Herr Jaber, wie sieht ihr neuer sportlicher Alltag aus, und in welchen Bereichen vermuten Sie persönlich die größten Schwierigkeiten?
Hassan Jaber : Wir müssen das Gelände mit einer Maske betreten und nehmen sie erst auf dem Platz wieder ab. Zudem haben Trainer und Betreuer ein Desinfektionsspray dabei. Ich stelle vor dem Training schon Hütchen im Abstand von zwei Metern auf, an denen die bereits umgezogen erschienenen Spieler dann beispielsweise ihre Taschen ablegen können. Duschen ist bei uns ja ohnehin noch nicht erlaubt. Anfangs waren wir alle froh, überhaupt wieder Fußball spielen zu können, doch so langsam wird es echt langweilig. Natürlich schießen und flanken wir viel, üben den Spielaufbau, aber gerade die Defensivleute, die ihre Stärken im körperlichen Bereich haben und normalerweise ihre Gegenspieler absperren, können nicht wie gewohnt eingreifen. Im Wissen, dass deutschlandweit überall so trainiert wird, können wir aber mit dieser Situation leben. Weil niemand benachteiligt wäre, könnten alle Vereine von mir aus auch ohne Testspiele in die neue Saison starten. Selbstverständlich ohne Zuschauer, und durch den Spielbericht wäre dann sehr gut nachvollziehbar, wer bei der Partie alles anwesend war.
Sie mussten kommen, die Schmerzgrenze war für viele Leute erreicht. Andernfalls hätten diese sich dann wahrscheinlich über das Gesetz hinweggesetzt. Man muss ja nur durchs „Viertel“ laufen, um zu sehen, wie viele sich nicht mehr an die Abstandsregeln halten. Da ist meiner Meinung nach leider schon ein Gruppenzwang zu erkennen. Wenn acht Leute zusammen losziehen, fällt es dem Neunten schwer, nicht mitzukommen und den Moralapostel zu spielen. Trotzdem sollten wir die Regeln alle durchziehen und auch Vorbilder sein. Wenn sich zum Beispiel eine Jugendmannschaft dem Fußballplatz nähert, vergrößern wir die Abstände sogar freiwillig von zwei auf drei Meter, damit dies auch von weitem für jedermann sichtbar ist.
Was haben Sie während des Lockdowns am meisten vermisst, und welche Dinge aus dieser Zeit möchten Sie in Ihrem normalen Alltag gerne beibehalten?Besonders sonntags war es eine Umstellung, das ist normalerweise mein Fußballtag. Wenn wir nicht selbst spielen, schaue ich mir woanders ein Match an. Da ich nicht ins Fitnesscenter konnte und Abwechslung brauchte, habe ich in Lilienthal mehrfach an einem Spendenlauf für die „Tafel“ teilgenommen. Am schlimmsten war die Zeit aber für die Kinder, weil sie nicht auf den Spielplatz durften. Mit einer Runde „Memory“ geben sie sich nicht ewig zufrieden. Insgesamt war es parallel aber auch positiv, so viel Zeit mit der Familie verbringen zu können, das habe ich auch bei meinen Nachbarn beobachtet. Ich denke, dass ein Umdenken stattgefunden hat. Viele Menschen haben zuvor nur noch gearbeitet und haben nun festgestellt, dass das Leben noch viel schönere Dinge zu bieten hat.
Jetzt im warmen Sommer bekomme ich unter der Maske schlecht Luft. Ansonsten habe ich beruflich schon wieder viel zu tun. Ich bin in der Logistikbranche tätig, und es kommen bereits wieder reihenweise Container bei uns an. Dass der normale Arbeitsalltag bei vielen wieder herrscht, sehe ich auch bei meinen Spielern, die häufig erst um 19 Uhr Feierabend haben. Die Arbeit hat uns wieder, und das schöne Leben gerät so langsam bei vielen wieder in Vergessenheit.
Das Gespräch führte Frank Mühlmann.Heute von:
Hassan Jaber, 36 Jahre alt, Trainer des Fußball-Kreisligisten SV Lilienthal-Falkenberg
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Der Trainingsbetrieb ist vereinzelt gestartet. In unserer Serie „Der neue Alltag“ lassen wir Sportlerinnen und Sportler erzählen, wie es ihnen geht. Heute: Hassan Jaber, Trainer von Fußball-Kreisligist SV Lilienthal-Falkenberg
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