Weihnachtskugeln gehören zum Fest in die Tanne wie der Stollen zur Tasse Kaffee. Manche Dinge haben alle Jahre wieder ihre Gültigkeit. Ein wohltuendes Stück Verlässlichkeit in Zeiten wie diesen. Und doch bringt die Grasberger Künstlerin Margarete Bauer diese Beständigkeit ein bisschen ins Wanken. Nicht, dass sie etwas gegen Kugeln hätte. Als Glasbläserin könnte sie den feinen Tannenschmuck sogar selbst herstellen. In diesem Jahr aber funkelt anderer Glasschmuck an den Tannenzweigen: fein gedrehte Eiszapfen aus Glas. Natürlich auch aus eigener Produktion.

Ein Eiszapfen aus Glas von Margarete Bauer hängt an ihrem eigenen Weihnachtsbaum.
Margarete Bauer sitzt in ihrer Werkstatt unterm Dach des Gartenhauses und lässt die Flamme fauchen. Sie schiebt sich eine Schutzbrille auf die Nase und greift nach einem der dreikantigen Stäbe aus Hartglas. Sie sind das Rohmaterial für die zarten Zapfen, die die Künstlerin mit dem richtigen Dreh, mit Augenmaß und Gefühl daraus entstehen lassen wird. Noch ist die Flamme, vor der sie sitzt, eine kleine. Sachte schiebt Margarete Bauer die Kanten des Stabs durch das Feuer, so dass schon bald ein weißer Schimmer auf ihnen liegt. Dieser Schimmer wird dem fertigen Kunstwerk optische Spannung verleihen. Wie die weißen Stellen in den Eiszapfen, die die Natur hervorbringt, wenn sie uns grimmige Kälte beschert.
800 bis 1000 Grad Hitze
Die Grasbergerin dreht nun die Flamme stärker auf. „Ich arbeite mit Sauerstoff- und Gasflasche“, erklärt sie und lässt den noch starren Glasstab durch die Flamme wippen. Zwischen 800 und 1000 Grad Hitze wirken jetzt auf das Material ein und machen es weich wie einen Sahnebonbon. Schon hat Margarete Bauer daraus einen Zapfen geformt, der jetzt so geschmeidig ist, dass sie ihn gleichmäßig drehen und eine Spirale formen kann. Fehlt nur noch der feine Haken, durch den sie später den Faden zieht, um das Kunstwerk an den Tannenzweig zu hängen. Dafür hält sie das obere Ende des Zapfens mithilfe eines Haltestabs wieder in die Flamme, bis das Glas so weich ist, dass sie einen kleinen Haken biegen kann, „der nicht scharfkantig sein darf“. Das andere Ende des Zapfens greift sie nun mit einer vorgewärmten Zange, um es in der Flamme vom restlichen Glasstab abzutrennen. Nun muss das stark erhitzte Kunstwerk zum Abkühlen schnell in einem Behälter mit speziellem Granulat. „Wenn ich das nicht machen würde, baut es innere Spannungen auf“, erläutert die Künstlerin diesen abschließenden Arbeitsschritt. Das feine Werk würde knallend zerspringen.
Seit 15 Jahren macht Margarete Bauer farbige Perlen aus Weichglas. Sie gehört zu den Grasberger Künstlern, die im Herbst regelmäßig ihre Ateliers für interessierte Besucher öffnen. In diesem Jahr war das wegen Corona nicht möglich. Nun blicken alle voller Hoffnung auf 2021.
„Eine erste Möglichkeit zum Arbeiten mit diesem tollen Material ergab sich im Jahr 2001 auf der Insel Bornholm bei einem der dortigen Glasbläser“, erzählt Margarete Bauer. Seit sie auf einem kleinen Weihnachtsmarkt eine „ganz kleine Perle“ entdeckt hatte, ließ sie die Faszination für Glaskunst nicht mehr los. In etlichen Kursen bei namhaften, auch international arbeitenden Glaskünstlern eignete sich die Grasbergerin die nötigen Kenntnisse und Techniken an und verfeinerte nach und nach ihr Handwerk.
Auch ihre Werkstatt passte sie im Lauf der Jahre immer wieder an neue Techniken und Möglichkeiten der Glasbearbeitung an. In flachen Schubladen lagern Glasstäbe in allen erdenklichen Farben und Größen. Auch Glasrohre mit 4 Zentimeter großem Durchmesser. Daraus könnten feine mundgeblasene Kugeln entstehen. Aber das ist eine andere Geschichte.