Lilienthal. Donnerstagmorgen, kurz vor halb acht in der Trupermoorer Landstraße: Autos fahren – trotz defekter Geschwindigkeitsmesstafel – scheinbar in Zeitlupe. Das Smartphone zeigt acht Grad Celsius Außentemperatur an. Ein Mädchen mit schwer hängender Schultasche, hat sich einen Schal umgewickelt. Unter seinen Schuhen knacken Eicheln. Ansonsten ist es auf dem Weg zur Grundschule seltsam ruhig: Kein „Elterntaxi“, das Schüler abliefert, ist zu sehen. Das soll an diesem Tag aber auch so sein, denn es ist „autofreier Schultag“.
Der Aktionstag am Donnerstag ist bereits der zweite seiner Art in Lilienthal. Wie schon im vergangenen Jahr hat die Initiative Mobilität dazu aufgerufen, Kinder an diesem Tag nicht mit dem Auto, dem sogenannten Elterntaxi, in die Schule zu bringen. Stattdessen sollten sie ihren Nachwuchs zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf den Weg schicken. Dabei haben die Initiatoren mehrere Aspekte im Auge: mehr Sicherheit vor den Schulgebäuden zum Beispiel, da von rangierenden Fahrzeugen eine potenzielle Gefahr ausgeht. Außerdem kann ein autofreier Schulweg auch ein Beitrag zum Klimaschutz sein. In den Lilienthaler Grundschulen hatte die Initiative vorab für das Vorhaben geworben und mit Plakaten, Briefen an Eltern und Hinweisen auf Internet-Seiten die Werbung angekurbelt.
Sicherheit und Selbstbewusstsein
15 Minuten später erreichen immer mehr Gruppen von Schulkindern und Eltern den Schuleingang. Das Geschehen am Donnerstag in der Trupermoorer Landstraße erweckte den Eindruck, dass die Botschaft der Initiatoren angekommen ist. Viele Autos fahren in der halben Stunde vor Schulbeginn nämlich nicht vor. Die meisten Schüler sind zu Fuß unterwegs, manchmal auch in Begleitung ihrer Eltern: „Unsere Kinder kommen eigentlich immer ohne Auto“, sagen einige. Ihnen scheinen die Ziele der Aktion, wie zum Beispiel Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein und Sicherheit einzuleuchten. Die Kinder, so die Ideengeber des autofreien Schultag, könnten sich besser zu orientieren und fühlten sich stärker. Medien berichten sogar von einem „besseren Lernen“ als Effekt des Laufens und Fahrradfahrens am Morgen.

Mara Jekosch ist eine der Initiatorinnen des autofreien Tags. Vor der Grundschule Trupermoor war sie mit Maskottchen „Lilius“ dabei, um zu schauen, wie die Resonanz ausfiel.
Kurz vor Schulbeginn biegt ein SUV in die Stichstraße gegenüber ein. Hier soll es sonst zu jeder Menge Frühverkehr kommen. An diesem Donnerstag ist das anders. Und auch aus dem großen Wagen steigt kein Kind aus. Erst als der Bus hält und die Kleinen über eine Rampe auf den Vordereingang zulaufen, ist ein Gefühl von Hauptverkehrszeit zu spüren.
Den Morgen vor der Schule begleiten auch die Polizistin Gabi Knigge und ihr Streifen-Partner Alexander Andrič. Zunächst sprechen sie nur eine ältere Schülerin und einen Schüler an: Beide haben auf dem Fahrrad mit dem Handy telefoniert. Auch eine Mutter hatte noch etwas zu berichten. Aber die erwarteten Gespräche mit Eltern, die ihr Kind bis in die Schule fahren, fallen heute aus. Oberkommissarin Knigge: „Es kamen kaum Autos der Eltern“. Kollege Andrič führt dies auch auf die „Präventionsarbeit“ zurück.
Mara Jekosch, Ideengeberin und Angehörige der Initiative Mobilität, ist an diesem Morgen mit dabei. Die zweifache Mutter und Projektleiterin in der Informationstechnologie hat ihr Auto abgegeben und am Donnerstag erlebt, dass auch andere ohne zurechtkommen: „Eigentlich habe ich gar kein Auto mit Kindern gesehen.“ Aus diesem Grund wertet sie den autofreien Schultag als „vollen Erfolg“. Bei der einmaligen Aktion soll es aber nicht bleiben: „Wir freuen uns, wenn möglichst alle Kinder, egal, bei welchem Wetter, den Weg ohne Auto zur Schule kommen.“ Und wenn der Schulweg mal nicht anders möglich ist, könne man die Kinder zumindest schon vorher aus dem Auto lassen, damit sie die letzten 250 Meter allein gehen können. Zu diesem Zweck kann man mit anderen Kindern auch einen Treffpunkt vereinbaren, damit sie zusammen das Schulgebäude ansteuern.