Worpswede. Es ist die schlichte Schönheit einer kleinen Schale, eines Tellers oder einer Tasse, denen eine besondere Aura innewohnt, die gleich beim Betreten der Räume zu spüren ist. Um eine formale Präsenz geht es auch in den Bildern, die korrespondierend zu dem Porzellan nahezu eine ästhetische Einheit bilden. Die Keramikerin Ingrid Ripke-Bolinius und Lutz Bolinius hatten zur Ausstellung in ihr Haus eingeladen, um ihre neuesten Arbeiten zu präsentieren.
Schon seit Jahren arbeitet die Keramikerin mit Porzellan, sie liebt die Leichtigkeit des Materials, das eine große Feinheit und Eleganz ausstrahlt. Dabei wird die Auseinandersetzung mit der asiatischen Kultur deutlich. Es ist die schöne Schlichtheit der Schalen, Teller, Tassen und Vasen, die oft nur durch einen kaum wahrnehmbaren Absatz akzentuiert werden.
Wenn Ingrid Ripke-Bolinius ein Teegeschirr arrangiert, vermittelt sie die Atmopsphäre einer japanischen Teezeremonie, in der es um den Respekt vor der Schönheit der Dinge in Verbindung mit Ruhe und innerer Einkehr geht. Die Auseinandersetzung mit dem japanischen Holzschnitt zeigt sich in ihren Vasenobjekten. In dieser Technik kommt es darauf an, Gegenstände und Personen oft stilisiert und flächig darzustellen.
Dialog eines Künstlerpaars
Auf den Vasen von Ingrid-Ripke-Bolinius erscheinen Elemente aus den Arbeiten berühmter japanischer Künstler wie ein Fries am oberen Rand. Es sind zwischenmenschliche Momente und Paarszenen, die sie direkt in das Porzellan einritzt und farblich akzentuiert, sodass sie einen Zusammenklang mit der schlichten Form und dem Weiß des Porzellans bilden.
Bei dem Besuch in ihrem Haus war dem Besucher auch ein Blick in die Werkstatt erlaubt, an den Platz, an dem dem die Keramikerin unter höchster Konzentration aus dem handwerklich anspruchsvollen Material ihre Formen entwickelt. Das Weiß des Porzellans wird in Vasen und Schalen oft durch Farben kontrastiert. In ihrer Hausausstellung zeigen sich mit Rot, Gelb, Orange und Violett die Farben und die Frische des Frühlings in kleinen Schalen und als Akzente an den Vasen, die sie durch Blüten und Blumen zu einem Gesamtkunstwerk arrangiert hat.
Auch wenn sie in unterschiedlichen Metiers arbeiten, ergeben sich durch den Dialog des Künstlerpaares manchmal Korrespondenzen. So erscheint der Rotton aus den Arbeiten seiner Ehefrau in den Bildern von Lutz Bolinius wieder. Er zeigt ihn in Form von Linien, die in eine Komposition von grauweißen Farbbewegungen und -flächen eingebunden sind.
In diesen Bildern wird das prozesshafte Arbeiten des Künstlers offenbar. Er gestaltet den Bildraum mit verschiedenen Farbbwegungen, schafft Elemente, die wieder übermalt werden, bildet diffuse Räume, die dahinter liegendes ahnen lassen, und akzentuiert schließlich mit der roten Linie, die horizontal verzweigend verläuft. Wenn Lutz Bolinus arbeitet, tritt er in den Dialog mit seinem Bild, das er intuitiv bis zu seiner Stimmigkeit auslotet.
Manchmal wählt Lutz Bolinius als Ausgangsmaterial für ein neue Arbeit einen Bildfetzen oder ein verworfenes Reststück von einem früheren Arbeitsprozess. Dieses bringt er in ein zuvor bestimmtes Bildformat ein und entwickelt es weiter.
Als Bildgrund dient ein Papier, dass ebenfalls leichte Spuren von vorherigen Arbeitsprozessen aufweist. Manchmal bedarf es dann nur weniger Linien oder Farbbewegungen, um die Komposition zu einer Stimmigkeit zu führen. An anderer Stelle ist es ein Blatt aus einem alten Lateinbuch, das zu einem bestimmenden Element wird und durch Farben und Linien seine Ergänzung erfährt. Der Künstler nennt dazu den Begriff Kairos, was soviel bedeutet wie den „richtigen Moment zu spüren und zu nutzen“. Diesen zu erkennen führt sowohl im künstlerischen Prozess von Lutz Bolinius als auch an der Drehscheibe von Ingrid Ripke-Bolinius zu der formalen Präsenz und sinnlichen Ästethik ihrer Arbeiten.