Herr Thöne, wie sieht Ihr neuer Trainingsalltag aus, und was würde sich bei Geisterspielen für Sie als Bundesliga-Schiedsrichter ändern?
Martin Thöne: Zum Glück besitzen wir ein großes Grundstück, sodass ich mit meinen zwei Kindern im Garten viel Basketball und Fußball spielen konnte. Ansonsten halte ich mich individuell fit und bin eher der Läufer-Typ. Vom Athletik-Bundestrainer bekomme ich alle vier Wochen einen Trainingsplan zugeschickt, der hauptsächlich auf Ausdauer und Intervalltraining abzielt. Zwar ist unser Leistungstest in der Sommerpause, bei dem wir in 30 Minuten eine gewisse Strecke schaffen müssen, abgesagt worden, aber dieser wird sicher demnächst kurzfristig nachgeholt. Allgemein kann ich es übrigens ohnehin nicht schleifen lassen, denn vom Handball-Verband wird durch das Tragen einer Pulsuhr durchaus nachvollzogen, was wir für die Fitness tun. Ob es Geisterspiele in der Bundesliga geben wird, ist noch die große Frage, da die Fernseheinnahmen beim Handball im großen Gegensatz zum Fußball nur etwa fünf Prozent ausmachen. Allerdings ist das Medieninteresse gleichbleibend, sodass es irgendwann bestimmt auch wieder losgehen wird. Der Druck durch die Zuschauer würde dann natürlich für mich als Schiedsrichter entfallen, genauso wie der große Lärmpegel. Andererseits hört man bei Geisterspielen jeden einzelnen Kommentar und muss zudem schauen, trotz womöglich niedrigeren Adrenalinpegels das gleiche Leistungslevel zu erreichen.
Meine Frau ist Ärztin, wodurch ich medizinisch schon etwas geprägt bin und den Lockerungen deshalb sehr skeptisch entgegenblicke. Natürlich gibt es immer zwei Seiten der Medaille. Aus wirtschaftlicher Sicht verstehe ich selbstverständlich den Wunsch diverser Branchen, die momentan an den Existenzabgrund gedrängt werden. Auf der anderen Seite sehe ich als Grundschullehrer, wie schwierig der Schulalltag trotz aller Bemühungen zu bewältigen ist. Mit einer vierten Klasse waren wir die Ersten, die mehr oder weniger spontan beginnen durften. Abstands- und Hygieneregelungen sind für kleine Kinder nun mal nicht leicht einzuhalten. Dass in zwei bis vier Wochen an den Schulen halbwegs wieder normaler Betrieb herrschen soll, ist eigentlich kaum vorstellbar.
Was haben Sie während des Lockdowns am meisten vermisst, und welche Dinge aus dieser Zeit möchten Sie in Ihrem normalen Alltag gerne beibehalten?Ich bin zwar nicht der große Partygänger, aber natürlich habe ich es vermisst, mich mit Freunden oder meiner Mannschaft mal abends auf ein Bier zusammenzusetzen. Das Homeschooling war zwar anstrengend, aber irgendwie auch ganz schön. Als Familie wächst man so schon noch mal anders zusammen. Digitale Interaktionen per Skype oder Facetime werde ich bestimmt auch zukünftig häufiger nutzen, beispielsweise mit Freunden im Ausland. Mir hat es eigentlich auch gut gefallen, wochenweise zu planen. Anstatt jeden zweiten Tag einzukaufen oder ständig überlegen zu müssen, was wir essen möchten, sind wir zu einer solchen Planung übergegangen. Meine Kinder sind da sehr involviert, weil sie selbst unheimlich gerne kochen und backen.
In einem Restaurant Essen gehen ist zwar theoretisch schon wieder möglich, aber persönlich werde ich noch abwarten, bis das Wetter wirklich schöner wird und man dann in jedem Fall auch draußen sitzen kann. In puncto „Reisen“ fühle ich mich außerdem ebenfalls noch etwas eingeschränkt. Ursprünglich komme ich ja aus Berlin und habe dort natürlich noch Freunde und Bekannte. Die habe ich nun schon fast ein halbes Jahr nicht gesehen. Und dann habe ich natürlich auch die Urlaubsplanung für den Sommer im Hinterkopf. Da wollten wir eigentlich mal auf die Kanaren fliegen.
Das Gespräch führte Frank Mühlmann.Heute von:
Martin Thöne, 41 Jahre alt, Handball-Bundesliga-Schiedsrichter und Torwart bei der HSG LiGra
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Der Trainingsbetrieb ist vereinzelt gestartet. In unserer Serie „Der neue Alltag“ lassen wir Sportlerinnen und Sportler aus unserem Verbreitungsgebiet über die nun eingeführten Lockerungen berichten.