Lilienthal. Viele große Schalter werden umgelegt und schon strömt das neue Erdgas durch die Leitungen zu den einzelnen Haushalten. So könnte man sich die Umstellung von L- auf H-Gas vorstellen, die am frühen Dienstagmorgen in Lilienthal erfolgte. Ein Stück weit sei es auch so gewesen, sagt Wolfgang Heeger, Prokurist und Leiter Netzbetrieb bei den Osterholzer Stadtwerken. In Bremen wurden am frühen Morgen die Gasschieber geöffnet; gegen 4.45 Uhr sei dann das neue Gas auch in Lilienthal angekommen. Und das laut Heeger ohne größere Zwischenfälle: "Derzeit haben wir keine Störungen."
Dafür gebe es aber ein anderes Problem: Neben allgemeinen Fragen zur Umstellung, wollen zahlreiche Kunden ihren Zählerstand per Telefon durchgeben. "Das zwingt unsere Kundenhotline natürlich in die Knie", sagt Heeger. Da das neue H-Gas einen höheren Energiegehalt hat, wird es anders abgerechnet; der Zählerstand ab der Umstellung auf das neue Gas ist daher wichtig. "Unterm Strich bleibt aber alles gleich, der Kunde zahlt nicht mehr oder weniger", versichert Heeger.
Dem Tag der Umstellung ging eine monatelange Vorbereitung voraus: An mehr als 5500 Anlagen in Lilienthal mussten die Düsen ausgetauscht werden. Erstmals vor rund einem Jahr informierten die Stadtwerke ihre Kunden schriftlich über die Erdgasumstellung, denn in jeden Haushalt, der an das Gasnetz angeschlossen ist, müssen die Techniker im Minimum zweimal rein. Einmal für die Datenerhebung und ein weiteres Mal für die Umrüstung der Düsen. „Die Kosten werden natürlich am Ende des Tages von allen Verbrauchern in Deutschland getragen“ – als „winziger Bruchteil“ des Gaspreises, sagt Heeger.
In vier Fällen Versorgung eingestellt
Bisher haben die Osterholzer Stadtwerke in Lilienthal etwa 2000 Heizungsanlagen und andere Erdgasgeräte umgestellt. Die noch ausstehenden Geräte „können auch eine Zeit mit dem neuen H-Gas sicher und einwandfrei betrieben werden“, sagt Heeger. Innerhalb von zwei Monaten nach der Gasumstellung sollen deren Düsen umgerüstet werden. Als Sicherheitsrisiko galten die rund 80 Heizungsanlagen, die zu alt und damit nicht mehr auf das neue Gas umrüstbar waren. Heeger weiß um diese böse Nachricht, denn binnen kurzer Zeit mussten die betroffenen Kunden ihre Heizungsanlagen austauschen. Das kostete sie zwischen 5000 und 8000 Euro. Nicht alle Kunden konnten oder wollten so viel Geld in die Hand nehmen. "In vier Fällen haben wir in Absprache mit dem Kunden die Gasversorgung komplett eingestellt", so Heeger.
Was jetzt in Lilienthal geschieht, wird sich in den nächsten Jahren noch in vielen weiteren Regionen in Nord- und Westdeutschland wiederholen. Grundsätzlich notwendig wird die Umstellung, weil die Niederlande den Export des bislang in Nordwestdeutschland eingespeisten L-Gases bis zum Jahr 2030 einstellen. Stattdessen kommt energiereicheres H-Gas aus Norwegen und Russland in die Leitungen. Geschätzt rund fünf Millionen Endgeräte müssen an die veränderte Gasqualität angepasst werden. In Niedersachsen sind es rund 600 000 Kunden, deren Geräte der Versorger EWE Netz im Weser-Elbe-Gebiet ab Ende 2018 umstellen muss. Als erste Kommune war 2015 die niedersächsische Kleinstadt Schneverdingen an der Reihe. Für Ritterhude und Osterholz-Scharmbeck sind die Jahre 2020 und 2021 für die H-Gas-Einspeisung vorgesehen. Die Arbeiten für die Anpassung der Gasgeräte erfolgt jeweils ein Jahr vorher.
"Es ist gut, dass nicht alle Gemeinden auf einmal umgestellt werden", sagt Wolfgang Heeger von den Osterholzer Stadtwerken. Aus der Umstellung in Lilienthal könnten so wichtige Erkenntnisse gewonnen werden. Diese Erfahrungen würden dann bei den Umrüstungen in Ritterhude und Osterholz miteinfließen. "Wir müssen zum Beispiel die Kunden noch stärker darauf hinweisen, die Zählerstandsmeldungen einfach per E-Mail zu verschicken." So könne man die Kundenhotline ein wenig entlasten.