In ihrer Heimatstadt Donezk herrscht Krieg. Deswegen leben mittlerweile zehn junge Ukrainer in der Region Osterholz, die im Sommer an einem internationalen Workcamp teilgenommen hatten. Ermöglicht wurde der Aufenthalt durch Hilfe und Spenden der Menschen aus dem Landkreis.
Die Stimme zittert und setzt manchmal aus, die Augen werden feucht. „Das nimmt mich immer mit“, sagt Frank Bobran entschuldigend und blickt dabei auf Ganna Ovseichuk. Auch bei ihr laufen beinahe Tränen über die Wangen, aus ihrer Handtasche muss sie ein Taschentuch holen.
Das Schicksal der jungen Ukrainer, die im Sommer für das deutsch-polnisch-ukrainische Workcamp ins Tagungshaus Bredbeck gekommen waren, hat nicht nur den dortigen Studienleiter Bobran bewegt. Auch viele Menschen aus dem Landkreis Osterholz sind betroffen darüber, dass Donezk, die Heimatstadt der Studenten, durch den Krieg zu einem gefährlichen Ort geworden ist. Sie haben gespendet, damit die jungen Ukrainer nicht mehr dorthin zurück müssen.
„Ich hatte erst mit 300 bis 400 Euro gerechnet“, sagt Anja Kalski, Präsidentin des Lions Club Worpswede. Am Ende wurden es fast 10.000 Euro. „Das ist überwältigend.“ Egal ob Großspender wie die Kreissparkasse Osterholz, die Osterholzer Stadtwerke oder Privatpersonen – jeder Beitrag habe geholfen. Denn mit dem Geld wurde der Aufenthalt von zehn jungen Ukrainern in der Region Osterholz möglich.
Zurück können sie nicht mehr
Sie haben im Juli 2014 am Workcamp im Tagungshaus Bredbeck teilgenommen, als die Lage in ihrer ostukrainischen Heimat eskalierte. Allen Beteiligten war schnell klar: Zurück können sie nicht mehr. „Das Ziel war es deshalb, alle möglichst bald in Maßnahmen unterzubringen, damit sie in Deutschland bleiben können“, sagt Frank Bobran. Das sei ein schwerer Weg gewesen, aber bis Mitte Dezember wurde für jeden etwas gefunden.
Nun arbeiten die jungen Erwachsenen in der Region: als Bürohilfe beim Tagungshaus Bredbeck, als Au-pair-Mädchen oder am Theater. So wie Alexandr Starostin. Der 20-Jährige nutzte die offizielle Spendenübergabe, um sich im Namen der ukrainischen Gruppe zu bedanken.
"Die Unterstützung war enorm"
„Für jemanden, der in seiner Heimat fast alles verloren hat, ist es schwer, in einem fremden Land zu sein“, so der Student. „Wir haben uns hier aber nie wie in einem fremden Land gefühlt.“ Die Unterstützung der Menschen aus dem Landkreis sei enorm gewesen. „Deswegen freue ich mich, persönlich ,Danke‘ sagen zu können.“
Zu seiner Familie habe er nur über das Internet Kontakt – wenn die Verbindung gut ist. Doch das sei nicht immer der Fall. Auch Alevtina Artash ist in Sorge um ihre Angehörigen. „In unserem Bezirk wird tagein tagaus geschossen“, erzählt die 21-Jährige. Ihre Mutter wollte schon vier Mal aus Donezk fliehe, aber immer ohne Erfolg. Die Grenzen seien geschlossen.
Manchmal lernt sie die ganze Nacht
Artashs Alltag in Deutschland sieht dagegen geregelt aus. Sie arbeitet als Au-pair in Worpswede und macht nebenbei ein Praktikum, abends setzt sie sich an den Schreibtisch und lernt. „Manchmal die ganze Nacht“, sagt sie. Denn sie möchte ihr ukrainisches Studium beenden. Das geht momentan aber nur noch online. „Im September wurde die Universität in Donezk von Separatisten besetzt“, erzählt Alexandr Starostin, der dort ebenfalls studiert hat.
„Da wird noch einiges vor uns liegen“, glaubt deshalb Frank Bobran vom Tagungshaus. Die Situation habe sich nochmals verschärft und die jungen Erwachsenen säßen immer noch zwischen den Stühlen. Gern würden sie zurück zu ihren Familien, derzeit sei es aber noch zu unsicher.
„Wir müssen gucken, wie es weitergeht“
„Wir müssen gucken, wie es weitergeht“, sagt Landrat Bernd Lütjen. Er selbst hatte im Sommer zwei Ukrainerinnen kurzzeitig aufgenommen und die Situation so hautnah erlebt. Deswegen sei er besonders froh, über die hohe Spenden- und Hilfsbereitschaft. Durch das Geld habe man Kosten für Visa, Fahrten, Sprachkurse, Verpflegung und Unterkünfte finanzieren können.
Bis zum August ist der Aufenthalt für Alevtina Artash, Ganna Ovseichuk, Alexandr Starostin und die anderen sieben Ukrainer erst einmal gesichert. Wie es danach weiter geht, ist noch nicht klar. Können die jungen Ukrainer zurück in ihre Heimatstadt oder dürfen sie in Deutschland bleiben?
Auch Starostins Gedanken kreisen immer wieder um diese Frage. Er könne sich gut vorstellen, in Deutschland zu studieren. „Schließlich haben wir hier so viele wundervolle Menschen getroffen.“