Hagen. Nach einem Seebeben kommt es im März 2011 zur Reaktorkatastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima. In drei Reaktoren und einem Abklingbecken mit Brennelementen setzt die Kernschmelze ein und verseucht die Umwelt mit freigesetzter Radioaktivität. Das hat auch für Deutschland weitreichende Folgen. Die Bundesregierung beschließt, aus der Atomenergie auszusteigen und seine ältesten Atomkraftwerke sofort still zu legen.
Zu den ältesten Kernkraftwerken zählt das 1978 in Betrieb genommene Kernkraftwerk Unterweser (KKU), bei Rodenkirchen. Die Betreiberin heute Preußen-Elektra, früher Eon-Kernkraft GmbH beantragte 2015 das Genehmigungsverfahren für die Stilllegung und den anschließenden Abbau. Im Frühjahr 2018 wird die Genehmigung aus dem niedersächsischen Umweltministerium erwartet. Welche Sicherheitsrisiken und welches Gefahrenpotenzial dann für Menschen und Umgebung bestehen, erläuterten auf einer Informations- und Diskussionsveranstaltung der Bürgerinitiative (BI) Driftsethe gegen Deponien Diplom-Physiker Wolfgang Neumann (Beratungsbüro intac Hannover) sowie Hans-Otto Meyer-Ott und Andreas Obermair vom Arbeitskreis Wesermarsch.
Keine grüne Wiese
Eine „grüne Wiese“ werde es auch nach dem Abbau nicht geben, stieg Neumann in das Thema ein. Zu dem bereits vorhandenen Atommülllager hat der KKU-Betreiber die unbefristete Betriebsgenehmigung für ein weiteres Zwischenlager für leicht- und mittelradioaktive Stoffe beantragt, in dem auch Abfälle aus anderen Atomkraftwerken (AKW) eingelagert werden können. Eine Abluftüberwachung sei beispielsweise nicht vorgesehen. Begründung der Antragsteller: Die Fässer seien dicht und es belastete keine Abluft. Aus Gründen den Transparenz sei es allerdings wichtig, das tatsächlich gemessen werde.
Weiterer Knackpunkt des Abbaus sei die vorgesehene Reihenfolge. Wenn bereits die Reaktorkuppel geöffnet sei, würden sich im Abklingbecken noch 147 Brennelemente befinden, die erst in den kommenden Jahren in Castoren verpackt ins Zwischenlager gehen sollen. Für weitere 56 beschädigte Brennstäbe gebe es allerdings zur Zeit keine technische Lösung, sie sicher zu verpacken, fügte Obermair hinzu. Zur Risikoverminderung für die Bevölkerung sollte jedoch das Abklingbecken leer sein. Das würde auch das Unfallrisiko beim Ausbau des 250 Tonnen wiegenden Dampferzeugers ein Stockwerk höher mindern.
Von besonderem Interesse war für die rund 50 Zuhörer in der Driftsether Mehrzweckhalle der Verbleib der weiteren Materialien des KKU, die aufgrund einer Unbedenklichkeitsmessung, der sogenannten „Freimessung“, das Werksgelände verlassen und entweder auf Deponien eingelagert werden oder als Metallschrott und im Betonrecycling in die Wiederverwertung gehen.
In Driftsethe läuft das Planfeststellungsverfahren für eine Baustoff-Deponie, und die Einwohner befürchten Umweltbelastungen. Meyer-Ott kritisierte eine zu laxe Handhabung der Mess-Überprüfung, die zu einer unkontrollierten Verteilung radioaktiver Stoffe führe, die vom deutschen Ärztetag als völlig unnötige Strahlenbelastung für die Bevölkerung eingestuft wurde. „Wir werden nicht zulassen, dass Preußen-Elektra seine Abfälle so billig wie möglich los wird.“
Der AK Wesermarsch, der sich aus 74 atomkritischen Initiativen, Verbänden und Institutionen zusammensetzt, hat nach dem erfolgten öffentlichen Beteiligungsverfahren zu Abriss und Zwischenlager rund 20 Dissenspunkte heraus gearbeitet, die in der Genehmigung berücksichtigt werden sollen. Anderenfalls wird geklagt. Er forderte die Driftsether auf, sich an der vom Landkreis Wesermarsch organisierten erweiterten Öffentlichkeitsbeteiligung „Bürgerdialog“ mit Vertretern des Umweltministeriums und KKU-Betreibern zu beteiligen.
Die nächste Veranstaltung findet am 3. März in Rodenkirchen statt.