Protest gegen Erdgasförderung in Grasberg Es ist noch nicht vorbei

In der ersten Runde hat die Bürgerinitiative No Moor Gas die Dea mit ihren Plänen zur Erdgassuche ausgebremst. Die nächsten Runden werden härter, wissen die Mitglieder und verzichten auf eine Feiertagspause.
27.12.2018, 10:04 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Von Undine Mader

Grasberg. Sabine Alpers war sprachlos, als sie nach über sechsstündiger Fahrt durch den Landkreis Rotenburg in einem Reisebus wieder gen Grasberg rollte. Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen in Grasberg hatten Interessierte zu einer Besichtigungstour von Erdgasförderstellen mit fachkundiger Reiseleitung eingeladen. Rund 20 Menschen saßen im Bus.

Kaum mehr als eine Autostunde von Grasberg entfernt hatte Alpers erlebt, wie Erdgasförderung aussieht und stinkt. Zwei Tage habe sie sich von den Eindrücken erholen müssen, schildert sie. Danach habe sie entschieden, dass es bei Sprachlosigkeit und Ohnmacht nicht bleiben kann. Sie setzte sich an den Rechner und suchte im Internet nach Biogasanbietern, nach einer Alternative zum Erdgas, und wechselte schließlich ihren Energieanbieter.

Jörn Schumm hat das auch getan. Er saß mit im Bus und er ist in der Bürgerinitiative (BI) No Moor Gas aktiv, in der sich in der zweiten Jahreshälfte Menschen aus den Landkreisen Osterholz und Rotenburg formiert hatten, um gemeinsam zu beraten, wie man mit den Plänen der Deutschen Erdöl AG (Dea) umgehen sollte. Das Unternehmen beabsichtigte wie berichtet, mit großen Messfahrzeugen in der Region nach Erdgas zu suchen.

Der Widerstand ist gewachsen, auch wenn die Dea ihre Planung vorerst verschoben hat. Schumm zufolge engagieren sich zwischen 50 und 60 Menschen in den Gruppen der BI. Und es gebe „ganz viele, die sich zugehörig fühlen und aktiv sind“, die Flyer verteilen oder die roten Kreuze aus Holz bauen, für jene Menschen, die damit vor ihrem Grundstück oder Haus ihr Nein zur Erdgassuche ausdrücken wollen.

Und auch wenn Weihnachten und Silvester näher rückten, und viele vor allem mit sich und der Familie beschäftigt waren, machten die Aktiven von No Moor Gas einfach weiter. Sie bauten auf Weihnachtsmärkten in der Region ihre Info-Stände auf. Jörn Schumm fuhr auch zu einer Ratssitzung und baute das große rote Holz-X an der Rathaustür auf. Und in Ottersberg wollte eine BI-Gruppe noch vor dem Fest klären, ob und wie sich Erdgasförderungsgegner mit Unterschriftenlisten oder Petitionen weiteres Gehör verschaffen können.

„Es läuft vieles parallel, trotz Vorweihnacht“, erzählt Schumm. Auf Sonderparteitagen und Kreistagsfraktionen haben die BI-Vertreter schon gesprochen, und sie holten Landespolitiker zu einem Informationsabend nach Ottersberg. BI-Vertreterin Anja Büssenschütt sagt: „Man merkt, dass die Politiker Kontakt suchen, parteiübergreifend.“ Das Interesse am Thema sei da, freut sich Schumm. Viel Arbeit und Recherche haben die BI-Leute schon investiert. Mittlerweile können sie sicher über das Thema Erdgasförderung diskutieren.

Aber ist das überhaupt noch notwendig? Für die BI-Mitglieder besteht darin kein Zweifel. Auch wenn die Dea ihren Antrag zur Erdgassuche vor Kurzem zurückgezogen hat und die BI das laut Büssenschütt als „kleinen Etappensieg“ verbuchte, sagen die beiden Mitglieder unisono: „Es ist klar, dass die Dea das Projekt nicht abschließt.“ Und somit geht auch der Protest weiter.

Das sei wie beim Boxen, so Büssenschütt. In der ersten Runde habe man den Konzern auf die Bretter geschickt. Beide Seiten wüssten aber nun, dass die nächsten Runden härter werden. Aber die Gegner seien eine große Gruppe. Viele Menschen informierten sich immer wieder bei ihr. „Die Leute bleiben am Ball, weil wir am Ball bleiben“, so Anja Büssenschütt. Sie gehe nicht davon aus, dass die BI in einem halben Jahr ihr Geschäft einstelle. „Wir wissen, es ist nicht damit getan, rote Xe aufzustellen.“

Was Erdgasförderung bedeutet, will die BI im neuen Jahr mit eigenen Busfahrten in den Nachbarkreis zeigen. 52 aktive Erdgasförderplätze gibt es dort laut Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Einige wurden auf der ersten Bustour angesteuert und durch die Zäune angeschaut. Schumm sagt: „Wenn das einer sehen würde, der sich vorher noch nicht damit befasst hat, der wäre einfach schockiert.“ Er erzählt von einem Bauernhof, auf dem zwischen Ställen und Wohnhaus ein Bohrturm stand. Auf einem Blatt skizziert er, wie Oberwasser an einer Förderstelle falsch abbiegte und nicht im dafür vorgesehenen Rückhaltebecken ankommt. Aber nur dort werde die Verschmutzung kontrolliert, das sei ein Problem.

Im Landkreis Verden werde Erdgas in einem Trinkwasserschutzgebiet ohne Trinkwassermonitoring gefördert. Hinzu kämen Dutzende Krebskranke, bei denen unklar sei, weswegen sie erkrankten. Schumm zeigt auch ein Foto mit einem Abflussrohr, aus dem weißer Schaum läuft. „Stinkender Schaum“, sagt Schumm, und der gelange bis in die Wümme. Plötzlich seien die Erdgasförderstellen ganz nah. „Alles, was da rausläuft und sabbert, kommt direkt zu uns.“

Weil das LBEG der Lizenzvergeber für die Erdgasförderung sei und dem stellvertretenden niedersächsischen Ministerpräsidenten Bernd Althusmann (CDU) direkt unterstellt sei, sieht die BI in dem Politiker ihren direkten Ansprechpartner, so Schumm. Vor laufender Fernsehkamera haben sie ihn zu einem Gespräch eingeladen.

Die Arbeit müsste aber auch zu Hause gemacht werden, sagt die Grüne Sabine Alpers. „Es muss ein Signal her“, sagt sie und regt an, den Gasanbieter zu wechseln. Schumm und sie haben es getan. Er bedauert, in seinem Passivhaus überhaupt Erdgas zu haben. „Hätte ich damals schon gewusst, was das bedeutet, hätte ich mich anders entschieden.“ Wer sich jetzt anders entscheiden will, dem bietet Sabine Alpers an, Vergleichsrechnungen aufzustellen. Naturgas müsse nicht viel teurer sein und mit einem bewussteren Heizverhalten lasse sich die Differenz zum Erdgas noch senken. Alpers ist per E-Mail unter sabine-alpers@web.de erreichbar.

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