Ritterhude. Mit einem Appell, ihre Heimat Israel zu besuchen, begann die 1927 geborene Zeitzeugin Zippora Feiblowitsch den erschütternden Bericht über ihre Erlebnisse im Konzentrationslager Auschwitz und in einem Arbeitslager in Salzwedel. Unter dem Motto "Wie erinnern wir und wozu?" hatte die Gemeinde Ritterhude zu diesem Zeitzeugengespräch ins Rathaus eingeladen. Die vitale 83-Jährige, die am Vortag schon in der Riesschule vor Schülern von den Schrecken des Holocausts erzählt hatte, beeindruckte die knapp 30 Zuhörer mit ihrer Courage.
Der Irakkrieg im Jahr 1991 sei für sie der Auslöser gewesen, ihre Geschichte öffentlich zu machen, so die in Siebenbürgen geborene Jüdin. Für sie begann als 16-Jährige eine Odyssee durch die Vernichtungslager, auf der sie unvorstellbare Grausamkeiten erdulden musste. Innerhalb von einer halben Stunde verlor sie an der Rampe von Auschwitz beide Eltern. Zippora Feiblowitsch rettete letztendlich ihr mutiges Auftreten vor der Vernichtung. Ihr inzwischen verstorbener Mann verlor seine Eltern und acht Geschwister.
"Es ist für mich unvorstellbar, dass Sie die Kraft und den Mut haben, in ihrem Alter die Menschen mit ihrer Geschichte aufzurütteln. Das war für mich eine bewegende Begegnung", sagte Bürgermeisterin Susanne Geils mit Respekt. "Es ist mir sehr wichtig, meine Geschichte vor Schülern zu erzählen. Aber 65 Jahre nach Kriegsende sind neue Generationen herangewachsen. Es wird Zeit, dass Normalität einkehrt und die Jugendlichen sich kennen lernen" sagte Feiblowitsch.
Begleitet wurde die Zeitzeugin auf ihrer Vortragsreise von Marita Sara Meyer vom Institut für neue Impulse (INI). Das der Fachhochschule Potsdam angegliederte Institut bildet Multiplikatoren aus, mit dem Ziel, israelische, palästinensische, deutsche und polnische Jugendliche zusammenzubringen. Obwohl eigentlich nur Haifas Partnerstadt Bremen und drei weitere Bundesländer für dieses Vortragsprogramm vorgesehen waren, konnte über Meyers Kontakt zu Reinhard Egge der Besuch Feiblowitschs in Ritterhude möglich gemacht werden. Die Anregung, einen Austausch für Ritterhuder Jugendliche zu organisieren, stieß im Ratssaal auf breite Zustimmung. Wer sich selbst in der Begegnung mit anderen ein Bild mache, sei gestärkt und könne nicht so leicht auf Propaganda reinfallen.
"Aber was kostet das?" fragte Lehrerin Ilse Wöhler. Marita Sara Meyer verwies auf "ConAct", das Koordinierungszentrum Deutsch-Israelischer Jugendaustausch. Dort ließen sich verschiedene Fördertöpfe anzapfen. Für viele junge Israelis sei Berlin die heimliche Hauptstadt. Aber das Angebot zusammenzukommen, müsse von deutscher Seite ausgehen, sagte die Kennerin der Situation. Mit dem Appell, Brücken zu den Jugendlichen zu bauen und "das Gefängnis der Schuld" zu verlassen, ging der Abend zu Ende, der unter Umständen einmal als Geburtsstunde eines Ritterhuder Austauschprogramms mit Israel gelten wird. Bürgermeisterin Geils übergab den beiden Damen Präsente und je eine rote Rose. Ferner dankte sie Reinhard Egge für sein unermüdliches Engagement.
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