dieterich Buxtehude. Die Musik von Morandi ist erfrischend fröhlich, bisweilen rhythmisch und sehr klangvoll. Thomas Ahlhorn meint, dass sie sich vielleicht hier im protestantischen Norden eher wie Freimarktmusik anhöre, aber sie sei eben italienisch, sei sinnlich und früher immer in der Heiligen Messe gespielt worden.
Was die barocke Schnitger-Orgel dann dabei nicht hergibt, wie beispielsweise ein Glockenspiel, hat der Organist einfach mit einem Triangel besetzt, der mit seinem hohen Diskant Akzente zu setzen vermag. Somit stehen die einzelnen charaktervollen Registerstimmen, die die über 300 Jahre alte Orgel so berühmt machen, dieses Mal nicht im Mittelpunkt. Aber manchmal hört man sie doch heraus, wie etwa die hohen Pfeifen- oder Flötenregister.
Doch wird Giovanni Morandi nicht der einzige Komponist an diesem Abend sein, auch der Liechtensteiner Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901) ist mit seiner Messe in f, op. 62 zu hören, in der die beiden schönen, sonoren Vokalstimmen abwechselnd zum Einsatz kommen.
Sängerinnen im Dialog
Spätestens aber an dieser Stelle muss eingeräumt werden, dass dann doch nicht bei allen Kompositionen die Schnitger-Orgel zum Einsatz kommen wird, sondern dass Thomas Ahlhorn auch eine digitale Orgel dabei hat. Denn für Komponisten wie den bereits erwähnten Rheinberger oder die beiden Franzosen Charles Gounod (1818-1893) und Camille Saint-Saëns (1835-1921) sind noch andere Register nötig. So werden von Gounod das „Ave verum“, „O salutaris hostia“ und das „Pie Jesu“ erklingen. Diese Kompositionen werden vom hohen Sopran Susan Wohlfahrts und dem dunklen, tiefen Alt Jasmin Völkers dialogisch gestaltet.
Auch von Saint-Saëns werden sie drei liturgische Stücke interpretieren: das „Ave verum corpus“, das „Ave Maria“ und das „Sub tuum praesidium“. Und auch hier dürfen sich die Besucher auf feine, aufeinander abgestimmte Interpretationen freuen, die schließlich in einem ganz zarten und inniglichen „Amen“ enden.
Aber das ist noch nicht alles. So wird dann doch auch Barockmusik zu hören sein, wie Johann Sebastian Bachs (1685-1750) „Pfingstkantate“ oder die Arie aus dem „Gloria“ seines venezianischen Zeitgenossen Antonio Vivaldi (1678-1741). Beides vorgetragen von der Sopranistin Susan Wohlfahrt und an der Schnitger-Orgel begleitet von Thomas Ahlhorn.
Altistin und Sopranistin sind Schwestern und haben trotz ihrer verschiedenen Stimmlagen ein- und dasselbe Timbre, was man vielleicht mit grundierend beschreiben könnte. Vielleicht ist das ja das Geheimnis ihrer wohlklingenden Duette. Den strahlenden Glanzpunkt dieses farbenreichen Programms wird dann Thomas Ahlhorn mit der Ouvertüre aus Georg Friedrich Händels „Wassermusik“ setzen. Und zwar unter Einsatz der „vollen Orgel“.
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!